The Nuremberg Trial

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Day 199

Wiener Kurier (August 9, 1946)

Morde sollten Schädelsammlung bereichern

Nürnberger Prozeß enthüllt ‚Methoden‘ der Naziwissenschaft

Nürnberg (AND.) - Ein furchtbares Bild von der SS-Organisation „Das Ahnenerbe“ und der von ihr betriebenen Wissenschaft zeigt die Geschichte der Straßburger Skelettsammlung, die „anthropologischer Forschung“ dienen sollte und um derentwillen Hunderte unschuldiger Menschen kaltblütig ermordet wurden.

Dies wurde enthüllt, als der britische Ankläger in Nürnberg, Elwyn Jones, in der gestrigen Sitzung im Rahmen der Verhandlung gegen die SS, den SS-Standartenführer und ehemaligen Reichsgeschäftsführer des „Ahnenerbes“, Wolfgang Siewers, ins Kreuzverhör nahm.

Siewers versuchte zunächst jegliche Mitwisserschaft an den Verbrechen abzuleugnen. Hierauf legte ihm Elwyn Jones seine eigene Korrespondenz mit dem Amt Himmlers und Tagebucheintragungen vor, die eindeutig die Schuld von „SS-Wissenschaftlern“ beweisen.

Zu wenig ‚Judenschädel‘

Aus den Dokumenten ging hervor, daß Himmler angeordnet hatte, dem Direktor des Anatomischen Museums der Universität Straßburg, SS-Hauptsturmführer Professor Dr. Hirt, der zugleich auch Leiter der Abteilung des Institutes für wehrwissenschaftliche Zweckforschung im Amt „Ahnenerbe“ war, Schädel zur Verfügung zu stellen, die durch Massenmorde an unschuldigen Opfern beschafft werden sollten.

In einem der Dokumente heißt es, daß die Schädelsammlung der Reichsuniversität Straßburg über Schädel von nahezu allen Rassen und Völkern verfüge. Nur von den Juden stunden der Wissenschaft zu wenig Schädel zur Verfügung. Der Krieg im Osten biete Gelegenheit, diesem Mangel abzuhelfen. In den „jüdisch-bolschewistischen Kommissaren“, durch die ein „widerliches, aber charakteristisches Untermenschentum“ verkörpert werde, habe man die Möglichkeit, ein greifbares wissenschaftliches Dokument zu erwerben. Sämtliche „jüdisch-bolschewistischen Kommissare“ seien in Zukunft lebend sofort der Feldpolizei zu übergeben, die sie bis zum Eintreffen eines Sonderbeauftragten wohl zu behüten habe.

Dieser Sonderbeauftragte hatte die Aufgabe, nach der Tötung der Opfer die Köpfe, die dabei nicht verletzt werden durften, vom Rumpf zu trennen und sie, in eine Konservierungsflüssigkeit eingebettet, in eigens zu diesem Zwecke geschaffenen und gut verschließbaren Blechbehältern zum Bestimmungsort zu senden. Dort wurden an Hand der Schädel vergleichende anatomische Forschungen ausgeführt.

Gestern wurde auch die Vernehmung des letzten Zeugen für die SS, Dr. Georg Konrad Morgen, der am Mittwoch mit seinen Aussagen begann, beendet. Der Zeuge mußte zugeben, daß eine Entlassung aus dem KZ praktisch unmöglich war, da nach einer Verfügung des SS-Obergruppenführers Oswald Pohl ein Häftling nicht entlassen werden konnte, auch wenn alle anderen Voraussetzungen gegeben waren, falls er zur Arbeit im Lager gebraucht würde.

Lagerkommandanten fällten Todesurteile

Der Zeuge gab zu, daß ihm zahlreiche Fälle bekannt gewesen seien, in denen Lagerführer, die sich auf ihre „zuverlässigen“ Untergebenen stützen konnten, eigenmächtig Todesurteile fällten, die dann heimlich durch als Impfung getarnte Phenoleinspritzungen durchgeführt wurden.

Morgen erzählte dann von Gaskammern und Krematorien, in denen Häftlinge unter Bewachung lettischer oder ukrainischer SS-Männer die „Arbeit“ ausführen mußten. Diese Häftlinge seien in gewissen Zeitabstanden abgelöst und dann ebenfalls ermordet worden.

Jüdische Häftlinge „mit Auslandsbeziehungen“ seien gesondert untergebracht worden. Sie mußten an ihre Verwandten im Ausland schreiben, daß es ihnen gut gehe, um den im Ausland bestehenden Verdacht über die Massentötungen zu zerstreuen.

