Völkischer Beobachter (June 12, 1944)
Fahrplan des Gegners in Unordnung –
Weiterer Aderlaß der Invasionsflotte
Verlegenes Verschweigen der schweren Verluste
vb. Berlin, 11. Juni –
Aus den verbissenen Bemühungen der englisch-amerikanischen Invasionstruppen an der Küste der Normandie ergibt sich immer wieder, daß es dem Feinde auf die Gewinnung des großen Hafens Cherbourg in erster Linie ankommt. Sein Besitz würde eine kürzere und leistungsfähigere Nachschubverbindung mit England bedeuten, aber dies ist dem Feinde durch den hartnäckigen deutschen Widerstand verwehrt geblieben. Daher muß der Nachschub der Invasoren weiterhin an die offene Küste des westlichen Teils des Departements Calvados und des südöstlichen Teils der Halbinsel Cotentin gelegt werden, wo es der Gegner bisher nicht fertigbringen konnte, wesentlich über den Feuerbereich der 38-Zentimeter- und 40,6-Zentimeter-Geschütze seiner Schlachtschiffe und Monitoren hinauszugelangen. Umso empfindlicher treffen den Feind die Verluste, die seine Nachschubtruppen auf See erleiden. Diese Verluste wachsen sich, wie der Wehrmachtbericht vom Sonntag zeigt, zu einem dauernden empfindlichen Aderlaß an der feindlichen Invasionsfront aus.
Konnte am Samstag außer den bedeutenden Erfolgen der deutschen Minensperren die Versenkung von 53.000 BRT an größeren feindlichen Schiffen sowie zahlreichen kleinen Landungsfahrzeugen durch Angriffe deutscher See- und Luftstreitkräfte sowie Küstenbatterien in den ersten vier Invasionstagen gemeldet werden, so sind innerhalb von 24 Stunden bereits weitere 33.000 BRT hinzugekommen. Dabei ist von den feindlichen Verlusten an Kriegsschiffen noch abgesehen. Aus den Gefechtsmeldungen ergibt sich, daß es sich bei den Versenkungen feindlicher Nachschubfahrzeuge nicht nur um besonders gebaute Landungsschiffe handelt, die unmittelbar am Strande mit Hilfe von Landeklappen entladen werden können, sondern auch um Transportdampfer aus der Handelsflotte. So befindet sich unter der Beute der deutschen Kampfflugzeuge ein Fahrgastschiff von 9.000 BRT und unter der Schnellbootsbeute ein Fährschiff von 5.000 BRT. Raumgehalt.
Offensichtlich ist der Feind dazu übergegangen, die größeren Transporte, für deren Einsatz der US-General Eisenhower schon die Entladekais der Häfen Cherbourg oder auch Le Havre zu besitzen hoffte, notgedrungen bereits jetzt zum Nachschub an die offene Küste zu benützen, wo sie nur durch die Zwischenschaltung kleinerer Landungsfahrzeuge entladen werden können. Der versenkte Fährdampfer war eines jener Schiffe des Kanaldienstes der Friedenszeit, die inzwischen zur Beförderung zahlreicher kleiner Landungsboote eingerichtet worden sind. Sein Untergang durch Torpedoschüsse deutscher Schnellboote ist deshalb eine besonders fühlbare Einbuße des Schiffsraumes, den der Feind für den ersten Abschnitt der Invasion bereitgestellt hat und Jessen Auffüllung aus dem Tonnagebestand für mögliche weitere Pläne es natürlich vermeiden möchte.
Es war angesichts dieser Sachlage zu erwarten, daß die Kämpfe auf See vor der Invasionsküste an Härte außerordentlich zunehmen würden, wie es jetzt im Wehrmachtbericht hervorgehoben worden ist. Am ersten Tage schrieb die Londoner Presse selbstgefällig, daß der Einsatz feindlicher schwerer Seestreitkräfte, die in den verhältnismäßig flachen Kanalgewässern vor der U-Boot-Gefahr geschützt und außerdem durch einen starken Luftschirm gesichert seien, die deutschen leichten Seestreitkräfte „einfach beiseite fegen“ müßten. Auch in diesem Teil ist der Invasionsfahrplan der Engländer und Amerikaner in Unordnung geraten. Denn die im Feuer jahrelanger Kanalgefechte gehärteten deutschen Seeleute haben sich auch durch das Massenaufgebot großer feindlicher Kriegsschiffe nicht erschüttern lassen. Schon in der ersten Nacht standen deutsche Torpedoboote und Vorpostenboote furchtlos im Feuer schwerster Schiffsgeschütze und führten die ihnen gestellten Aufgaben durch. Seitdem sind deutsche Zerstörer, Torpedoboote, Schnellboote, Räumboote, Vorpostenboote usw. Nacht für Nacht im Kanal am Feind gewesen, der für seine Transporte möglichst den Schutz der Dunkelheit und noch dazu des künstlichen Nebels benutzt. Sie haben ihm in erbitterten Kämpfen schwere Schäden zugefügt.
