Wiener Kurier (June 12, 1946)
Seyß-Inquart hatte Österreich schon im Februar 1938 an Hitler verkauft
Nürnberg (AND.) - Seit vorgestern sagt der Angeklagte vor seinen Richtern aus, der sich rühmen darf, das traurige Schicksal Österreichs entscheidend beeinflußt zu haben. Seyß-Inquart, dem es gelungen war, den berüchtigten 13. März 1938 zustande zu bringen, behauptet jetzt, daß er erst an diesem 13. März 1938 Mitglied der NSDAP geworden sei.
Im Mittelpunkt der Einvernahme Seyß-Inquarts stand begreiflicherweise die Schilderung der Märztage 1938. Der Angeklagte berichtete, daß er bereits seit 17. Februar – angeblich auf Veranlassung Schuschniggs – mit Hitler in Fühlung gestanden habe und daß ihm Schuschnigg am 8. März seinen unabänderlichen Entschluß mitteilte, eine Abstimmung über den Anschluß zu veranstalten.
Der Mann mit dem Januskopf
Seyß-Inquart will in jenen Tagen trotz seiner Bedenken Schuschnigg seine Hilfe zugesagt haben, um die Abstimmung zu einem brauchbaren Ergebnis zu führen. Am 10. März habe er jedoch einen Brief gegenteiligen Inhaltes an Schuschnigg geschrieben, wozu ihn eine Rücksprache mit den österreichischen Nationalsozialisten veranlaßt hätte. In diesem Brief will er darauf hingewiesen haben, daß diese Abstimmung, da sie nicht vom Ministerrat, sondern von der Vaterländischen Front angeordnet worden sei, kein reguläres Ergebnis garantiere.
Göring fordert Rücktritt Schuschniggs
Zu diesem Zeitpunkt ereignete sich etwas, das man nur als historische Groteske bezeichnen kann. Seyß-Inquart, der das volle Vertrauen Schuschniggs genossen haben soll, wurde nämlich von Göring telephonisch von einer Unterredung mit dem österreichischen Bundeskanzler abberufen und erhielt die einfache Mitteilung, daß er (Göring) den Rücktritt Schuschniggs fordere, da das Reich das Vertrauen zu ihm verloren habe.
Als Schuschnigg sich darauf bereit erklärte, die Abstimmung zu verschieben, habe Göring trotzdem auf Schuschniggs Rücktritt bestanden und die Ernennung Seyß-Inquarts zum Bundeskanzler gefordert. Nun begann sich Seyß-Inquart mit der Zusammenstellung eines neuen Kabinetts zu beschäftigen, da ihm klar wurde, daß das Reich nur eine nationalsozialistische Regierung dulden werde.
Ursachen des österreichischen Nazitums
Dr. Steinbauer nannte dann über Auftrag Seyß-Inquarts dem Gerichte drei Punkte, die nach seiner Meinung die Ursache für die nationalsozialistische Bewegung in Österreich darstellten: 1. Die wirtschaftliche Notlage seit 1918; 2. die dadurch entstandene Uneinigkeit der demokratischen Parteien und 3. das Verhalten der Großmächte zu Österreich.
Die Grausamkeiten in Holland
Doch nicht nur wegen seines Wirkens in Österreich, sondern auch wegen seiner verbrecherischen Handlungen als Reichskommissar der Niederlande ist Seyß-Inquart angeklagt. In diesem Zusammenhang griff der Angeklagte auf die Methode der übrigen Hauptkriegsverbrecher zurück und erklärte auf die meisten der gegen ihn vorgebrachten Beschuldigungen entweder, daß die betreffenden Mißstände nicht von ihm, sondern von übergeordneten Stellen verantwortet werden müßten, oder daß er sogar mildernd und ausgleichend gewirkt habe. So will er in dem KZ Vught bei Hertogenbosch überall eingegriffen haben, wo er von Übergriffen erfahren hat. Er habe damit erreicht, daß „die Sterblichkeit in diesem Lager wieder eine normale Höhe erreichte.“ Im ganzen hätten sich ungefähr 12.000 Niederländer im KZ oder in Gefängnissen befunden. Im allgemeinen seien „nur Prügeleien“ in den Lagern vorgekommen, denn er sei ein Feind aller Exzesse gewesen.
Exzesse in Ghettos eingestanden
Bezüglich der Judenfrage erklärte der Angeklagte, als Antisemit nach Holland gekommen zu sein und dort zunächst 140.000 Juden in zwei großen Ghettos interniert zu haben. Dabei seien allerdings Härten und Exzesse vorgekommen. Im Jahre 1942 seien die Juden dann auf Drängen Heydrichs nach dem Osten evakuiert worden.
Für die zahlreichen Geiselerschießungen in Holland behauptete Seyß-Inquart nicht verantwortlich zu sein. Allerdings müsse er zugeben, Dr. Schöngarth, einem höheren Polizei- und SS-Führer, ein scharfes Zugreifen angeraten zu haben.
Die außerordentlich hohen Vorräte an Rohstoffen und Lebensmitteln, die er bei der Besetzung der Niederlande vorgefunden habe, seien, wie der Angeklagte weiter aussagte, sämtlich im Rahmen des Vierjahresplanes beschlagnahmt worden. Er habe eine Beschwerde über diese Anordnung an den Beauftragten des Vierjahresplanes weitergegeben.
Er ging immer auf krummen Wegen
Der Verräter Seyß-Inquart bleibt ein schmieriger Geselle
Von unserem Sonderberichterstatter Dr. Rudolf Spitz
Nürnberg (AND.) - 13. März 1938: Haydns Kaiserquartett ist verklungen. Schuschnigg hat Österreich dem Schutz Gottes befohlen. Ein deutscher Marsch, der erste. Er bucht ab… „Sie hören nun Bundeskanzler Seyß-Inquart.“ Dann eine Stimme mit leicht sudetendeutschem Einschlag: „Ich bestimme SA und SS zur Hilfspolizei. Der deutschen Wehrmacht ist bei ihrem Einmarsch in Österreich kein Widerstand entgegenzusetzen…“
Er widerspricht sich ständig
10 Juni 1946: Dieselbe Stimme erklingt im Nürnberger Justizpalast. Sie gehört der verächtlichsten Spielart des Österreichers zu, dem nationalsozialistischen Österreicher, der schleimigsten Spielart des Nazi, dem österreichischen Nazi. Seyß-Inquart, im grauen Straßenanzug mit rotgesprenkelter Krawatte, steht, in eigener Sache im Zeugenstand, hebt, die Hand und schwört, nichts als die reine Wahrheit zu sagen.
Wie hält es der Rechtsanwalt Seyß-Inquart mit der Wahrheit? Wie stand der Österreicher Seyß-Inquart zu Österreich.
„Was mich am meisten an der NSDAP anzog, war ihr unbedingter Anschlußwille. Österreich war für mich deutsches Erbland, erst seit 1866 aus dem Reich ausgeschieden, seit 950 Jahren wesentlicher Bestandteil Deutschlands.“ Aber einige Minuten später: „Von der Selbständigkeit Österreichs lasse ich mir nichts abhandeln. Die deutsche NSDAP befremdet uns Österreicher.“
In der Hand des Rechtsanwalts, der unter den größten Kriegsverbrechern der Geschichte wegen der größten Verbrechen gegen die Menschheit angeklagt ist, befindet sich ein kleiner Bleistift. Der Bleistift ist in ständiger Unruhe. Er stößt aufwärts, beleidigt, angeberisch, er senkt sich, dann senkt sich die Stimme des Angeklagten, er macht ein Geständnis, erscheint bewegt, betroffen. Ein Blick auf die Akten freilich zeigt, daß das, was dieser Mann gesteht, längst unwiderleglich bewiesen und überhaupt nicht abzuleugnen ist.
Er gibt an, der Partei „formell“ erst, am 13. März 1938 beigetreten zu sein, also erst nach dem Anschluß. Das gibt er zu, mit offenem und geradem Blick. Freilich, er mag vergessen haben, daß die Anklagebehörde einen Brief besitzt, den er an Göring im Juli 1939 gerichtet hat, und in dem er den „Feldmarschall“ daran erinnert, daß er ja schon seit. Dezember 1931 brav und fleißig Mitgliedsbeiträge gezahlt hat. „Ich habe mich, heißt es in diesem Schreiben wörtlich, „bis zum Juli 1934 als normaler Parteigenosse verhalten.“
Ein betrogener Betrüger?