Privatsekretärin Schirachs verhaftet

Ehemalige Regierungsinspektorin tarnt sich als Kellnerin

Innsbruck (FND.) - Die österreichische Gendarmerie hat soeben die Privatsekretärin Baldur von Schirachs in Kematen bei Innsbruck verhaftet, wo sie in einem Gasthof als Kellnerin arbeitete.

Es handelt sich um Hilde Maria Heinzel geboren 1903 in Wien, illegales Mitglied der Nazipartei seit 1934 und ehemalige Sekretärin des berüchtigten ersten illegalen Gauleiters von Wien, Dr. Wächter. Sie wurde 1938 zur Regierungsinspektorin ernannt und nahm hierauf die Stelle einer Privatsekretärin Baldur von Schirachs an.

Seit Ende des Krieges arbeitete sie als Kellnerin zur vollen Zufriedenheit des Wirtes und seiner ländlichen Gäste in einer Gastwirtschaft in Kematen. Von der Wiener Polizei gesucht, wurde sie von der österreichischen Gendarmerie entlarvt.

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Day 200

Wiener Kurier (August 10, 1946)

‚Ich keime das wahre Gesicht der SS!‘

Der Nürnberger Prozeß weckt Erinnerungen
Von Hubert Serwe

Nürnberg (DANA.) - Seit einigen Tagen bemühen sich höchste Offiziere, dem Nürnberger Gericht zu beweisen, daß die nazistischen Schutzstaffeln, SS genannt, in ihrem Verhalten mit dem eines Jünglingsvereins identisch waren. Vier Jahre war ich in „Behandlung“ der SS in dem KZ Esterwegen und KZ Sachsenhausen und habe nun Gelegenheit, die Schilderungen dieser Zeiten zu hören.

Von Eber stein kann nicht begreifen, wie solche Verbrechen angeordnet werden konnten. Dieser SS-Führer weiß ebensogut wie die KZ-Häftlinge selbst, daß bereits im Jahre 1933 mit den Morden begonnen wurde. Bergmann hieß das erste Opfer, das die SS im KZ Esterwegen erschlug. Das Blut von sechs weiteren unschuldigen Menschen tränkte in den Sommermonaten 1933 die Erde des schweigsamen Emslandes.

Unter einem Dutzend anderen wurden im Jahre 1934 der Bergarbeiterführer Husemann und der ehemalige Polizeipräsident von Altona deshalb erschossen, weil sie der SS als Vertreter der sozialistischen Arbeiterschaft bekannt waren. Von dieser SS aber sagte in einer Sitzung des Nürnberger Gerichtshofes der Zeuge Paul Hauser, seines Zeichens SS-General, daß die SS-Verfügungstruppe, die Konzentrationslager bewachte, der sozialistischen Zeit angepaßt war.

Es ist ein Rätsel für die SS…

Derselbe Hauser wollte das Gericht glauben machen, daß diese Verfügungstruppe der SS die Konzentrationslager zwar bewacht habe, aber nicht das Recht hatte, die Lager zu betreten und infolgedessen auch nicht für Verbrechen, die in den Lagern begangen wurden, verantwortlich gemacht werden könnte. Hätte der Zeuge die Wahrheit gesagt, dann müßte angenommen werden, daß sich die bedauernswerten Opfer in diesen Lagern gegenseitig selbst umgebracht, und selbst gequält haben. Es war zum Beispiel der Kommandant des Konzentrationslagers Esterwegen, Standartenführer Loritz, der im Sommer 1935 das Aufhängen der Gefangenen an einem Holzpfahl einführte. Mit zusammengebundenen Händen frei in der Luft hängend, mußten diese Menschen stundenlang in ihrer Pein verharren. Oder haben sich die Gefangenen des KZ Esterwegen, die nächtelang an Händen und Füßen gefesselt, krummgeschlossen in den Bunkerzellen lagen, diese Fesseln selbst angelegt? Der SS-Führer Robert Brill sprach von einem großen Rätsel, das durch die Aufdeckung millionenfacher Morde den SS-Leuten aufgegeben-worden sei. Die Lösung dieses Rätsels liegt in der einfachen Tatsache, daß die von der SS in den ersten Jahren des Nazismus handwerklich betriebenen Morde später maschinell ausgeführt wurden.

