Völkischer Beobachter (June 10, 1944)
Die Westmächte zum äußersten Einsatz gezwungen –
In der Hölle der deutschen Abwehr
vb. Berlin, 9. Juni –
Jahrelang haben sich die Westmächte bemüht, den Krieg möglichst ohne Risiko zu führen. Sie haben Hilfsvölker vorgeschickt, zuerst die Franzosen, dann die Norweger, Belgier und Holländer, dann die Griechen und Serben. Sie haben sich selber so wenig wie möglich der Gefahr gestellt. Wenn sie in den Kampf gingen, haben sie möglichst jede Unsicherheit auszuschalten gesucht, sie sind dem gefährlichen Wagnis aus dem Wege gegangen, sie haben lieber auf die Möglichkeit eines großen strategischen Erfolges verzichtet, als sich zugleich damit in die Möglichkeit zu begeben, eine Niederlage von nicht übersehbarem Ausmaß auf sich zu laden. Auch dadurch ist der Luftterror zu erklären. Sie haben endlich, in diesem Sommer, erkennen müssen, daß diese Art der Kriegführung nicht länger aufrechtzuerhalten war. Sie hätten sicherlich sehr gern noch weiter den Krieg so geführt wie bisher, aber sie haben einsehen müssen, daß sie von dieser Methode abzuweichen gezwungen sind. Aus politischen und militärischen Gründen blieb ihnen nichts anderes übrig als die Invasion, blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich zum Entscheidungskampf mit den Hauptstreitkräften zu stellen.
Die Engländer und Amerikaner tun also gegenwärtig etwas, was ihrer Auffassung von Kriegführung eigentlich nicht liegt. Sie begeben sich in ein ungewisses Feld, in dem es viele Risiken gibt. Schon darin lag, bevor noch ein erster Schuß gefallen war, eine bedeutsame Wandlung der Kriegsentwicklung. Die Engländer und Amerikaner können sich nicht mehr mit halben Maßnahmen am eigentlichen Schicksal kriegführender Völker vorbeidrücken. Sie müssen dieses Schicksal mit voller Wucht auf sich nehmen. Niemand von uns unterschätzt, was dies bedeutet. Es bedeutet die starke Entschlossenheit des Gegners, alles zu tun, um den Sieg zu erzwingen. Aber dies bedeutet auch, daß er nun gezwungen ist, sich für die Entscheidungsschlacht zu stellen, die er solange vermieden hat.
Es ist ganz offenbar, daß er seit diesem Frühjahr einige grundsätzliche Hoffnungen abgeschrieben hat. Er kann weder erwarten, daß Soldaten anderer Völker für ihn gegen die deutschen Schützengräben anstürmen und damit den Krieg gewinnen würden, noch kann er hoffen, daß allein mit dem Einsatz der Terrorbomber, also mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand von Mannschaften und von Blutopfern, der Sieg zu erringen sei. Er muß seine großen Landheere in das deutsche Feuer jagen. Er hat geglaubt, das vermeiden zu können, aber er sieht, daß er es doch nicht ändern kann. Er hat es zugleich selber – wenn auch gewiß nicht freiwillig, sondern unter ehernem Zwang der Lage – heraufbeschworen, daß diesmal eine Niederlage nicht nur einfach eine Schlappe, sondern eine entscheidende Wendung des Krieges zu seinen Ungunsten werden kann. Er hat mit diesem Schritt ins Ungewisse genau das getan, was die deutsche Führung erhofft hat.
Die Lage am Ende des dritten Angriffstages wird dadurch gekennzeichnet, daß der Gegner weitere Verstärkungen in seine Landeköpfe geworfen hat und damit bis über Bayeux hinaus vorgedrungen ist, daß aber zugleich die Wirkungen des Eingreifens der deutschen Reserven sich weiter fühlbar machen. Ein endgültiges Urteil über die Entwicklung gerade in diesem Landekopf wird erst nach einiger Zeit möglich sein. Es muß wiederholt werden, daß es sich beim Gegner wie bei den Deutschen hier um zeitraubende Operationen handelt, die ihre Bedeutung erst nach Tagen zeigen können. Vorläufig darf festgestellt werden, daß die Kämpfe von Stunde zu Stunde härter werden. Erst ein Teil der deutschen Panzerdivisionen hat in den Kampf eingegriffen, aber schon sind Panzerkämpfe von beträchtlichem Ausmaß entbrannt. Man darf sicher sein, daß diese Kämpfe in den nächsten Tagen an Umfang noch zunehmen werden. Inzwischen haben um die anderen Landeköpfe die Gegner unter dem von Stunde zu Stunde anwachsendem Feuer der deutschen Gegenwehr ein schweres Schicksal zu erleiden. Über die außerordentlichen Verluste, die der Gegner bisher an der Küste hat erleiden müssen, besteht auch bei den nüchternsten Beurteilungen kein Zweifel. Die Briten und Nordamerikaner haben auch zur Luft viele Truppen und Material herangeführt, aber gerade bei den Luftlandetruppen sind die meisten Verbände unter dem fürchterlichen Feuer der deutschen Gegenwehr aufgerieben worden. Auch die zur See gelandeten Truppen haben in manchen Verbänden bis zu zwei Drittel ihrer Bestände verloren.
Die deutschen leichten Seestreitkräfte stoßen immer wieder vor und ihre Torpedos halten unter den dichten Schiffsansammlungen reiche Ernte. Wenn einmal die Invasionsschlachten vorbei sind, wird man sich dankbar auch neigen vor den Soldaten auf diesen kleinen Schiffen, die durch ihre Kühnheit und Geschicklichkeit das Äußerste getan haben, den Sieg zu erringen.