Warum schreibt Seyß-Inquart diesen Brief? Die Antwort, läßt sich aus den heutigen Aussagen unschwer schließen. Der Judas war enttäuscht. Wie er es ausdrückt: „Der Lohn blieb aus. Ich erhielt keine Rittergüter, keine Kunstschätze.“ Selbst das selbstverständliche Hunderttausendergeschenk zum 50. Geburtstag blieb, aus. Was mochte Seyß-Inquart damit sagen, besser gesagt, andeuten? Der Vorwurf des Doppelspieles, dessen ihn die Anklage bezichtigt, sei unberechtigt, denn er sei selbst Opfer eines Doppelspieles, das das Reich mit ihm trieb, geworden. Was ist wahr? Wahrscheinlich beides. Ist der betrogene Betrüger weniger schuldig? Wurde er wirklich betrogen? Seyß-Inquart behauptet, er habe nach vollzogenem Anschluß keine bedeutende Rolle mehr gespielt. Die Tatsachen beweisen: Seyß-Inquart bleibt zwar nur 48 Stunden Bundeskanzler von Österreich, zwei Jahre später aber wird der Ahnungslose plötzlich von einer der berüchtigten polnischen Dienstreisen, die er als Stellvertreter Franks unternahm, ins Führerhauptquartier befohlen und dort zum Reichskommissar für die Niederlande ernannt. Also doch Reichskommissar, nicht nur Reichsstatthalter, mit welcher Rolle er sich in Österreich zugunsten des verhaßten Pfälzers Bürckel zufriedengeben mußte. Wie dachte Adolf Hitler über die Verläßlichkeit Seyß-Inquarts?
Der letzte Wille des Führers, das zweite Telegramm an Dönitz nach Schleswig im April 1945, besagt: „Zum Reichsaußenminister bestimme ich Dr. Seyß-Inquart.“ Von der Rechtsanwaltskanzlei am Hof in Wien ins Bundeskanzleramt, nach den Haag und ins Nürnberger Gerichtsgebäude führt, ein folgerichtiger, krummer Weg. Der Weg des Mannes, der von sich selbst sagte: „Ich bin Nationalsozialist und werde immer als Nationalsozialist handeln.“ Heute behauptet unser Rechtsanwalt, seine Politik sei die der Selbständigkeit Österreichs gewesen, nur habe er diese auf dem Wege der österreichischen Nationalsozialisten gesucht. Selbstverständlich aber immer legal, immer nur legal.
Dollfuß-Mord wurde nicht als Mord empfunden
Dem Dollfuß-Mord sei er natürlich mindestens ebenso ferngestanden, wie Hitler. Beweis: „Ich habe ja noch acht Tage vorher mit Dr. Dollfuß gesprochen.“ Da gibt es eine Photographie, die unseren Rechtsanwalt im Kreise der SS anläßlich der Jahresfeier des 25. Juli 1938 zeigt „Das war nur eine Feier für die Gefallenen der SS“, sagte Seyß-Inquart. „An den Tod von Dr. Dollfuß hat damals kein Mensch gedacht, auch wurde dieser von uns ja nie als Mord empfunden.“
Wie stand der „Legale“ zu den Illegalen? „Mit Leopold habe ich mich nie recht verständigen können“, sagt Seyß-Inquart heute was sagen seine illegalen Freunde dazu: „Seit seiner Hilfestellung bei der Julierhebung 1934 hatte Dr. Seyß-Inquart Verbindung mit Dr. Kleinwächter.“ Seyß-Inquart stand ja anderseits im legalen Feld, heißt es im Rechenschaftsbericht Gauleiter Dr. Rainers an Reichskommissar Bürckel. Die Rollen waren eben glänzend verteilt.
The Pittsburgh Press (June 12, 1946)
Nazis’ records bare savage credo: ‘Kill off everyone better than we’
History sit in judgment with jurists at Nuernberg trial; Germans deny personal guilt
By Cmdr. M. A. Musmanno
Fourth of a series.
Four judges and four alternates sit at a long, elevated, baize-covered bench and look at 20 men sitting in a long, rectangular defendants’ dock 30 feet away.
The extreme left of the bench is taken up by two Russian judges, wearing the military uniform of Soviet generals. Next to them are two British jurists in black robes.
Then comes the American representatives of the judiciary, also in traditional dark togas. At the right, the French jurists enliven the somewhat somber judicial picture with lace jabots and, in the case of Judge Henri Donnodieu de Vabre, a picturesque white flowing mustache.
Behind the judgment seat stand the flags of the victor nations. American soldiers, erect and stalwart, handsome and still as statues, stand guard.
This courtroom, with its oak-paneled walls, marbled entrances, dark carpets, red upholstered chairs and green velvet draperies, is not large. The well of the tribunal, exclusive of galleries, cannot be more than a hundred feet square.
But one gets the impression the courtroom is vast and limitless, that here the populations of the world are looking down the broad thoroughfare of history which begins with the stone age and stretches out into the mist of years not yet arrived – years when, we hope, war shall have disappeared from the earth. That is the purpose of this unprecedented tribunal.
Justice Robert H. Jackson, formidable and personable in striped trousers and morning coat, speaks:
“The wrongs which we seek to condemn and punish have been so calculated, so malignant and so devastating that civilization cannot tolerate their being ignored because it cannot survive their being repeated.”
If the scope of this tribunal fails, if the peoples of the world cannot chain, through the threat of certain punishment, these evil forces seeking war for the achievement of their sinister ends, we are finished. If atomic energy should fall into the uncontrolled hands of men like these 20 defendants, we must resign ourselves to the ultimate loss of life’s sparkle and zest.
Thus this is not only a trial, it is an Armageddon. Put on your headset with me and lend an ear to the evidence.
Justice Jackson is reading a report on the execution of civilians. This report was not prepared by Allied observers but by the Wehrmacht, the German Army itself.
Listen: “In the presence of SS men (Storm Troopers), a Jewish dentist has to break all gold teeth and fillings out of the mouths of German and Russian Jews before they are executed.”
“Further, men, women and children are locked into barns and burned alive.”
The Storm Troopers have been ordered to put the Jewish Ghettos in Warsaw to the torch, and the report on the accomplishment of the task gives detail:
“Jews usually left their hideouts but frequently remained in the burning buildings and jumped out of the windows only when the heat became unbearable. They then tried to crawl with broken bones across the street into buildings which were not afire.”
Refuge in sewers
Some of the pursued sought refuge in the sewers. The SS General thought this was unfair and lamented:
“Many times we could hear loud voices in the sewers. SS men or policemen climbed bravely through the manholes to capture these Jews. Sometimes they were shot at. Tear gas bombs were thrown into manholes and the Jews driven out of the sewers and captured. Countless numbers of Jews were liquidated in sewers and bunkers through blasting.”
The SS General stops to bestow a compliment on his killers:
“The longer the resistance continued the tougher became the members of the Waffen SS police and Wehrmacht, who always discharged their duties in an exemplary manner. Frequently Jews who tried to replenish their food supplies during the night or to communicate with neighboring groups were exterminated.”
Now take my Navy field glasses and study the face of Hans Frank – Governor General of Poland, where this occurred – while the report of the SS commander concludes with the statement that the action eliminated “a proved total of 56,065 Jews.”
“To that,” the report adds, “we have to add the number of those killed through blasting, fire, etc. which cannot be counted.”
Like trapped wolf
You wonder why Frank wears a glove on his left hand. Shortly after his capture last Spring, he tried to commit suicide by slashing his wrist and throat. Now his collar conceals the evidence of the throat slashing, the glove the wrist stabbing.
He also wears dark glasses so you cannot look into his eyes, but you can tell from the rest of his features that he is as nervous as a trapped wolf. Perhaps he feels like one of his victims caught in the sewer.
The muscles of his face are twitching; there are splotches of perspiration on his jaw.