Gebet unter Hohngelächter

„Getragen von reinem Idealismus“, so höre ich den General der Waffen-SS und Münchener Polizeipräsidenten Freiherrn Friedrich Karl von Eberstein unter Eid aussagen, „hat die SS bis zuletzt die Treue gehalten.“ Diesen „reinen Idealismus“ der SS habe ich in mehr als tausend Tagen und Nächten studieren können. Hier ein Beispiel von Hunderten: Sommer 1935, Abendappell im KZ Esterwegen. Die SS-Leute wollen wieder einmal „Zerstreuung“. Die Bibelforscher des Lagers müssen in einem Kreis zusammentreten, der älteste von ihnen wird in die Mitte des Kreises gestoßen, und nun sollen sie beten. Nicht aus Feigheit, sondern deshalb, weil diese tapferen Menschen jede Gelegenheit zur Ausübung ihres religiösen Bekenntnisses benützen, kamen die Bibelforscher dieser Aufforderung nach. Die inbrünstigen Gebete der Bibelforscher vermischten sich mit dem Hohngelächter der SS. Wir aber, die wir zuhören und Zusehen mußten, empfanden diese Szene als eine der beschämendsten, die ein Mensch erleben kann.

Brauchitsch in Nürnberg:
Deutscher Generalstab sah Weltbrand voraus, aber gehorchte

Nürnberg (AND.) - Zu Beginn der Verhandlung gegen das OKW und den Generalstab berichtete gestern der ehemalige Generalfeldmarschall Walter von Brauchitsch dem Nürnberger Gerichtshof über die „Warnung“, die Hitler vor dem Überfall auf die Tschechoslowakei von den Generalen erhalten habe. Ende 1938 sei, wie Brauchitsch ausführte, von dem damaligen Chef des Stabes im OKH, Generaloberst von Beck, eine Denkschrift verfaßt worden, in der er vor einem Weltbrand im Falle einer deutschen Aggression gegen die Tschechoslowakei warnte. Nachdem alle hohen Generalstabsoffiziere dieser Denkschrift zugestimmt hatten, sei er, Brauchitsch, zu Hitler gegangen, um ihn von der Richtigkeit der in der Denkschrift enthaltenen Ausführungen zu überzeugen. Hitler habe ihm in einer erregten Auseinandersetzung erklärt, daß er selbst wisse, was er zu tun habe.

Hitlers einziger Gedanke – Eroberung

Brauchitsch will später Hitler auch dringend vor einer Offensive im Westen gewarnt haben. „Mir waren“, rief Brauchitsch dem Gericht zu, „die Neutralitätsverletzungen von 1914 noch lebhaft in Erinnerung. Ich hielt es für Wahnsinn, daß Europa sich noch einmal zerfleischen sollte. Aber Hitler hörte nicht auf meine Einwände, er dachte mir an die Herrschaft Deutschlands über andere Völker.“ Hitler sei, so sagte Brauchitsch weiter, über seine Vorschläge in Wut geraten, was ihn veranlaßt habe, seinen Rücktritt anzubieten. Hitler habe dies jedoch abgelehnt und ihm erklärt, daß er als Oberbefehlshaber des Heeres genau so wie jeder Soldat seine Pflicht zu erfüllen habe.

Als die Rede auf den Befehl Hitlers zur Erschießung der Kommissare kam, erklärte Brauchitsch, daß er zwar den Befehl Hitlers nicht aufheben konnte, aber „unmißverständliche Gegenanweisungen“ gegeben habe, in denen er eine „korrekte Haltung“ der deutschen Truppen befahl.

Die ‚ahnungslosen‘ Heerführer

Als zweiter Zeuge wurde Generalfeldmarschall Erich von Manstein, der im Jahre 1935 den Operationsplan für die Besetzung des Rheinlandes und im Jahre 1938 die Einmarschvorbereitungen gegen Österreich ausarbeitete, aufgerufen. Der Zeuge wies wiederholt auf die Unterschiede hin, die zwischen „dem kaiserlichen Heer“ und der „Wehrmacht des Dritten Reiches“ bestanden. Unter Hitler sei der Generalstab zu einem taktischen Stab herabgesunken und die Stabsoffiziere hätten nicht mehr das Recht gehabt, etwa „abweichende Ansichten“ über einen Befehl in ihrer Notiz festzuhalten.

Im übrigen wiederholt Manstein im wesentlichen die schon von Keitel und Jodl gemachten Ausführungen über die angebliche Unmündigkeit der Heerführer gegenüber Hitler und über ihre „Ahnungslosigkeit“ bei den Vorbereitungen der Angriffe auf Österreich, die Tschechoslowakei und Polen.

Grausame Experimente mit Menschen

Bei der Fortsetzung des gestern begonnenen Verhörs des ehemaligen Reichsgeschäftsführers der SS-Organisation „Ahnenerbe“, Wolfgang Siewers, gab der Zeuge zu, von den Experimenten, die im Konzentrationslager Dachau an lebenden Menschen durchgeführt wurden, gewußt und einige dieser Experimente sogar mitangesehen zu haben.

