Völkischer Beobachter (June 25, 1944)
Strategische Entscheidung im Pazifik –
Die Bedeutung der Seeschlacht bei Saipan
Tokio, 24. Juni –
Der Kampf um die Insel Saipan hat sich nach dem übereinstimmenden Urteil militärischer Kreise in Tokio zu der größten Seeschlacht des Ostasienkrieges entwickelt. Dies trifft zu für den beiderseitigen Aufmarsch an Flottenstreitkräften, wie auch für die Größe der amerikanischen strategischen Konzeption, welche die Entfernung von Pearl Harbour nach Tokio mit einem Schlag von der Marshall-Gruppe aus um ein Drittel des Weges verkleinert.
Wie Kapitän zur See Kuribara im Kaiserlichen Hauptquartier betont, würde ein starker Stützpunkt auf Saipan die feindlichen Großbomber zu einer dauernden Gefahr für Tokio wie für die Philippinen werden lassen. Daher war das japanische Oberkommando bereit, der feindlichen Absicht die Spitze zu bieten und setzte stärkste Land-, Luft- und Seestreitkräfte in diesen Gewässern ein. Die Zusammensetzung der feindlichen Flotte, welche seit dem 11. Juni in den Gewässern von Saipan operiert, wird angegeben mit 20 Flugzeugträgern, über 10 Schlachtschiffen und über 100 Transportern, von welchen aus am 16. Juni mehr als zwei Divisionen Truppen auf der Insel gelandet wurden. In Zusammenstößen mit der japanischen Luftwaffe und vor allem mit Einheiten der japanischen Hochseeflotte am 19. und 20. Juni erlitt der Feind, wie gemeldet, den Verlust von 28 beschädigten und versenkten Kriegsschiffen, weiterhin wurden über 400 feindliche Flugzeuge abgeschossen.
In Anbetracht der Größe der noch intakten feindlichen Schlachtflotte und der Hartnäckigkeit der weiteren Angriffe wird in Tokio jedoch wiederholt betont, daß die bisherigen Ergebnisse durchaus nicht entscheidend sind. Vielmehr verweist Kuribara darauf, daß nur ein Teil der Feindkräfte gestellt wurde und daß weitere heftige Kämpfe bevorstehen. Obwohl die Gefahr für Saipan nicht zu unterschätzen ist, wie Admiral Suetsugu, der frühere Oberkommandierende der japanischen Hochseeflotte, herausstellt, ist gleichfalls zu beachten, daß die Landung starker Kräfte auf der Insel nunmehr die feindliche Flotte in diesen Gewässern bindet. Trotz weiterer möglicher Ausfälle kann diese Schlachtflotte nicht nach Pearl Harbour zurückkehren und die gelandeten Truppen ihrem Schicksal überlassen. Daher müsse der Feind nach Suetsugus Ansicht auf eine Entscheidung drängen.
Anderseits verzeichnet die Presse auch ausländische Stimmen, welche hervorheben, daß Japan jetzt die Möglichkeit, den Feind zu vernichten, ausnutzen müsse. So wird die Meinung zitiert, daß die beiderseitigen Stärken an Schlachtschiffen ungefähr gleich seien, während der Feind trotz des Verlustes seines modernsten Flugzeugträgers Bunker Hill in dieser Waffe überlegen ist.
Dagegen besitzt Japan, wie die Meldungen feststellen, zahlreiche Landflugzeuge in diesen Gebieten. Weiterhin gleiche die ungünstige Verlängerung der amerikanischen Zufahrtstraße das Kräfteverhältnis weitgehend aus. Bei dieser kleinen Insel hat somit eine Schlacht begonnen, welche für den Ausgang des Ostasienkrieges eine wichtige Rolle zu spielen berufen scheint.