Speaking to one of the defense lawyers at this trial, I asked: “How can you subscribe to the statement that every Jew must be killed? Why, if someone in your country said, ‘We must kill every horse or every dog,’ it would cause you to recoil in horror. How can you countenance the extermination of human beings made in your own image?”
“Of course,” he replied, “we never approved of the killings.”
“You did nothing to stop them,” I said. “But tell me how you can condemn any class, innocent and guilty alike? A Bulgarian mountaineer might steal my pocketbook but I should have no prejudice against his brother who is minding his own business.”
Well, er, uh, ahem!
“Well, in Germany the Jews had the best positions, they accumulated the most property. Well, to tell the truth, they were more clever than we.”
“Then you wished to eliminate them because they were endowed with industry, intelligence and, in some cases, genius? In other words you wished to eliminate competition in business?”
“Well, not exactly eliminate them–”
And then came the defense which always comes when you argue with a German – the excuse which reveals they feel no mass guilt or responsibility:
“Wait now, Commander, I had nothing to do with it, and I certainly do not condone it. But let’s talk about my client. He didn’t know Hitler intended to attack Poland.”
The defendants and their attorneys try to avoid this discussion of persecution. But the proposition becomes more and more confirmed as this trial unfolds the plan of the dominating hierarchy of Germany that all who seemed better favored than they were to be eliminated.
TOMORROW: Nazi from America.
Wiener Kurier (June 13, 1946)
Seyß-Inquart war für die Massendeportationen aus Holland allein verantwortlich
Nürnberg (AND.) - Der französische Anklagevertreter, Debenest, der Seyß-Inquart gestern über die Zeit seiner Tätigkeit in Holland vernahm, vermochte nachzuweisen, daß Massendeportation, Zwangsverschickung und Geiselerschießung nur durch die Befehle des Reichsstatthalters Seyß-Inquart ausgelöst und durchgeführt wurden.
Dodd entlarvt die Hochverräter
Der gestrige Verhandlungstag brachte mit dem Abschluß der Vernehmung des Hochverräters Seyß-Inquart und der Einvernahme der „Entlastungszeugen“ Glaise-Horstenau und Dr. Rainer den Höhepunkt des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses für das österreichische Volk. In dem durch den amerikanischen Anklagevertreter Dodd meisterhaft geführten unerbittlichen Kreuzverhör brach das Lügengebäude dieser Verräter am eigenen Vaterlande schimpflich zusammen. Seyß-Inquart mußte zugeben, wortbrüchig und unmoralisch gehandelt zu haben. Seine Behauptung, erst vor dem Nürnberger Gerichtshof von einem Plan Hitlers zur Herbeiführung des „Anschlusses“ von Österreich gehört zu haben, wurde durch unbestechliche Beweisdokumente als gemeinste Lüge entlarvt.
Willfähriges Werkzeug in der Hand Görings
Der Zeuge Rainer schilderte die brutale Behandlung des damaligen Bundeskanzlers Dr. Schuschnigg durch Hitler in der tragischen Unterredung vom 12. Februar 1938. Zwang und Vergewaltigung entschieden das Schicksal Österreichs, „Hitler ist ein Teufel, ein Berserker, ein Verrückter. Es ist entsetzlich wie er mich behandelt hat.“ Das waren die Worte Schuschniggs nach seiner Rückkehr nach Österreich.
Die Rede, die Seyß-Inquart am 11. Februar 1938 im Anschluß an das Telephongespräch mit Göring um 19 Uhr hielt, bezeichnet der Angeklagte als eine „Beruhigungsrede“. Auf Befragen des amerikanischen Anklagevertreters Dodd mußte sich jedoch Seyß-Inquart bequemen zuzugeben, diese Rede unmittelbar nach telephonischer Aufforderung durch Göring gehalten zu haben. Seinen Anteil an der Judenverfolgung in Österreich bezeichnet der Angeklagte als geringfügig. Er habe zwar gewußt, daß Züge mit Juden vollgeladen und „irgendwo im Osten“ entleert wurden. Er habe es auch für vorteilhaft gehalten, im Interesse der „besseren Durchführung“ solcher Transporte die Leitung dem SD zu übergeben! Nach Ansicht des Angeklagten wurden diese Züge des Schreckens dadurch „besser erledigt“. Eine grausame Ironie.
Papen angeblich von Wiener Nazi angefeindet
Der Zeuge Glaise-Horstenau wurde auch über die Rolle Papens vernommen; er versuchte, die Tätigkeit des ehemaligen deutschen Botschafters in Wien in ein günstiges Licht zu setzen. Papen sei von der österreichischen NSDAP wegen seiner katholischen Gesinnung angefeindet worden und man habe ihm angeblich auch sonst mißtraut. Diese unglückliche Ehrenrettung Papens war ein völliger Fehlschlag. Die unwürdige Rolle, die der Zeuge während der Unglückstage Österreichs gespielt hatte, wurde durch Dodd noch einmal nachdrücklich unterstrichen, als er Glaise-Horstenau das betrügerische Verhalten während dieser Tage vorhielt. Der Zeuge wußte darauf nichts zu erwidern.
Rainer belastet Seyß-Inquart
Die von der Verteidigung Seyß-Inquarts erhoffte Besserung der Lage des Angeklagten hat sich durch den tatsächlichen Verlauf der Vernehmung dieses Entlastungszeugen nicht erfüllt. Nach Angabe des Zeugen galt Seyß-Inquart nach seinem Besuchen bei Hitler als der beste Vertreter der nazistischen Verräterpolitik. Es war der Zeuge selbst, der am 11. März 1942 in Klagenfurt vor führenden österreichischen Nazi eine ausführliche Rede über die Ereignisse vor der Besetzung Österreichs hielt und damit wichtigstes Beweismaterial für die Verräterrolle Seyß-Inquarts in die Hände der amerikanischen Anklagevertretung gelegt hat. Danach hatte Hitler im Jahre 1936 den österreichischen Nazi befohlen, „Disziplin zu bewahren“, da er erst in zwei Jahren so weit sein werde, eine aktive Außenpolitik, gestützt auf die inzwischen wieder aufgerüstete Wehrmacht, führen zu können. Im Laufe dieser Jahre habe sich dann Seyß-Inquart als besonders geschickter Unterhändler ausgezeichnet, der sich jedoch gleichwohl an die Befehle des damaligen österreichischen Naziführers Klausner gebunden fühlte.
Zwei Verräter winden sich
Glaise-Horstenau und Dr. Rainer als Zeugen in Nürnberg
Von unserem Sonderberichterstatter Dr. Rudolph Spitz
Nürnberg (AND.) - Als Entlastungszeugen für ihren legalen Mitverschwörer Seyß-Inquart geladen, wurden gestern Glaise-Horstenau und Friedrich Rainer dem Internationalen Gerichtshof vorgeführt. Beide aus der Haft. Beide erwartet auch das österreichische Gericht wegen ihrer Mitwirkung an dem Bubenstück, das Österreich seinen Feinden ans Messer lieferte.
Auch Glaise-Horstenau stammt aus Braunau
Der kleine Ort Braunau hat gleich zwei solche Individuen hervorgebracht. Auch Glaise-Horstenau hat dort im Jahre 1882 das Licht der Welt erblickt. Sieben Jahre vor seinem Führer, dem er in blindem Gehorsam ergeben war, während er anderseits, wie er betont, Dr. Schuschnigg ebenso zur Treue verpflichtet war. Der kleine Mann mit dem schöngepflegten weißen Rundbart und dem schönen weißen Köpf hat auch so etwas wie eine soldatische Ehre, sagt er, denn er ist ja Generalstabsmajor des Kaisers gewesen. Das scheint ja auch alles recht plausibel, solange er sein kleines Histörchen dem freundlichen Herrn Dr. Steinbauer erzählen kann. Aber jetzt betritt Mr. Dodd, der amerikanische Ankläger, die Szene. Sofort verschärft sich das Tempo.