Der britische Ankläger Elwyn Jones legte hierauf eine Reihe von Dokumenten vor, die Beschreibungen von diesen Experimenten enthalten. So wurden Versuche in Druckkammern durchgeführt, bei denen die Menschen dazu gebracht wurden, sich die Haare auszureißen, mit dem Kopf an die Wand zu rennen und durch Zuhalten der Ohren zu versuchen, sich vor Zerreißen des Trommelfells zu schützen. Im Konzentrationslager Sachsenhausen wurden Experimente mit Blutgerinnung durchgeführt. Ein anderes Experiment befaßte sich mit der Bekämpfung der ansteckenden Gelbsucht In einem damit in Zusammenhang stehenden Schreiben heißt es, daß bei diesen Experimenten auch mit Todesfällen gerechnet werden müsse. Siewers mußte weiter Fleckfieber-Experimente in dem Konzentrationslager Maxweiler zugeben.

Drei Millionen Russen sollten sterilisiert werden

Die Absicht der Nazi, Millionen russischer Kriegsgefangener durch ein geheimes Medikament „unbemerkt zu sterilisieren“, so daß sie „als Arbeiter zur Verfügung stünden, aber von- der Fortpflanzung ausgeschlossen wären“, wurde durch ein weiteres Dokument, welches der britische Ankläger vorlegte, enthüllt. Siewers mußte zugeben, daß dieser Plan bestand, allerdings wegen „technischer Schwierigkeiten“ nicht zur Durchführung gelangte.

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Day 201

Wiener Kurier (August 12, 1946)

Feldmarschall v. Manstein gibt zu:
‚Wir schickten Millionen junger Männer in den Tod‘

Nürnberg (WK.) - Feldmarschall Erich von Manstein, der vor dem Nürnberger Gerichtshof für das OKW und den Generalstab als Zeuge aufgerufen ist, erklärte am Freitag: „Hitler ist schuld, daß Millionen junger Männer unter unserem Befehl in den Tod geschickt wurden.“ Damit versuchte er die militärischen Führer zu entlasten, die als „alte Soldaten“ vom rein menschlichen Standpunkt aus nicht imstande gewesen wären, über die Grenzen des menschlichen Gesetzes hinauszugehen, wie dies ein „unverheirateter Mann ohne Familie und ohne Traditionen“ tun konnte.

Generale wollten nur mit Landwirtschaft zu tun gehabt haben

„Hitler wußte sehr gut“, sagte Manstein, „daß wir mit unserer ritterlichen Auffassung von Kriegführung niemals schlechte Dinge tun würden. So nahm man uns nicht nur allen Einfluß darauf, sondern enthielt uns auch das Wissen darum vor. Alles, was uns blieb, war die Führung des tatsächlichen Kampfes an der Front und die Schaffung einer lokalen Verwaltung und Ingangsetzung der Landwirtschaft.“

Das große Generalssterben

Es habe ständig Zusammenstöße zwischen Hitler und der Generalität gegeben, erklärte Manstein weiter und das Ergebnis sei gewesen, daß von 17 Feldmarschällen während des Krieges 10 abgesetzt und 3 erschossen wurden, weil sie an der Verschwörung gegen Hitler vom 20. Juli 1944 beteiligt waren. Von 36 Generalobersten wurden 18 entlassen und 5 nach dem Bombenattentat hingerichtet oder aus der Wehrmacht ausgestoßen.

„Ich bin der Meinung“ fügte Manstein hinzu, „daß es keinen Beruf gibt der so viele Opfer zu beklagen hatte, denn alle diese führenden Militärs waren hochqualifizierte Offiziere, die nicht deshalb entlassen wurden, weil sie unfähig waren. Sie wurden ihrer Stellungen enthoben, weil Hitler ihnen mißtraute und er sie im Kampfe nicht hart genug fand.“

Über die Verschwörung vom 20. Juli sagte Manstein: „Es wurden mehrere Versuche gemacht; meine Einstellung zu sondieren. Ich vertrat aber stets den Standpunkt, daß eine Beseitigung Hitlers im Kriege zum Chaos führen würde. Die Verschwörer gaben daher ihre Fühlungsversuche wieder auf.“

Manstein selbst wurde im März 1944 nach fast dreijährigem Dienst in Rußland abgesetzt.

Befehl zur Schreckensherrschaft der Besatzungstruppen

Der amerikanische Ankläger, General Telford Taylor, legte anschließend ein Dokument vor, das „geheime“ Anordnungen des deutschen Oberkommandos, in den östlichen Gebieten Einschüchterungsmaßnahmen zu ergreifen und den Widerstand des Volkes zu brechen, enthält, und von einem der 21 Hauptangeklagten, dem ehemaligen Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel, unterzeichnet ist.

