Die deutsche Riegelstellung hält gegen Trommelfeuer und Panzer –
Heldenhafte Abwehr am Panzergraben vor Catania
Von Kriegsberichter Lutz Koch
rd. Auf Sizilien, im Juli –
Der Kampf um die Ebene von Catania steht im Zeichen einer Überlegenheit des englischen Gegners an Material, vor allem an schweren Waffen, aber auch an Infanteristen, die er nun schon seit fast einer Woche pausenlos in sich ständig erneuernden Angriffen gegen unsere Linien vortreibt. Aber noch immer liegen sie wie vor Tagen an dem Nordhang eines mächtigen Dammes, der sich mit einem tiefen Graben davor als starkes Panzerhindernis vom Meer her quer durch die Ebene südlich des Flugfeldes von Catania dahinzieht. Zwar mußten weiter vorgeschobene Stellungen an der Simetobrücke unter dem übermächtigen Druck langsam und unter schwersten Verlusten für den Gegner aufgegeben werden, die Hauptstützpunktlinie aber, der Panzergraben, ist nach wie vor fest in unserer Hand.
Auch jetzt liegen wir wieder in den rasch in die Erde hineingetriebenen Schützenlöchern am Hang und starren hinaus in die flimmernde Ebene, die manchmal für Stunden in einer so bleiernen Ruhe zu verharren vermag, daß keiner, der nicht die bereiten Waffen sähe, vermuten könnte, wie erbittert hier gekämpft wird. Dann aber kommen Stunden – und jeder hier vorn hat sie erlebt – wo die Hölle losgebrochen scheint. Dann schüttet der Brite unter großem Verschleiß an Munition einen dichten Hagel von Bomben, Granaten, von Maschinen- und Panzersprenggranaten über jeden Quadratmeter des Angriffsraumes. Folgt nach zwei, drei Stunden ratenden Feuers dann schlagartig der Angriff, so stehen die Kämpfer vom Panzergraben vor Catania, wenn sie das höllische Feuer verschont hat, wieder wie schon ein dutzendmal vorher an ihren Waffen.
An dieser Masse schwerer und schwerster Waffen, in die sich immer wieder auch die Breitseiten der schweren und leichten Kreuzer und der Zerstörer einschalten, haben wir nichts Gleiches dem Gegner entgegenzusetzen. Aber wenn der Brite unsere Stellungen haben will, so muß er sie sich mit seinen Infanteristen holen, und in diesen Augenblicken des Ansturms fand er bisher noch immer seinen Meister!
Im Nahkampf sind wir Meister
Fiebernde Nerven, erregt durch den starken Beschuß und etwas von der Unwiederbringlichkeit des Geschehens ahnend, lassen den sich anpirschenden Gegner auf nächste Entfernung herankommen, bevor Maschinengewehre, Gewehrgranaten und gut gezielte Karabinerschüsse ihm entgegenjagen. Diese Männer – es sind zumeist Soldaten, die schwerste Einsätze kennen, sind so hart, daß es ihnen auch nichts ausmacht, einmal den Gegner in den eigenen Stellungen zu bekämpfen. Dann sprechen Handgranaten und Nahkampfwaffen eine unerbittliche Sprache und reiben einen Angreifer auf, der glaubte, mit der Überfülle seines Materials allein den Verteidiger mürbe machen zu können.
Seit vier Tagen ohne Schlaf
Trotzdem greift der Engländer, der die Ebene von Catania und damit auch die Stadt, den Flugplatz und den Hafen haben will, Tag für Tag und Nacht für Nacht, jeweils nach gründlichster Feuervorbereitung, an. Jedesmal aber wird er abgewiesen. Major E., Abschnittskommandeur, zeigt mit einer stolzen Handbewegung auf seine Männer:
Seit vier Tagen sind sie. fast ohne Schlaf. Nur für wenige gibt es ein kurzes, dumpfes Hinübernicken während der Feuerpausen. Sie sind so müde, daß ihnen auch unter dem Trommelfeuer manchmal der Kopf im Schützenloch schlafend auf die Brust heruntersinkt. Aber wenn der Tommy kommt, schlagen sie zu. Es ist mir unbegreiflich, woher sie diese Kraft nehmen!
Vor- und Hintergelände des Panzergrabens ist übersät mit Sprengtrichtern. Jedes Fahrzeug, das sich auf der Anfahrtstraße sehen läßt, wird vom Engländer unter wütenden Beschuß genommen. Man muß die ruhigen Stunden des Tages und in der Nacht schon genau kennen, um einmal den Sprung mit dem Fahrzeug nach vorn an die Abwehrstellung machen zu können. Essenholer und Sanitätssoldaten stehen in einem ewigen Kampf mit dem feindlichen Artilleriebeschuß, den sie durchqueren müssen. Aber Wasser und Kaffee, Essen, Verbandzeug und Krankentragen müssen nach vorn zu den Kameraden.
So hält die Wacht am Panzergraben vor Catania. Sie hat sich festgekrallt in den Boden der sonst völlig offenen Pläne. Sie weiß, daß sie ganz auf sich selbst gestellt ist und auch ohne schwere und schwerste Waffen aushalten und den Feind aufhalten muß. Sie bietet täglichem Trommelfeuer immer wieder die Stirn und weist jeden Einbruchsversuch zurück, den der Tommy mit überlegenen Kräften immer, wieder versucht.
Sie weiß, daß hinter ihr neue Stellungen im Entstehen sind, aber sie schielt nicht bereits nach ihnen, weil sie nur den Willen kennt, sich hier zu behaupten. Diese Soldaten sind im vierten Kriegsjahr ohne billige Phrasen und ohne jeden falschen Optimismus. Sie vertrauen ihrer bewährten Kraft und ihrem soldatischen Können, und deswegen halten sie aus auch im fürchterlichen Wüten der Materialschlacht, die das Schicksal des Krieges einseitig über sie verhängt hat.