Die Behauptung des Herrn Generals, nur Zufällig – auf Urlaub – ausgerechnet in dem pfälzischen Ort Landau, ausgerechnet am 9. März 1938 und dort zufällig ausgerechnet Herrn Bürckel getroffen zu haben, wird in ihrer ganzen windigen Verlogenheit von Dodd gekennzeichnet durch kurze, einfache Fragen ohne Stimmaufwand, ohne Erregung.
Faule Ausreden
Wie ein Wurm windet sich der Historiker Glaise-Horstenau, als er zusammenhängend über das berüchtigte Telegramm, in dem Seyß-Inquart schon einen fixen und fertigen Hilfeschrei an die deutsche Wehrmacht von Hitler ins Haus geliefert bekam, und über den Entwurf zu seiner Radiorede berichten soll.
Er war ja immer nur für friedliche Mittel. Auf die Frage Dodds, ob er das Telegramm und den Radioentwurf, diesen kompletten Schwindel, für friedliche Mittel gehalten habe, sagt der Zeuge: „Ich habe ja die Dinge nicht nach Wien gebracht. Das tat ein Kurier.“ Man weiß heute, daß dieser sogenannte Kurier keift anderer als der saubere Globocnik war. Zur Kennzeichnung Glaise-Horstenaus aber genüge hier ein Wort, das Papen auf ihn prägte: „Er war ein williger Mitarbeiter.“
Aus fast dem gleichen Holz ist Dr. Friedrich Rainer geschnitzt, der Kärntner Nazi, Gauleiter von Salzburg und später von Kärnten. Er bat da im ersten Überschwang der Anschlußbegeisterung Briefe geschrieben, Reden gehalten und Berichte verfaßt, die seinem Freund Seyß-Inquart heute leicht den Kragen kosten können.
Massenverdummung bestätigt
Das möchte er heute gern nicht gesagt, geschrieben, erklärt haben. Die Begründung aber, die er heute vorbringt, ist wohl das Ungeheuerlichste, was je ein Politiker ausgesprochen hat: „Damals habe ich zu meinen österreichischen Parteifreunden in einer Massenversammlung gesprochen, was ich aber heute sage, ist die Wahrheit.“ Die Massenverdummung, die diesen Gaunern aufgesessen ist, auch in Österreich aufgesessen ist, muß sich jetzt aus ihrem eigenen Munde ihre Naivität bestätigen lassen.
Warum führte Seyß-Inquart diesen Zeugen, der auf Schritt und Tritt von Dodd mühelos der Lüge und immer wieder der Lüge überführt wird? Weil der Gauleiter alle diese Beweisdokumente gegen sich in seiner Salzburger Villa fein säuberlich beisammen hatte, weil die Amerikaner dieses Beweismaterial besitzen und weil Seyß-Inquart sehr wohl weiß, daß das Gericht die Wahrheit kennt.
Vorgestern hatte Seyß-Inquart dem Gericht erklärt, er war vor 1938 nie Parteimitglied. Gestern vormittag wurde ihm sein eigener Brief an Göring vorgelegt, ih dem er diesem gegenüber feststellt, er sei 1931 Pg gewesen, später Mitglied des Steirischen Heimatschutzes, was, wie er an Göring schrieb, ebenso gut war, denn der Steirische Heimatschutz wurde ja in seiner Gesamtheit 1933 in die NSDAP übernommen.
Steirischer Heimatschutz war Bestandteil der Partei
Jetzt soll nun Rainer bekunden, daß der Steirische Heimatschutz nicht de jure in die Partei aufgenommen wurde. Ein derartig armseliges Argument ist dem Rechtsanwalt aus Iglau offenbar überzeugend genüg, um dem Internationalen Gerichtshof damit zu kommen.
Dodd stellt das sehr rasch klar. Der Heimatschutz wurde mit allen Mitgliedern Bestandteil der Partei. Später, nach dem Anschluß, fand Reichsschatzmeister Schwarz, da stimme was nicht, da könne man doch schön nochmals Mitgliedsbeiträge einheben, folglich beschloß man, die braven Nazi vom Steirischen Heimatschutz nochmals „brandeln“ zu lassen. „Folglich“, sagt der Vorstand der, wie er sich ausdrückt, „bekanntesten antisemitischen Kanzlei Wiens“ mit einem netten Dreh: „Folglich war ich nie vor dem Anschluß Mitglied der Partei.“
The Pittsburgh Press (June 13, 1946)
Handsome ex-leader of Nazi youth is grandson of U.S. Civil War hero
Von Schirach’s wife hoped their son would go to West Point; slave labor chief whimpers
By Cmdr. M. A. Musmanno
Fifth of a series.
One of the war crimes defendants at Nuernberg must, by all cinematic standards, be accorded the attribute of handsomeness.
If one casts an eye along the defendants’ box, he is startled to discover this well-modeled profile among so many clock-stopping gargoyles.
Tall, well-built, Baldur von Schirach, 38, is the youngest of those on trial.
If one could forget his silly deification of Adolf Hitler, one might be interested to learn his grandfather fought in our Civil War with distinction.
Wounded at Bull Run, Frederich von Schirach served throughout the Civil War. He was discharged a captain and posthumously earned the brevet rank of major.
The defendant’s father, although born in Germany, came to America to find his bride and then returned to march in the Kaiser’s guards. Later, without losing a goose-step he switched to the Hitler guards when they occupied Potsdam.
His son, born in 1907, joined the Nazi Party when only 17. He became the Reich Youth Leader, head of the Hitler Jugend and finally Gauleiter of Vienna.
Standing before thousands of young men, his china-blue eyes fixed in a porcelain trance he would intone: “We are mortals, but only Hitler is immortal.”
He described the Fuehrer’s ideas as the ideas of a “demigod.” But now his demigod has forsaken him and young von Schirach buries his head in his pillow, worrying how he can fulfill the ambition of his wife – declared the most beautiful woman in Munich – that their boy obtain an education at West Point when he grows up.
If you think that is conceit you must know that in 1941 Baldur von Schirach asked Hitler to send him to America so he might persuade America to stay out of the war.
Rudolf Hess in England to hold down the British lion and this Nazi Narcissus in America, cutting capers around Uncle Sam, supplicating him not to interrupt the plans of his own demigod.
I can well understand the GI who, after watching these defendants for several days. exclaimed: “I never realized what a bunch of jerks were ruling Germany.”
But if “Apollo” von Schirach’s good locks are too sickening, you will find a quick antidote in his bench companion, Fritz Sauckel, who could, without a struggle, win the palm as the ugliest of the lot.
Five million slaves
Short, sallow and pudgy, with a wedge-shaped bald head and a Hitleresque mustache, Sauckel reminds one of those petty tyrants of small shops who terrorize their help with constant threats of dismissal.
But Sauckel managed no small shop. His employees numbered five million, of whom only 200,000 were voluntary. As General Plenipotentiary of Labor, he staffed the workshops of Germany’s vast war machine with the hands needed to supplant soldiers fighting on the many fronts. These employees were obtained by force, intimidation and deceit.
One method of recruitment was to deprive the inhabitants of any given town of food, then entice them to the station under pretense of distributing bread.
Then, at gunpoint, they were loaded into cattle cars, 120 to a car, regardless of season. Excessive cold or heat, lack of food or ventilation often killed off 25 percent of those transported.
Once they arrived at their melancholy destinations and their desolate tasks. Sauckel ordered they be fed with the minimum of expense and subjected to the maximum of exploitation. The moment their production decreased, their food supplies were reduced. Further, “no concern” was given to “the fate of those whose production level no longer presented any interest.”
How many survived?
In 1942 Sauckel set out to import into Germany from the Ukraine a half-million women between 15 and 35, because it was “the Fuehrer’s will that in 100 years 250 million German-speaking people should be living in Europe.”
Children of 10 to 14 were impressed into the serf-labor camps.
How many survived the rigors of this forced labor?
For the slightest infraction of rules or slackening of effort the emaciated victims were sent, without trial, to reprisal camps. There all the ingenuity of torture-crazed guards was exercised – flogging, hanging by the thumbs, immersion in icy waters, starvation, infection with disease, death.
Often in the presence of mass tragedy it is impossible to place responsibility because of the many persons involved. But it is not difficult here because the defendants never expected to have to answer criminally for their deeds.