„Die Besatzungstruppen sollen in solcher Weise Schrecken verbreiten, daß dadurch allein jeder Widerstandswille der Bevölkerung im Keim erstickt wird“, heißt es in dem Dokument, in dem weiters die Gebietskommandanten dafür verantwortlich gemacht werden, daß die „Aufrechterhaltung der Ordnung“ gewährleistet wird, nötigenfalls unter Anwendung „passender drastischer Maßnahmen“.

The Pittsburgh Press (August 12, 1946)

Nazi ‘germ war’ scheme charged

NUERNBERG (UP) – Soviet prosecutor Ivan Alexandrov charged today the German High Command had prepared to launch a terrific “germ war” against the Allies.

He supported his accusation with a sworn affidavit from Maj. Gen. Walter Schreiber, former German Army Medical Corps specialist and professor of hygienic bacteriology at Berlin University. Schreiber is a Red Army prisoner.

Alexandrov’s accusation was withdrawn after a plea from the High Command defense counsel. The court ordered the withdrawal until Schreiber could be brought before the court to testify.

Later, tired-looking Field Marshal Gerd von Rundstedt testified that he had tried to persuade Adolf Hitler not to start the war, and then to end it.

He said he had opposed the Ardennes offensive “as doomed from the beginning” although it was a “stroke of genius from an operational idea.”

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Day 202

Wiener Kurier (August 13, 1946)

Feldmarschall v. Rundstedt sagt aus:
‚Ich wußte schon 1944, daß Krieg verloren war‘

Nürnberg (AND.) - Ein wahres Sinnbild jenes preußischen Militarismus, der Hitler in den Sattel half und seine Pläne ausführte, Feldmarschall Gerd von Rundstedt, sagte gestern vor dem internationalen Militärtribunal aus, daß er bereits im Frühjahr 1943 (nach Stalingrad) überzeugt war, der Krieg könne von Deutschland nicht mehr gewonnen werden, und bereits im Sommer 1944 (nach der alliierten Landung in Frankreich) wußte, daß der Krieg verloren war. Dennoch führte er bewußt noch zehntausende Deutsche in den Tod, obwohl er zugeben mußte, daß es auch für einen General möglich war, zurückzutreten, wenn er mit Hitlers Methoden und „Intuition“ nicht einverstanden war. Ein „Vertreter uralter preußischer Tradition“, ein „unpolitischer Soldat“, behauptete, seit über 54 Jahren „loyal seinem Volk gedient zu haben“.

‚Todesurteile im Dienste abgelehnter Ideen‘

„Die totalitäre Ideenwelt“ des Nationalsozialismus will Rundstedt abgelehnt haben, soweit sie nicht „altes preußisches Gedankengut“ umfaßte, worunter er „Sozialfürsorge wie unter Bismarck“ und den Gemeinplatz „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ versteht. Seine „unpolitische Haltung“ hinderte ihn jedoch nicht daran, über die Offiziere, die am 20. Juli 1944 beteiligt waren, zu Gericht zu sitzen und die Todesurteile gegen seine Kameraden zu unterzeichnen.

Im November 1942 trat Rundstedt von seinem Posten als Oberbefehlshaber der Armeegruppe Süd zurück, weil er „fühlte, daß er nicht mehr des Führers volles Vertrauen besäße“. Ein Vierteljahr später ließ er sich jedoch gern zurückrufen und machte später, obwohl er nach Stalingrad wußte, daß der Krieg nicht gewonnen werden könne, keinen Versuch, um seine Entlassung zu bitten.

Eichenlaub für zehntausende Tote

Im Dezember 1944, ein halbes Jahr nachdem es ihm, wie er selber sagt, klargeworden war, daß der Krieg verloren sei, leitete Rundstedt die nach ihm benannte, mißlungene Offensive in den Ardennen, die Zehntausenden jungen Menschen den Tod, ihm aber das Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern brachte.