Wie empfindlich der englische Seebefehlshaber an der Invasionsfront, Admiral Ramsay, auf diese Angriffserfolge deutscher leichter Seestreitkräfte reagiert hat, beweist die erkennbare Verstärkung der feindlichen Nachschubsicherung, besonders durch Zerstörer, Fregatten und Korvetten. Es sind die gleichen schnellen Geleitfahrzeuge, die der Feind auch bei dem Schutz seiner Geleitzüge auf dem Atlantik für Nachschub aus Amerika nicht entbehren kann, übrigens hat, wie der Wehrmachtbericht vom Sonntag meldete, ein deutsches Unterseeboot vor der Westküste der Bretagne, also am Westausgang des Kanals, aus einem feindlichen Sicherungsverband einen Zerstörer herausgeschossen. Zur gleichen Zeit ist die englisch-amerikanische Flotte bestrebt, auch weit links und rechts von der jetzigen Invasionsküste die deutschen leichten Seestreitkräfte in anderen Seegebieten zu fesseln.
Dies erwiesen die See- und Luftgefechte im Norden der Biskaya ebenso wie die Vorstöße feindlicher Schnellboote im Raum vor der belgisch-holländischen Küste, wo bei Ymuiden deutsche Schnellboote angegriffen wurden, und neuerdings auch in der äußeren Deutschen Bucht, wo ein feindliches Schnellboot den Untergang im deutschen Feuer fand.
Mit welcher Erbitterung die Seekämpfe im Kanal geführt werden, geht daraus hervor, daß die deutschen leichten Seestreitkräfte bei ihrer Bekämpfung des feindlichen Nachschubs mitunter bis fast auf Steinwurfweite in Gefechtsberührung mit dem Feinde kommen. Dieser unerhörte Angriffsschneid gegen einen materiell weit überlegenen Feind bleibt, wie der am Samstagabend vom Oberkommando der Wehrmacht mitgeteilte Untergang von einem Zerstörer und drei Vorpostenbooten verdeutlicht, nicht ohne Verluste auf unserer Seite. Aber er verbürgt auch die bedeutenden Versenkungserfolge gegen die Invasionsflotte und ihren Nachschub. Während jedoch die deutsche Kriegsmarine ihre Verluste in den Kanalkämpfen in aller Offenheit behandelt, schweigt die englische Admiralität bezeichnenderweise weiterhin völlig über die immer zahlreicher werdenden Schiffsverluste der Invasionsflotte, die durch deutsche Torpedos, Granaten, Minen und Bomben mit vielen Tausenden von Soldaten und Hunderten von Panzern und anderen schweren Waffen auf den Meeresgrund versenkt worden sind. Diese feindlichen Schiffsverluste, die das Invasionsprogramm sichtlich behindern, werden sich auf die Dauer nicht verheimlichen lassen. Beispielsweise ist bereits in Stockholm aus Kreisen norwegischer Emigranten bekannt geworden, daß in der Nacht der ersten Landung unter anderen ein mit norwegischen Marinesöldnern Englands bemannter Zerstörer untergegangen ist. Er wurde, wie es heißt, von einem Torpedo oder einer Mine mittschiffs getroffen und explodierte sofort.
Die Schiffsverluste der Invasoren durch deutsche Minensperren sind ein Kapitel, das der Feind, weil sie sich natürlich meist außer Sicht deutscher Streitkräfte vollziehen, besonders in Dunkel zu hüllen versucht. Aber in den ersten feindlichen Augenzeugenberichten wurde fast regelmäßig davon erzählt, daß Schiffe der Invasionsflotte durch deutsche Minen in die Luft flogen. Inzwischen hat Eisenhower solche Berichte vollständig verboten. Die Zusammenfassung des deutschen Wehrmachtberichts vom Samstag, wonach mindestens 20 größere und mittlere Einheiten des Feindes und zahlreiche kleine Landungsboote durch deutsche Minensperren gesunken sind, bleibt daher sicherlich hinter der wirklichen Höhe der feindlichen Minenverluste noch erheblich zurück. Der Minenkrieg hatte in den letzten Wochen vor der Invasion im Kanal bereits ein besonderes Ausmaß erreicht. Der Feind mußte nach eigenem Geständnis eine Anzahl von Minensuchfahrzeugen vor der schmalen Invasionsküste einsetzen und, wie das vom Oberkommando der Wehrmacht gemeldete Gefecht schwerer Küstenbatterien mit feindlichen Minensuchverbänden vor der Halbinsel Cherbourg zeigt, ist auch dieses Kapitel des Seekrieges vor der Invasionsküste keineswegs abgeschlossen.
Als erste Kämpfer auf See an der Invasionsfront haben, wie berichtet, Korvettenkapitän Hoffmann, Chef einer Torpedobootflottille, als erprobter Führer bei Torpedoangriffen und Minenunternehmungen gegen den Feind, sowie der Korvettenkapitän der Reserve Rail, Chef einer der zähesten unserer Vorpostenflottillen, vom Führer das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes erhalten. In diesen Flottenchefs sind alle die unbekannten Seekrieger der Kanalfront ausgezeichnet worden, die sich seit 1940 in dauernden Kämpfen mit feindlichen See- und Luftstreitkräften bewährt haben und nun aus den leichten Seestreitkräften vor der Invasionsküste noch größere Leistungen herausholen, um das bitter ernste Ringen der Kameraden an Land gegen die englisch-amerikanische Aggressionsarmee mit allen Kräften zu unterstützen.
ERICH GLODSCHEY