They signed papers, wrote letters, made entries in diaries, all of which tell a documented story of their incredible deeds.
Now when anyone shows Sauckel a paper with his name on it he trembles like a rabbit and refuses to acknowledge the signature which he proudly scrawled to what amounted to tens of thousands of death warrants.
Not much difficulty in determining responsibility here. The evidence is present and the voices of those who have perished can be heard.
On the day before the trial began, Sauckel whimpered: “I didn’t kill anybody, my conscience is clear.”
His conscience may be clear; but as you study him, slumped down in the defendant’s box. you see his eyes are muddy and his skin has acquired a torpid yellowness.
And Raeder, too
You soon tire of the beauty and the beast of Von Scharich and Sauckel and you seek the distraction of another face. Their neighbor, Grand Admiral Erich Raeder, easily supplies that fresh interest.
With nose and jaw of steel, his face suggests the prow of one of the Nazi battleships whose construction, in violation of the Versailles Treaty, he approved.
Raeder recalls one of the most exciting sea battles of the war. It was he who ordered the scuttling of the doughty pocket battleship, the Graf Spee, off Montivedeo, Uruguay, December 17, 1939. Raeder’s headphones in court give him the appearance of a ship’s captain wearing some apparatus on the bridge.
It is futile for him, as well as his companion, Admiral Karl Doenitz, to declare that it is unjust that they, as professional men of war, should be tried for losing a conflict at arms.
The echoes of Justice Robert H. Jackson’s words, uttered the day this court convened, have not faded away. Rather, they gain in intensity as the days go by: “These men are being tried, not because they lost a war, but because they started one!”
On May 23, 1939, Adolph Hitler called a secret conference to announce to his co-conspirators his plans for the attack on Poland. Raeder participated in this conference.
‘There’ll be war’
Hitler said that day: “We cannot expect a repetition of the Czech affair. There will be war. Our task is to isolate Poland … The Danish and Belgian air bases will be occupied. Declarations of neutrality will be ignored.”
All this, of course, was criminal. It was contrary to treaties signed by Germany, and Raeder knew this.
In attacking Poland, Hitler knew England would fight. This was acknowledged in his plans.
And it was Raeder’s job “to cut all her (England’s) life lines… England can be blockaded from the Western Front at close quarters by the Air Force while the Navy, with its submarines, extends the range of the blockade.”
Admiral Raeder was one of the original plotters. With Hitler, he planned aggression and attack and murder. He became an international thug. For this he answers to the world in Nuernberg, not for the fact he lost a war.
TOMORROW: This trial shows that there is hope.
Jackson in Norway
OSLO – Justice Robert H. Jackson, chief U.S. prosecutor at the Nuernberg war crimes trials, arrived in Oslo yesterday for a two-day study of Norway’s Supreme Court. Justice Jackson will be received by King Haakon before proceeding to Sweden for a similar study.
Wiener Kurier (June 14, 1946)
Selbst Pagen betrachtete Seyß-Inquart als schmierigen Verräter
Nürnberg (AND.) - Über eine Besprechung, die der gestern als Zeuge vernommene Guido Schmidt im Herbst 1943 mit von Papen über die Vorgänge des März 1938 hatte, berichtete Schmidt, daß von Papen sich besonders heftig gegen Seyß-Inquart geäußert habe und daß er den Eindruck gehabt habe, von Papen sei überhaupt gegen die gewaltsame Lösung gewesen.
Der Ankläger Dodd fragte: „Sagte von Papen nicht, das Benehmen Seyß-Inquarts sei unmöglich gewesen?" Schmidt: „In dieser Form hat er sich geäußert. Mit sehr aggressiven Worten behauptete Papen, daß Seyß-Inquart sich nicht schützend vor Österreich gestellt und daß er mit dieser Haltung auch nicht die deutschen Interessen gewahrt habe.“
Die Vorgänge in Berchtesgaden
Nachdem sich der Gerichtshof ein vorher gut einstudiertes Frage- und Antwortspiel zwischen dem Verteidiger Seyß-Inquarts, Doktor Steinbauer und Guido Schmidt angehört hatte, bei dem Schmidt sich offensichtlich bemühte, keinem seiner Freunde irgendwie weh zu tun, nahm sich der amerikanische Anklagevertreter den Zeugen vor und befragte ihn über die Vorgänge bei den Berchtesgadener Besprechungen zwischen Hitler und Schuschnigg. In diesem Zusammenhang sagte der Zeuge wörtlich: „Es wäre besser gewesen, an Stelle Schuschniggs die besten Irrenärzte Wiens zu Hitler zu schicken.“
Von SS eskortiert
Weiter schildert der Zeuge, wie er und Schuschnigg am Abend des 11. März, von der SS beim Verlassen des Regierungsgebäudes eskortiert, nach Hause gefahren seien. Schuschnigg sei von Seyß-Inquart begleitet gewesen. Ob Seyß-Inquart, als er seine Rundfunkansprache hielt, noch als Regierungsmitglied galt, schien dem Zeugen zweifelhaft. Darüber habe damals so wie heute eine geteilte Meinung geherrscht.
Der Ankläger zeigte ihm nun ein Schriftstück, nach welchem der Bundespräsident Miklas die gesamte damalige Regierung abgesetzt hatte, so daß auch Seyß-Inquart keine Berechtigung hatte, sich als Minister auszugeben.
Die geeignete Schachfigur
Dr. Steinbauer rief dann den nächsten Zeugen, den ehemaligen Polizeipräsidenten von Wien, Dr. Michael Skubl auf, der behauptete, daß Dollfuß zu ihm volles Vertrauen gehabt habe. Die Frage nach einer Verbindung Seyß-Inquarts mit der Ermordung des Bundeskanzlers Dollfuß verneinte Dr. Skubl. Seyß-Inquart sei von den 120- bis 150-prozentigen österreichischen Nazis nicht als vollwertiger Nationalsozialist angesehen worden, wohl aber als die geeignete Person, die als Schachfigur verwendet werden konnte. Er habe den Eindruck gehabt, daß Seyß-Inquart mehr Geführter als Führender gewesen sei.
Die von Schuschnigg angeordnete Volksabstimmung über den Anschluß habe, wie der Zeuge weiter ausführte, bei den Nationalsozialisten wie eine Bombe gewirkt. Sie hätten eine fieberhafte Tätigkeit dagegen entfaltet. Am 11. März habe ein Artikel in den „Wiener Neuesten Nachrichten“ die Volksabstimmung als einen Weg zur Demokratisierung, zur Volksfront und zur Bolschewisierung dargestellt. Dies sei ein deutlicher Beweis dafür gewesen, daß die Nazi sich in der Minderheit wußten.
Nachdem vier Zeugen über die Tätigkeit Seyß-Inquarts in Österreich ausgesagt hatten, rief sein Verteidiger nun den ersten der drei Zeugen auf, die den Angeklagten in bezug auf Holland entlasten sollen: den ehemaligen Stellvertreter des Reichskommissars, Dr. Friedrich Wimmer. Dieser führte aus, daß nach einem mißglückten Anschlag auf den SS-Obergruppenführer Rauter die SS die Erschießung von 500 Geiseln gefordert habe, wogegen Seyß-Inquart es durchsetzter, daß „nur“ etwa 200 erschossen wurden.
14 Tage für die Plädoyers der Verteidiger
Der Internationale Gerichtshof hat entschieden, daß für die Schlußplädoyers der deutschen Verteidiger eine Frist von 14 Tagen bewilligt wird. Die vier Anklagevertreter sind, wie Lawrence mitteilte, freiwillig übereingekommen, ihre Ausführungen auf drei Tage zu beschränken.
Die deutschen Verteidiger haben gegen diese Entscheidung mit der Begründung Protest erhoben, daß die zeitliche Beschränkung jedem Rechtsanwalt nur vier Stunden für seine Ausführungen ermöglichen würde.