Immer wieder versucht Rundstedt die Verantwortung von der Generalität abzuwälzen, indem er erklärt: „Wir haben nur unsere Pflicht getan. Hitler war von Hindenburg berufen und in dessen Testament zum Staatsoberhaupt bestimmt. Wir hatten ihm die Treue geschworen und mußten ihm folgen.“ Einmal hätte der „treue“ Rundstedt sich jedoch fast verraten, als er, über den Kommandobefehl befragt, antwortete: „Natürlich hätte inan sagen können: ‚Das mache ich nicht‘ und wäre dann davongejagt worden. Das habe ich aber nicht getan.“

Die ‚geistigen Waffen‘ der SA

„Die Mittel unseres Kampfes waren geistige Waffen, die SA entwickelte sich aus Turn- und Sportabteilungen“, behauptete der ehemalige SA-Obergruppenführer und Führer der SA-Gruppe Oberrhein, Franz Bock, der gestern als erster Zeuge für die als verbrecherische Organisation angeklagte SA seine Aussagen machte.

Der britische Anklagevertreter Major John H. Barrington, der den Zeugen ins Kreuzverhör nahm, fragte, ob die SA nicht den anderen Deutschen gegenüber besonderen Vorrechten genossen habe. Bock verneinte zunächst, gab jedoch nach längeren Ausflüchten zu, daß der SA-Mann im Rahmen des Staatsdienstes besondere Vorrechte hatte.

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Day 203

Wiener Kurier (August 14, 1946)

Zweiter Nürnberger Prozeß wird vorbereitet

Deutsche Industrielle und Bankiers angeklagt

Nürnberg (UP.-AND.) - Ein gemeinsamer Plan der Alliierten zur Abhaltung eines zweiten Nürnberger Gerichtsverfahrens wurde soeben fertiggestellt. Das Nürnberger Gericht wird sich in diesem zweiten Prozeß mit den Kriegsverbrechen der deutschen Hochfinanz zu befassen haben. Nach fünfzehnmonatiger Untersuchung und Aufklärung der einzelnen Fälle wurde die Anklage gegen fast 80 international bekannte deutsche Großkapitalisten, Industrielle, Wissenschaftler und Bankiers ausgearbeitet. Das Vermögen dieser Angeklagten beläuft sich auf insgesamt 100 Millionen Pfund Sterling.

Porsche und Messerschmidt unter Anklage

Der erste Prozeß dieser Art wird gleich nach Beendigung des Verfahrens gegen die Hauptkriegsverbrecher beginnen. Unter den Angeklagten wird sich ein Direktor der Krupp-Werke und einer von den IG Farben befinden. Ebenso wird sich im Verlaufe dieses Prozesses Kurt Daluege wegen Verschickung slawischer Zwangsarbeiter zu verantworten haben. In einem späteren Prozeß wird der Bruder Görings, Herbert Göring, der Flugzeugkonstrukteur Willy Messerschmidt und der Autokonstrukteur Porsche vor Gericht stehen. Wann über Stinnes und Krupp verhandelt wird, ist noch nicht festgesetzt.

50 Ermordete zählten gar nicht

Die Zahl von nur 50 Ermordeten in den Märztagen 1933 in Berlin beweise, wie gestern der ehemalige Kommandant des Konzentrationslagers Oranienburg, Max Schaefer, behauptete, daß die nationalsozialistische Revolution eine unblutige gewesen sei. Der „latente Bürgerkriegszustand“, der bei der Machtübernahme 1933 bestanden hätte, habe es jedoch notwendig gemacht, durch die SA-Personen der politischen Oppositionsgruppen in Haft zu nehmen. Allerdings sei es im allgemeinen unrichtig, daß die SA von friedlichen Bürgern Eigentum erpreßt habe. Wo es dennoch geschehen sei, habe es sich um Mißbrauch der Uniform gehandelt. Die Zahl von 40.000 Inhaftierten, die bereits im Jahre 1933 in 40 Lagern untergebracht worden wären, sei, so erklärte Schaefer, unwahrscheinlich.

Nach den Strafgefangenenlagern im Emsgebiet befragt, antwortete Schaefer, daß es der Wunsch Görings gewesen sei, KZ-Häftlinge an der Emslandkultivierung teilhaben zu lassen.

SA sollte durch ihr ‚Beispiel‘ erziehen

Der britische Anklagevertreter, Major John Barrington, nahm hierauf den Zeugen ins Kreuzverhör und fragte ihn, ob das KZ Oranienburg nicht schon im Jahre 1933 einen Schrecken für das deutsche Volk bedeutete. Schaefer bestritt dies und erklärte, daß es ihm immer schon ein inneres Bedürfnis gewesen sei, die KZ-Lager anständig und menschlich zu führen. Er fügte hinzu, daß er im Jahre 1933 von einem Häftling einen Brief erhalten habe, in dem dieser erklärte: „Die Tage in Oranienburg werden stets zu den schönsten Erinnerungen meines Lebens gehören.“

Der Zeuge behauptete weiter, daß in Oranienburg keinerlei Ausschreitungen vorgefallen seien und erklärte, daß im allgemeinen die KZ-Häftlinge durch das persönliche Beispiel der SA-Wachen und nicht aber etwa durch Mißhandlungen erzogen worden wären.

