Völkischer Beobachter (July 14, 1943)
Auseinandersetzungen wegen Siziliens –
Zweite Front ja – zweite Front nein
Von unserer Stockholmer Schriftleitung

(Aufn.: Weltbild-Gliese)
dr. th. b. Stockholm, 13. Juli –
In Londoner militärischen Kreisen wird, schwedischen Meldungen zufolge, die Auffassung vertreten, daß sich die Operationen auf Sizilien jetzt ihrer „kritischen Phase“ näherten. Bei Beginn des Angriffs, so erklärte man, sei man sich nicht klar darüber gewesen, wo sich die strategischen Reserven des Gegners befänden. Nun aber müsse man damit rechnen, daß es bald zu schweren Zusammenstößen mit der Hauptmasse der deutschen und italienischen Truppen kommen werde.
Es liegt eine bisher nicht bestätigte englische Reuter-Meldung vor, wonach der General Eisenhower in Sizilien eingetroffen sei. Dies könnte darauf deuten, daß man auf englischer und amerikanischer Seite mit dem Ausbruch härtester Kämpfe rechnet. Unter Eisenhower ist die Leitung der Operationen folgenden britischen und amerikanischen Generalen und Admiralen anvertraut: den englischen Generalen Montgomery und Alexander, dem amerikanischen General Patton, den englischen Luftmarschallen Tedder, Cunningham und Lloyd, den amerikanischen Fliegergeneralen Spaatz und Doolittle, den englischen Admiralen Sir Andrew Cunningham und Ramsay und dem amerikanischen Vizeadmiral Hewitt. Der englische Admiral Sir Bertram Ramsay ist insofern ein Spezialist für „amphibische“ Operationen, als er den Rücktransport der britischen Truppen von Dünkirchen zu leiten hatte.
Keine Einigkeit besteht zwischen den Briten und Amerikanern darüber, ob die Landung auf Sizilien als die Errichtung der „zweiten Front“ anzusehen sei oder nicht. Während die amerikanische Presse erklärt, daß „die Schlacht um Europa begonnen hat und die zweite Front nicht mehr ein Traum, sondern eine Realität ist,“ schreibt der diplomatische Mitarbeiter Reuters:
Die Invasion auf Sizilien wird in London als ein Zeichen der Befreiung des Kontinents angesehen und nicht als eine zweite Front… Der Feldzug auf Sizilien, der länger und schwer sein kann, als man auf den ersten Anschein hin vermutete, bedeute keine direkte Erleichterung für die Sowjets in der Bedeutung und in dem Umfang, die die Sowjets meinten, als sie die zweite Front forderten.
Aus dieser Feststellung kann man wohl schließen, daß die Sowjets ihren britischen Bundesgenossen höchst energisch darauf aufmerksam gemacht haben, daß sie sich mit dem Sizilienunternehmen, das sie wahrscheinlich recht zweifelhaft beurteilen, nicht abspeisen lassen. Auf jeden Fall müssen zur Zeit recht lebhafte Auseinandersetzungen und Verhandlungen zwischen England, Amerika und den Sowjets im Gange sein.