Sie haben sich zwischen die Stühle gesetzt
Die Austrofaschisten Skubl und Guido Schmidt auf der Zeugenbank
Von unserem Sonderberichterstatter Dr. Rudolph Spitz
Nürnberg (AND.) - Der Zeuge Skubl nimmt unter den Entlastungszeugen, die für Seyß-Inquarts Unschuld aussagen sollen, insofern eine Sonderstellung ein, als er sich auf freiem Fuße befindet. Dr. Michael Skubl hätte auch einmal fast Bundeskanzler werden sollen. Das war nach dem Juliputsch. Für den Fall, daß sich Dr. Schuschnigg nicht mehr am Leben befinden sollte, hatte es der sterbende Kanzler Dr. Dollfuß so angeordnet.
Polizeichef unter Seyß-Inquart
Es kam anders. Skubl bekam die Polizei, Recherchen, Verhaftungen, die Sicherheit. Wirkungskreis: Sozialdemokraten, Kommunisten und Nazi, wie es eben seines Amtes war. Dies ging’ so bis zur Ernennung Seyß-Inquarts zum Innenminister, mit der gleichzeitigen Farce der Unterstellung der österreichischen Polizei unter den Verräter. Wie haben nun Dr. Skubl und Dr. Seyß-Inquart zusammengearbeitet? In voller Harmonie, sagte Dr. Skubl. Eine sehr unruhige Zeit hindurch bis zum Anschluß und über ihn hinaus hat Skubl seinem Posten unverbrüchlich die Treue gehalten. Und als ihn der neue Bundeskanzler Seyß-Inquart auffordert, in sein Kabinett einzutreten, sagte er im Bewußtsein, daß Seyß-Inquart die Unabhängigkeit Österreichs behaupten will und dazu der Polizei bedarf, bereitwilligst zu.
Dann kommt eine peinliche Überraschung. Der erste ehrenvolle Auftrag des Herrn Doktor Skubl ist, aufs Flugfeld Aspern hinauszupilgern und den Reichsführer SS einzuholen. Mit Ehrenbezeigung der Wiener Polizei – gehorsamst, versteht sich.
Von den Nazi milde behandelt
Aus dem Flugzeug steigen eine ganze Menge von Herren, man begrüßt sich, und plötzlich steht auch der Anton Meißner da, Drahtzieher und Mitschuldiger am Dollfuß-Mord. Dem guten Dr. Skubl wird jetzt etwas schwül. Was geschieht nun zuerst? Jetzt kann er gar nicht rasch genug demissionieren, denn schon hat Himmler seine Absetzung verlangt. Und schon sind auch die Schergen der Gestapo da. Aber nur keine Angst, Herr Doktor! Es geschieht Ihnen schon nichts. Während die aufrechten Gegner des Nationalsozialismus ins KZ müssen, wird Doktor Skubl in seiner Wohnung konfiniert, später bleibt er während des ganzen Krieges in Kassel. Bisher ist er nach Wien nicht zurückgekehrt, sagt er. Und was sagt die österreichische Staatsanwaltschaft?
Der ‚Zeuge‘ Guido Schmidt
Als Zeuge, nicht als Angeklagter, erschien vor dem Nürnberger Gerichtshof am Donnerstag Dr. Guido Schmidt; die Verteidigung Dr. Seyß-Inquarts hat ihn geladen, aus der Haft geladen, in der er von der österreichischen Staatsanwaltschaft wegen Verdacht des Hochverrates gehalten wird.
Auch ein Nazi? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Die Tragödie Dr. Schuschniggs bestand zum großen Teil darin, daß er, wie wir von vielen Augenzeugen, besonders aber von Dr. Zernatto wissen, diesem ehemaligen Mitschüler aus der Stella Matutina, ein unbegreifliches Vertrauen schenkte.
Sieht man diese Figur heute auf der Zeugenbank, so ist dies schwer verständlich. Jedes seiner langsam gesprochenen Worte ist ein Vorbehalt, eine Verklausulierung, aus jedem spricht die Unwahrhaftigkeit.
Opferlamm Hitlers?
Die langatmigen Erzählungen Dr. Guido Schmidts sind nicht besonders aufschlußreich. Er war besorgt, ja sehr besorgt sogar um unser geliebtes Österreich, erzählte er am Donnerstag; auch er war in Berchtesgaden und wurde dort zu einem Opferlamm der bösen Nazi.
Liebkind nach jeder Seite
Wonach ging sein Ehrgeiz? Dr. Schmidt bezeichnet sich als Diplomat. Er war beliebt, beliebt bei Schuschnigg und bei Göring beliebt bei den Katholiken und bei den Nazi, beliebt in Rom, Paris und London.
Ein unheimliches Verständnis bekundet er für die Handlungsweise des Angeklagten Papen. Papen war nett, findet er. Sollte hier ein österreichisches Ebenbild des großen Schachspielers, der sich schließlich selbst matt setzte, vorliegen?
Die Nazi benützen, ohne sie jedoch groß werden zu lassen, eine Koalitionsregierung mit Einschluß von allem, was rechts und ständisch war, an der Spitze Bundeskanzler Dr. Guido Schmidt. Ein schöner Traum, zweifellos. Ein hartes Erwachen – vor dem österreichischen Volksgericht!
The Pittsburgh Press (June 14, 1946)
New international code to stop war may emerge from trial at Nuernberg
History notes Nazi crimes
By Cmdr. M. A. Musmanno
Last of a series.
Anyone bewildered by the international storm clouds of today should step into the International Military Tribunal at Nuernberg. It might reassure him the world has not jumped the track and is not headed for a final and all-eliminating smash-up.
The evidence is horrible and ghastly – often beyond the ken of the most gruesome imagination.
When, however, you finally are convinced that what enters your earphones is true, that it actually happened and that the people responsible for most of the events are just a few feet away, you wonder how it is that the explosive resentment of the human race has not, with one wrathful blow, exterminated these 20 miserable men.
Then, as you follow the orderly procedure, the calm deliberation, the measured care with which the proof is presented, your inflamed nerves quiet down. You are ready to believe a new order of reason and dispassionate justice really is coming into being.
The most fearsome thing we confront today is the threat of atomic destructiveness. But it is to be doubted that even the atomic bomb can exceed in sheer brutality what Nazidom inflicted upon mankind in the brief period of its Satanic existence. The atomic bomb offers no sadism comparable to the “Nacht und Nebel (Night and Fog)” program of the Hitler gang.
Night and the fog
Under the workings of “Nacht und Nebel,” men and women were whisked from the streets and carried to unknown destinations. Families were not notified of the fate of their kin, who suddenly disappeared as though lost in the night and fog.
The mysterious disappearances were staged purposely to inflict torture on the victim himself – in that he was deprived of communication with his loved ones – and on the family, which could never learn of his fate.
When one visualizes the agony of the wife, the child, the mother waiting for a word of him who vanished into the vapors of infinity, one begins to appreciate the refined cruelty of the hideous crew in the defendants’ box.
A secret report of the Reich Ministry of Eastern Ministry, presented at the Nuernberg trial, describe conditions in Slovakia in 1943. It said: “The roads are clogged by hundreds of thousands of people, sometimes as many as one million according to the estimate of experts, who wander around in search of nourishment.”
In my various activities overseas I have visited scores of Displaced Persons camps. Here are hundreds of thousands of people who, for four or five years, have known only freight cars, caves, haystacks and open fields as homes.
One sees children with lack-luster eyes who do not know the meaning of play, song, companions, warm clothing.
In speaking to these pallid, skinny-legged, half-scared kids I cannot allow myself to think, much less tell them, of what they have missed in life.
What did they do?
And when they crowd around like shy little animals, extending pitiful hands for the candy which I have, I wonder why I have a dishing sensation in my throat.
What did these kids have to do with bringing on the war?
One day the proceedings in court slipped into a seeming monotony. A lawyer was droning through a long document. Most of the courtroom passively awaited the termination of the sing-song performance.
Suddenly, the presiding judge, Lord Justice Geoffrey Lawrence of Britain, sharp of eye and benign of expression, halted the lawyer to call attention to a line in the document.
The document was an order to Storm Trooper kidnapers of the Nazi Security Police, and the words to which the presiding judge called attention were: “As a rule, no more children will be shot.”
As a rule!
This did not exclude that they would continue to be shot. It did not condemn the shooting of the innocents who already had gone before the merciless muzzles of machine guns. It merely said that from now on the executioners might be just a little more hesitant in mowing down the little ones.