Tötung von Menschen zu Ausstellungszwecken

Washington (INS.) - Der Leiter der Sonderuntersuchungskommission des Kriegsministeriums der Vereinigten Staaten. Dr. Andrew C. Ivy, teilte anläßlich einer Pressekonferenz mit, daß die Kommission die durch Presse und Rundfunk bekanntgewordenen Verbrechen der Massentötung durch die einstigen nazistischen Machthaber Deutschlands auf wissenschaftlicher Basis untersucht habe. Sämtliche im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß bekanntgewordenen Grausamkeiten wurden durch diese Kommission auf ihre wissenschaftliche Haltbarkeit überprüft und bestätigt gefunden.

Als schrecklichste Untat bezeichnete Professor Ivy das in verschiedenen Konzentrationslagern geübte Verbrechen, lebenden Menschen die Haut vom Leibe abzuziehen und sie anschließend zu töten, um ihre Skelette zu Ausstellungszwecken zu verwenden.

Die Kommission hat dem Alliierten Gerichtshof in Nürnberg zahlreiche wissenschaftlich ausgearbeitete Gutachten übermittelt, auf Grund deren die Anklagevertretungen und Richter den für diese Grausamkeiten verantwortlichen 21 Hauptkriegsverbrechern die Stichhaltigkeit der gegen sie erhobenen Beschuldigungen nachweisen konnten.

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Day 204

Neues Österreich (August 15, 1946)

Auch die SA verübte Massenmorde

10.000 Tote auf Scheiterhaufen verbrannt

Nürnberg, 14. August - Der britische Anklagevertreter Sir David Maxwell Fyfe nahm heute vor dem Internationalen Gerichtshof in Nürnberg den früheren Stabschef der SA, Max Jüttner, über die Ermordung von ungefähr 10.000 Juden des Ghettos in Wilna durch SA im Herbst 1941 ins Kreuzverhör.

Dem Zeugen, der die SA-Führerschaft als eine „anständige und saubere Gruppe“ bezeichnete, wurde die Aussage eines Juden aus Wilna namens Gol vorgelegt, der der Arbeitsgruppe angehörte, die im Jahre 1943 unter deutscher Aufsicht die Massengräber öffnen und die Leichen verbrennen mußte. Unter den exhumierten Leichen von Juden, polnischen Priestern und sowjetischen Kriegsgefangenen fand Gol auch seinen eigenen Bruder. Die Exhumierung und die Vorbereitung der Verbrennung sei von SS- und SA-Männern überwacht worden. Ein SA-Sturmführer habe das Feuer angefacht. Die SA-Männer schlugen und stießen die jüdischen Arbeiter.

Gol war einer von 43 Häftlingen, die aus dem Lager einen unterirdischen Gang gegraben hatten und durch ihn in Wälder entflohen waren.

The Evening Star (August 15, 1946)

Trial at Nuernberg draws toward close

NUERNBERG, Germany (AP) – The war crimes trial drew toward a close today as the prosecution completed cross-examination of the last defense witness, Lt. Gen. Max Juettner, appearing for the SA organization.

Sir Geoffrey Lawrence, president of the International Military Tribunal, told the 21 defendants headed by Hermann Goering they would be allowed “only a few minutes” to make their final statements at the conclusion of defense and prosecution summations.

Jackson sees Truman; will return to court

Supreme Court Justice Jackson saw President Truman today for the first time since he ignored the chief executive’s request that he withhold his blast against Justice Black but he refused to discuss his conversation with newsmen.

Smilingly, he said “it was one of the privileges” of the president to say what visitors had taken up with him.

Asked if he planned to resume “his normal work on the bench,” Justice Jackson responded that “I expect to be there for the opening day of court.” There have been some hints that Justice Jackson might retire because of squabbles which were climaxed when he loosed a blistering attack on Justice Black for sitting in litigation in which a former law partner of Justice Black appeared as counsel.

Justice Jackson, who has been serving as chief American prosecutor at the Nazi war criminal trials at Nuernberg, said he did not know when he would go back to Nuernberg or if he would go.

Earlier he had expressed intention to return when the verdicts are ready, which is supposed to be next month, but he explained the time is indefinite. He said a great deal is involved in reaching a verdict, pointing out that there are 20 defendants and that each defendant is charged on four counts of an indictment.

