Nordamerikaner wollen neue Flugplätze –
Die neuen US-Landungen im Pazifik
Wie aus Tokio gemeldet wird, haben die Nordamerikaner im Pazifik zwei neue Landungsoperationen unternommen, die sie näher an die Philippinen heranbringen sollen. Man hat darin wohl eine Begleitmusik zu den Besprechungen von Québec zu sehen. Zum erstenmal wurden die Operationen des Generals MacArthur und des Admirals Nimitz am gleichen Tage und zur gleichen Stunde unternommen.
Am 15. September, 8 Uhr früh, landeten amerikanische Seesoldaten und Heerestruppen des Admirals Nimitz auf der Palaugruppe, während nordamerikanische und australische Truppen des Generals MacArthur auf der Insel Morotai der Molukkengruppe an Land gesetzt wurden. Die japanische Gegenwehr ist erbittert, wie auch von nordamerikanischer Seite eingestanden werden muß.
Damit haben sich die nordamerikanischen Operationen im Pazifik in der Richtung entwickelt, die nach den Kämpfen auf den Marianen und auf Neuguinea erwartet worden ist. Von den Marianeninseln Saipan und Guam aus hatten die Nordamerikaner zwar mit Flugzeugträgern zahlreiche Luftangriffe auf die weiter nördlich in Richtung Japan liegenden Bonininseln durchgeführt, die auch von See her beschossen wurden. Sie hatten auch von China aus weiteren Luftangriffen mit Fernbombern gegen das japanische Mutterland gestartet. Aber es war doch deutlich, daß die nächsten Absichten des US-Admirals Nimitz in die Richtung der Philippinen zielten.
Dies wurde durch zahlreiche Bombenangriffe auf die Westkarolinen, insbesondere Jap und die Palauinseln, unterstrichen. Die Palaugruppe besteht aus 26 meist schmalen Inseln, die zusammen nur 450 Quadratkilometer groß sind. Es handelt sich teils um Koralleninseln, teils um vulkanische Inseln, die stark bewaldet und von Riffen umgeben sind. Babelthuap, die größte der Palauinseln, nimmt allein zwei Drittel der Fläche ein. Auf den Palauinseln befindet sich die Verwaltung der japanischen Mandatsgebiete.
Der Angriff der Nimitz-Streitkräfte ist nach den vorliegenden Meldungen auf die Inseln Peleliu und Angaur erfolgt. Vorher wurden die Landeplätze tagelang bombardiert und dann durch ein Schlachtschiffgeschwader beschossen, zu dem Schiffe des modernsten Typs gehören. Trotzdem stießen die Landungstruppen auf heftige Gegenwehr, nachdem 30 Landungsboote und ein Kreuzer bereits vorher durch Minentreffer untergegangen waren. Weitere 30 Landungsboote wurden zusammengeschossen, ehe die US-Truppen einen Brückenkopf im Süden von Peleliu bilden konnten. Nach japanischen Feststellungen hatten die Nordamerikaner dort am ersten Tag bereits 3.500 Tote zu beklagen. Ihr Ziel ist die Eroberung des Flugfeldes. Die Palauinseln sind etwa 1.000 Kilometer von den Philippinen entfernt.
Die Molukkeninsel Morotai, auf der die Landung MacArthurs erfolgte, liegt 500 Kilometer von Mindanao, der südlichsten Insel der Philippinen, wo der japanische Stützpunkt in der letzten Zeit schon häufige Luftangriffe von Fernbombern erlebt hat. Die Molukken sind die östlichste Inselgruppe von Niederländisch-Indien, dessen Bewohnern die japanische Regierung vor kurzem die Unabhängigkeit zugesagt hat. Deshalb hat die Landung auf Morotai auch für die Lage in Südostasien ihre Bedeutung, Die Molukken sind seit Jahrhunderten als die „Gewürzinseln“ bekannt, da auf ihnen der Gewürznelken- und Muskatnussbaum in großen Kulturen angebaut wird.
Morotai ist wirtschaftlich weniger wichtig, aber die Wahl dieses Landeplatzes im Norden der Gruppe unterstreicht, daß es den Nordamerikanern darum geht, eine möglichst nahe Absprungbasis gegen die Philippinen zu erhalten. Auch auf Morotai sind die Kämpfe außerordentlich heftig. Die feindliche Luftwaffe richtet gleichzeitig starke Angriffe gegen die japanischen Flugfelder auf anderen Inseln der Molukken und auf Celebes.
Auch die neuen englisch-amerikanischen Landungen im Pazifik sind überholend erfolgt, so daß sich nun weitere japanische Stützpunkte im Rücken des Feindes befinden. Alle diese japanischen Stützpunkte von den Salomonen über Neuguinea, das Bismarck-Archipel und die Karolinen bis zu den Marshallinseln und den Marianen sind trotz teilweise bis zu siebenmonatiger Abschnürung nach wie vor sehr aktiv. Sie machen den Nordamerikanern erheblich zu schaffen. Wenn Admiral Nimitz es auf sich genommen hat, weitere solche gefährlichen Fremdkörper in seinem Operationsraum zu belassen, so ist dies nicht nur ein Ausdruck der Risikofreudigkeit, sondern sehr wesentlich mit der Zeitnot zu erklären, von der seine gegen die chinesische Küste zielenden Operationen beherrscht sind.
Während die Japaner das pazifische Inselvorfeld zwar örtlich außerordentlich heftig, aber in der Gesamtstrategie hinhaltend verteidigen, haben sie in China große offensive Operationen mit bedeutenden Erfolgen durchgeführt. Die Besetzung des Hafens Wentschau und die Ausschaltung mehrerer US-Flughäfen auf chinesischem Boden sind Beispiele, wie die Japaner auf dem Festlande schön frühzeitig den Nimitz-Plänen entgegenwirken. Aber auch im Raum der Philippinen und Indonesiens werden die Japaner zweifellos weitreichende Gegenmaßnahmen gegen die nordamerikanische Offensive getroffen haben.
Die Stimmen aus Tokio besagen, daß man sich dort über die verstärkte Drohung gegen die Seeverbindungen nach Südostasien im Klaren ist, die von den neuen Landungen ausgeht, Japanische Marineschriftsteller, wie der frühere Flottenchef Admiral Takahashi und der Admiral Yamamoto, erklären, daß es noch nicht an der Zeit sei, von der zurückhaltenden Flottenstrategie abzugehen, die durch die augenblickliche nordamerikanische Luftüberlegenheit bestimmt ist. Aber es ist bekannt, daß die Japaner ihre Luftzeugproduktion erheblich vergrößert und auch bereits neue Flugzeugtypen bereitgestellt haben, die von US-Sachverständigen als sehr hochwertig anerkannt werden. Mit zunehmender Heftigkeit der Pazifikkämpfe ist also zu rechnen.
E. G.