And so we allow these defendants to take the stand to explain why children were shot and populations made to starve.
We asked these exponents of totalitarian philosophy to explain why Nazi officials allowed war prisoners to die like flies and why it often happened that babies born on slave trains were thrown out of windows, as documents reveal.
Too bad some died
One could regret keenly that this tribunal does not number among its living defendants Himmler, Ley and Goebbels. Not because we need to learn anything from their testimony, but to demonstrate to future international criminals that they won’t be permitted to take their own lives as an escape.
These 20 individuals who entered into the private lives of millions now do not have an instant of privacy. Every 30 seconds the light of inspection shines on them and they realize how happy can be that obscurest peasant who at least can chew his bread of poverty without giving an accounting of it to anybody.
The Nuernberg trials should cheer the pessimist, the faint-hearted and the depressed.
Any immediate threat of another world cataclysm can come only from the countries conducting this court. They are adjudicating the guilt of the defendants, they will affix the punishment, they will establish the precedents for future trials.
The honor of four great peoples – four intelligent peoples – is involved here.
The object is to prove they will not permit, ever again, that 20 criminals or 20,000 criminals shall have it in their power to upset law and decency and justice between honest men.
THE END
The Waterbury Democrat (June 15, 1946)
‘Black Tom’ charges irk Von Papen
Nuernberg (UP) – Franz von Papen protested that charges implicating him in the 1917 Black Tom explosion in New Jersey were a blot on his character.
Von Papen, Germany’s ace diplomat in two wars, testified in his own defense before the Allied War Crimes Tribunal. He was military attache in the United States before American entry into the first World War.
“I was surprised by the outbreak of war,” he testified, “but until 1915 I remained at my post in Washington. Heated propaganda tried to cast suspicion on German military attaches at all costs, even to accusing them of sabotage acts.
“In 1915 I left the United States and never tried to rectify this wrong propaganda. But it followed me until the ‘30s, and even until today, and it has impressed its stamp upon me.
“The Lehigh Valley Company in 1931 staked a claim against the Reich for $50,000,000 on a contention that I as German military attache caused an explosion in 1917 – two years after I left the United States.
“They honored me with pretty names. They called me a master spy. This propaganda against me is a background for judging my personality.”
He complained that the world had a “completely distorted picture of my character. There were many bad things said about me in the world.”
Wiener Kurier (June 17, 1946)
Wie das Beweismaterial für Nürnberg ‚erjagt‘ wurde
‚Geheimarchiv Österreich‘ im Reichsluftfahrtministerium entdeckt
Von unserem Sonderberichterstatter Dr. Rudolph Spitz
Nürnberg (AND.) - Das Gedächtnis der Nürnberger Angeklagten, besonders wo es sich um belastende Momente handelt, weist oft bedauernswerte Lücken auf. Dem wird meist überraschend schnell abgeholfen. Jeder Behauptung werden von seiten der Anklagebehörde Tatsachen gegenübergestellt, unwiderlegliche Tatsachen, denn die Beweise stammen zum Großteil aus dem Mund oder der Feder der Angeklagten selbst.
In Kirchen und Klöstern versteckt
Dieser blitzschnellen Präzisionsarbeit im Gerichtssaal ging eine langwierige Kleinarbeit voraus. Sofort nach dem Einmarsch der ersten amerikanischen Streitkräfte in Deutschland begann die Jagd nach dem Beweismaterial, das die Angeklagten und ihre Helfershelfer in deutscher Gründlichkeit gesammelt hatten. In Klöstern, Kirchen und in Stollen der Bergwerke fanden sich fein säuberlich verpackt, oft sogar mit Inhaltsverzeichnis versehen, Stöße von Dokumenten. Dieses Material wurde, wie man es fand, zunächst an die Dokumentensammelstelle der amerikanischen Streitkräfte überstellt, die für diesen Zweck sofort Spezialabteilungen einsetzten.
So befand sich in Freising bei München die Sammelstelle der amerikanischen 3. Armee, welche die Dokumente, Schriftstücke und Urkunden aus den verschiedenen Reichsministerien behandelte. Die Sammelstelle der 7. Armee arbeitete in Heidelberg. Die Urkundensammlung des Reichsaußenamtes wurde in der Nähe von Eisenach aufgefunden und wird von einer gemischten Kommission des amerikanischen Außenamtes und des britischen Außenministeriums bei Marburg betreut.
In den ersten Septembertagen des Jahres 1945 stieß ein Korrespondent der amerikanischen Nachrichtenagentur United Press in den Trümmern des Reichsluftfahrtministeriums in Berlin auf eine Kiste, die sämtliche Aufzeichnungen über die so wichtig gewordenen Telephongespräche zwischen Göring und Seyß-Inquart enthielt Die Kiste trug die Aufschrift: „Geheimarchiv Österreich.“ Rosenbergs sämtliche Reden wurden in einem Schloß in der Nähe von Bischofshofen gefunden. Sie befanden sich bezeichnenderweise unter den Dokumenten des sogenannten Goethe-Auslanddienstes.
In den Dokumentensammelstellen arbeiteten Spezialgruppen der amerikanischen Armee, bestehend aus zwei Offizieren und einer Anzahl von Soldaten, alles besonders geschultes Personal, das vor allem mit deutschen Verhältnissen und der Geschichte der Nazipartei gründlich vertraut ist.
Die Technik der Materialsichtung
Zunächst erfolgt eine Sichtung des Materials. Alles, was irgendwie mit den Kriegsverbrechen der Partei, des Heeres, der Luftwaffe, der Marine usw. in Verbindung steht, wird an das „Office of Chief of Counsel“ (das Amt des amerikanischen Hauptanklägers) überstellt. Nun wird die Analysierung und Katalogisierung des Materials vorgenommen. Was für die Anklagebehörde benötigt wird, wird übersetzt und die Übersetzung durch Offiziere der amerikanischen Armee beglaubigt. Mon sämtlichen Dokumenten werden jedoch Photokopien angefertigt, denn das Originalmaterial befindet sich in Safes, die von schwerbewaffneten Wachen gehütet werden.
The Evening Star (June 17, 1946)
Jackson will return in mid-July when job at Nuernberg is over
Emphasizes he is not quitting; Senate won’t act in Black dispute
NUERNBERG (AP) – Justice Robert H. Jackson said today his job as American war crimes prosecutor here probably would be over by July 15, and that he would return to the United States.
The jurist, spearhead of a controversy involving Supreme Court Justice Hugo L. Black, estimated the cases of the high Nazis would be completed by mid-July. The attention of the tribunal then will be devoted to prosecution of such organizations as the SS, the Gestapo and the Hitler Youth Organization.
Stresses he isn’t quitting
Justice Jackson emphasized to a reporter that he was not resigning as war crimes prosecutor, pointing out that he argued the case against the organizations in the early part of the Nuernberg trials. Ground work for the actual trial of the organizations is being prepared by a five-man commission with separate legal staffs.
He refused to comment further on the Supreme Court controversy which he touched off a week ago with a statement that Justice Black participated in a decision in which his former law partner was a counsel.
The Senate Judiciary Committee decided today it has no “authorization or jurisdiction” to take action on charges made by Justice Jackson against Justice Black.
Chairman McCarran announced that the committee unanimously approved the following statement:
“The committee has heard and discussed the cablegram addressed to the chairman of the Senate and House Judiciary Committees by Mr. Justice Jackson. If any question is presented by this communication, we lack authorization or jurisdiction to determine it at this time.
“The Senate of the United States, under the Constitution, can act only as a court to decide charges brought against a judicial officer of the United States, and only when such charges are made by the House of Representatives through impeachment proceedings.”
Thus, the Senate group adopted the same attitude expressed by the House Judiciary Committee, which has held that it lacked jurisdiction now to investigate the “feud” between the two justices.
Silent on assertions in Senate
Justice Jackson said he had read of statements in the Senate that both he and Justice Black should resign. He said also he had seen President Truman’s assertion that he had asked him to forgo a public statement until the matter had been discussed with him at the White House.
“I have nothing to say about it,” Justice Jackson said tersely.