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Day 205

Wiener Kurier (August 16, 1946)

Rosenbergs Briefe beweisen:
SA sollte schon Februar 1934 in Österreich einmarschieren

Nürnberg (AND.) - Bayrische SA-Leute sollten schon im Februar 1934 in Österreich einmarschieren und die Militärdiktatur ausrufen. Dies ergibt sich aus einem Brief Rosenbergs an die oberste SA-Führung in München, den der britische Anklagevertreter, Sir David Maxwell-Fyfe, während des Kreuzverhörs des Zeugen Max Jüttner unter mehreren Belastungsdokumenten gegen die SA gestern dem internationalen Militärgericht in Nürnberg vorlegte. In diesem Brief bittet Rosenberg die SA-Führung in München um Aufklärung über den geplanten Einmarsch der SA-Leute in Österreich am 8. oder 9. Februar 1934.

Judenmorde waren ‚Einzelhandlungen‘

Die Vorlage der Dokumente erfolgte, nachdem der ehemalige SA-Obergruppenführer Max Jüttner sich bemüht hatte, bei seinen Aussagen für die als verbrecherisch angeklagte Organisation der SA diese von jedem Vorwurf reinzuwaschen. Jüttner gab wohl zu, daß Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung vorgekommen seien, es habe sich da aber immer um „unverantwortliche Einzelhandlungen“ gehandelt, die im Widerspruch zu den Anordnungen der SA-Führung gestanden seien.

Massenmorde der SA in Wilna und Kowno

Ein wesentlich anderes Bild von der Tätigkeit der SA als das, welches Jüttner dem Gerichtshof vermitteln wollte, ergab sich jedoch aus den zahlreichen Dokumenten, welche die Anklagevertretung vorlegte.

Aus der eidesstattlichen Erklärung eines Wilnaer Juden geht hervor, daß die Verwaltung des Ghettos in Wilna von der SA durchgeführt wurde und der Stadtkommissar von Wilna ein SA-Führer war. Im Dezember 1943 wurden 80 Juden aus dem Ghetto ausgehoben und mußten in der Nähe von Wilna Massengräber öffnen, die Leichen herausheben und anschließend verbrennen. Insgesamt wurden 80.000 Leichen ausgegraben, hauptsächlich Leichen von Juden, polnischen Priestern und russischen Kriegsgefangenen. Die Leichen wurden auf riesigen Scheiterhaufen verbrannt, welche der SA-Sturmführer meist persönlich anzündete. Im Verlaufe dieser Arbeiten wurde eine Reihe der eingesetzten Juden erschossen.

Weitere Dokumente deckten Plünderungen und Mordtaten der SA-Einheiten in den Ostgebieten auf. Im September 1941 wurde Kowno durch SA-Leute heimgesucht, die 27 Personen erschossen. Am 28. Oktober desselben Jahres wurden bei einer Großaktion 4000 Bewohner des Ghettos aufgegriffen und erschossen.

Zu diesen Anschuldigungen erklärte Jüttner, daß, wenn in den Ostgebieten SA-Einheiten bestanden hätten, es „wilde“ Organisationen gewesen seien.

SA sollte auch Tschechoslowakei überfallen

In Fortführung der Anklage legte die Anklagevertretung Dokumente vor, aus denen hervorging, daß Hitler unmittelbar nach der Münchener Konferenz, die die Besetzung des Sudetenlandes sanktionierte, der SA-Befehl erteilte, sofort mit den Vorbereitungen eines Schlages gegen die restliche Tschechoslowakei zu beginnen. Der britische Ankläger unterbreitete dem Gerichtshof ferner einen Bericht eines Oberstleutnants Kuchling vom sogenannten „Freikorps Sudetenland“, der als Verbindungsoffizier zur SA fungierte. In dem Bericht, der das Datum 11. Oktober 1938 trägt, heißt es unter anderem: „Die Tätigkeit des Freikorps entlang der ganzen Front ist äußerst lebhaft und schließt zahlreiche Unternehmungen gegen tschechische Postenstellungen und Grenzwächterhäuschen ein.“

Nur ganz kurze Schlußverteidigung

Der Gerichtshof gab schließlich bekannt, daß, wenn nach der Anklagevertretung nochmals die Beschuldigten oder deren Verteidiger zu Worte kommen würden, deren Zeit, wie vorgesehen, nur ganz kurz bemessen sein würde. Der Verteidigung wird außerdem nur dann das Wort erteilt werden, wenn sie neue Argumente Vorbringen kann. Görings Verteidiger, der bereits umfangreiche Erörterungen vorbereitet hat, wurde bedeutet, daß an der Prozeßordnung unbedingt festgehalten werden würde, und er sowie sein Klient nur noch wenige Minuten lang zu Wort kommen könnten.