Questioned about reports that he might run for governor of New York the justice said he had no comment. Associates said, however, he never intended to seek an elective office.
Justice Jackson’s friends said he had said all he intended to say about the controversy within the court and that to him, the incident was a “closed book.”
They said Justice Jackson felt his public criticism of what he termed Justice Black’s “bullying” tactics might clear the air and prevent a repetition of incidents such as he described in his cables to the House and Senate judiciary committees.
Wiener Kurier (June 18, 1946)
Papen gewährte als Vizekanzler volle Amnestie für Mordtaten der Nazi
Nürnberg (AND.) - Als Vizekanzler in Hitlers Kabinett hat Papen am 21. März 1933 einen Amnestieerlaß unterzeichnet, wonach Mord und andere innerhalb von sieben Wochen nach der nationalsozialistischen Machtergreifung begangene Verbrechen nachgesehen werden sollten. Papen wies hiezu darauf bin, daß dieser Erlaß bloß eine „ganz natürliche Folgeerscheinung“ im Zuge der Revolutionsperiode gewesen sei.
Betrügerisches Doppelspiel in Österreich
Der ehemalige amerikanische Gesandte in Wien, Mr. Messersmith, hat Papen bekanntlich beschuldigt, daß er mit der Absicht nach Wien gekommen sei, die Stellung der österreichischen Regierung als deutscher Botschafter zu untergraben. Papens Stellungnahme zu dieser Beschuldigung läßt keinen Zweifel darüber, daß er auch in Österreich ein Doppelspiel getrieben hat. Er will zwar nach der Ermordung des Bundeskanzlers Dollfuß, als er von Hitler für den Gesandtenposten in Wien ausersehen war, dem „Führer“ erklärt haben, daß die gesamte Welt von der Verbindung der Nazi mit dieser Mordtat überzeugt sei.
Im gleichen Atemzug behauptet er aber, daß er über Messersmiths Beschuldigung „sehr erstaunt sei“, denn wenn die Absicht bestanden hätte, ihn zum Zwecke der Untergrabung der Stellung Schuschniggs nach Wien zu schicken, so hätte die österreichische Regierung davon sicher erfahren and dies hätte seine Befriedungsmission schon im Keime erstickt. Im Gegenteil, er habe vor Antritt seines Wiener Postens die schriftliche Versicherung verlangt, daß in der weiteren Anschlußpolitik evolutionär vorgegangen werde.
Der Angeklagte versicherte, daß er Hindenburg im Jahre 1933 keineswegs beeinflußt habe, Hitler mit der Kanzlerschaft zu beauftragen. Er habe sogar schon 1932 „Sicherungen“ dagegen getroffen, daß Hitler sich diktatorische Machtvollkommenheiten aneigne.“ Zu diesem Zweck habe er für Hindenburg eine Kabinettsliste zusammengesteilt, die, wie er behauptete, den drohenden Bürgerkrieg noch einmal abwenden sollte. Nur drei Nazi – so will er es Hindenburg vorgeschlagen haben – sollten in das Kabinett aufgenommen werden, wobei die drei, „entscheidenden“ Ministerien für wirtschaftliche Belange den Nazi vorenthalten bleiben sollten.
Papen erklärte anschließend, daß er während des berüchtigten Röhm-Putsches im Jahre 1934 drei Tage lang praktisch in Haft gehalten worden sei und aus Entrüstung darüber von Hitler seine Entlassung als Vizekanzler gefordert und auch erhalten habe. Wie dunkel die Rolle war, die Papen offenbar auch in diesem Zusammenhang gespielt hat, beweist die Tatsache, daß ihn Göring in der Nacht des ominösen 30. Juni „im Interesse seiner eigenen Sicherheit“ gewarnt hatte, nach Hause zu kommen. Göring soll dies damals damit begründet haben, daß unter der SS eine Revolte ausgebrochen sei. Tatsächlich habe er sowohl seine Privatwohnung. als auch seine Amtsräume von SS besetzt gefunden und sei drei Tage lang faktisch von der Außenwelt völlig abgeschnitten gewesen. Man habe seinen Pressesekretär erschossen und zwei andere Sekretäre in ein KZ gebracht. Nach seiner Freilassung habe sich Göring entschuldigt und alles auf einen Irrtum zurückgeführt.
Die ‚Friedensfühler‘ aus der Türkei
Der Angeklagte konnte natürlich auch während des Krieges keine eindeutige Rolle spielen. Heute wird der Verteidiger eine Erklärung eines Barons Kurt von Lersner vorlegen, der zufolge Papen in seiner Eigenschaft als Botschafter in Ankara im April 1944 Fühlung mit dem amerikanischen Marineattaché in der Türkei, George H. Earle, aufgenommen hat. Nach dieser Erklärung soll Papen behauptet haben: „Da meine Friedensfühler mit Mr. Earle erfolgversprechend waren, habe ich mich für den Weltfrieden positiv einzusetzen entschlossen und persönliche Unterredungen mit Hitler und Ribbentrop trotz der damit verbundenen Gefahr eingeleitet. Es war jedoch alles umsonst.“
Fälle der Einzelangeklagten bis Mitte Juli erledigt
Wie der amerikanische Anklagevertreter Jackson gestern erklärte, werden die Fälle der einzelnen Angeklagten bis Mitte Juli abgeschlossen sein. Das Gericht wird sich dann der Untersuchung der Anklagen zuwenden, die gegen die Naziorganisationen, wie zum Beispiel die SS, die Gestapo und andere mehr, gerichtet sind.
Papen kämpft um sein Leben
Er half den Nazi in den Sattel
Von unserem Sonderberichterstatter Dr. Rudolph Spitz
Nürnberg (AND.) - Franz von Papen, der ehemalige Reichskanzler und spätere Vizekanzler sowie Botschafter Hitlers in Wien und Ankara, macht den Eindruck eines Mannes, der ernsthaft um sein Leben kämpft. Der große, weißhaarige Mann in dunklem Anzug wendet sich während seiner Aussagen, die er mit heftigen Handbewegungen unterstreicht, immer wieder direkt an die Richter, vor denen Rechenschaft abzulegen er erfreut begrüßt.
Mit erhobener Stimme betont er, daß er nicht für die Nationalsozialisten, sondern für das andere Deutschland aussage, und daß auf der Zeit seiner Reichskanzlerschaft nicht der leiseste Verdacht eines politischen Verbrechens ruhen könne. Mit Erregung spricht Papen von den „Märchen“, die über seine politische „Verschwörertätigkeit“ umlaufen, und greift zu seiner Entlastung bis auf Ereignisse des Jahres 1917 zurück, in dem er die Zerstörung Jerusalems verhindert haben will.
Er war ein Junker
Mit allen Details schilderte er seinen politischen Werdegang, ohne dabei seine rechtsgerichtete Einstellung zu verhehlen. Obwohl er betont, aus sozialen Gründen dem Zentrum und nicht der Deutschnationalen Partei bei getreten zu sein, und von seinem bescheidenen landwirtschaftlichen Besitz und seinen bäuerlichen Freunden spricht, kann er seine Zugehörigkeit zu jenen Kreisen nicht verbergen, für die nach der Abdankung des Kaisers eine Welt zusammenbrach und die in Hindenburg die letzte große historische Figur Deutschlands sahen.
Obwohl Papen aus der Niederlage Deutschlands im ersten Weltkrieg die Konsequenzen zog und aus der Armee austrat, war er doch noch vierzehn Jahre später bereit, auf Hindenburgs Appell einen alten Soldaten nicht im Stiche zu lassen und trotz aller Bedenken die Reichskanzlerschaft zu übernehmen.
Den Mitangeklagten überlegen
Papen, der sich nicht nur durch seine gepflegte Sprache, in die er geschickt einige englische und französische Ausdrücke einflicht, von den übrigen Angeklagten unterscheidet, hat mit den großenteils-recht primitiven Köpfen, die neben ihm auf der Anklagebank sitzen, wenig gemein. Doch gerade die internationale Achtung, die er als Gentleman genoß, half ihm, diese Männer an die Macht zu bringen, zu deren Mitangeklagten er dadurch wurde.