Völkischer Beobachter (January 23, 1943)
Heldenhafte Abwehrleistung unserer Truppen –
Beispiellos harte Kämpfe im Raum von Stalingrad
Seit Beginn der Sowjetoffensive über 8000 Panzerkampfwagen vernichtet
vb. Wien, 22. Jänner –
Seit zwei Monaten wiederholen sich täglich die Meldungen des Oberkommandos der Wehrmacht über die schweren Abwehrkämpfe im Osten, die trotz der knappen Formulierung des OKW.-Berichts auch die Heimat erkennen lassen, daß der Feind mit dieser in erbarmungsloser Härte geführten Großoffensive eine weitgehende Entscheidung herbeizuzwingen sucht. Fast an der ganzen, 2500 Kilometer langen Front vom Kaukasus bis hinauf nach Leningrad stehen unsere Truppen in einem Ringen von bisher unbekanntem Ausmaß, das diese Winterschlacht noch weit über die Bedeutung der Kämpfe des Vorjahres hinaushebt. Der mit einer Rücksichtslosigkeit ohnegleichen und einem keine noch so großen Blutopfer scheuenden Vernichtungswillen geführte Kampf des Feindes wird nur noch übertroffen durch das Heldentum des deutschen Soldaten, der inmitten der Unbilden eines auch jetzt wieder schneidend kalten Winters den Angriffen eines Gegners standzuhalten hat, der mit dem ganzen Aufwand der ihm noch zur Verfügung stehenden Kraft zur Entscheidungsschlacht angetreten ist.
Die Sowjets wissen, daß sie nur die eine Chance haben, jetzt zu siegen oder unterzugehen. Ihnen kann kein Kräftesparen mehr helfen, weil das Land durch den Raumverlust vom Sommer 1942 wirtschaftlich aufs schwerste getroffen ist. Es ist ein echter Kampf auf Biegen oder Brechen, den die Sowjets jetzt im Osten führen, und gerade darum ist er so gigantisch und – das dürfen wir nicht verkennen – auch gefährlich. Welch gewaltiger Anstrengungen im Kampfe um Sein oder Nichtsein dieser in zahllosen Schlachten geschlagene und aufs härteste getroffene Gegner dabei noch fähig ist, erleben wir nun schon seit Wochen täglich aufs neue. Die Zahl der von unseren heldenhaft kämpfenden Truppen allein zur Strecke gebrachten feindlichen Panzerkraftwagen – sie beträgt seit dem Beginn der Angriffe schon weit über 8000 – und die unerhörten Blutopfer des Feindes sprechen hier eine sehr deutliche Sprache. Die Leistung der gegenüber dieser schier erdrückenden Übermacht standhaltenden deutschen Front grenzt an das Wunderbare. Ihr gegenüber finden auch der Wehrmachtbericht und die diesen ergänzenden Mitteilungen des Oberkommandos der Wehrmacht eine Sprache, die für diesen sonst so knappen, rein militärischen Lagebericht ganz ungewohnte Formen annimmt. Es ist vor allem das Heldentum der Kämpfer von Stalingrad, das durch die besondere Herausstellung der hier unter den schwersten Bedingungen vollbrachten Leistungen in den Berichten und Meldungen des Oberkommandos der Wehrmacht eine besondere Würdigung findet. Nachdem diese Berichte schon seit Tagen darauf hingewiesen haben, daß der deutsche Soldat hier unter den schwierigsten Bedingungen und unter den größten Entbehrungen eine Leistung vollbringt, in der sich deutsches Soldatentum auf das höchste bewährt, wird nun auch eine ins einzelne gehende Schilderung dieses Heldenkampfes gegeben, die die ganze Härte und Schwere des deutschen Ausharrens auf vorgeschobenem Posten auf das eindringlichste anschaulich werden läßt. In einer ergänzenden Mitteilung des Oberkommandos der Wehrmacht heißt es:
Der Kampf im Raum von Stalingrad wuchs nach Wochen harter Gefechte seit dem 10. Jänner zu jener Härte, die auch die bisher schwersten Kämpfe an der Ostfront in den Schatten stellt. Im Dämmerlicht jenes Angriffstages erkannte man von der vorgeschobenen Beobachtungsstelle einer schweren Flakbatterie aus, die dicht hinter der Hauptkampflinie im Wrack eines Sowjetpanzers lag, daß drüben beim Feind während der Nacht massenhaft neue schwere Waffen in Stellung gebracht waren. In einem Abschnitt von kaum 700 Meter sah der Beobachter 20 neue Pakgeschütze aller Kaliber und vor diesen standen zahlreiche frisch eingebaute Granatwerferbatterien. Das war noch nicht weiter auffällig, da der Bolschewist schon des öfteren seine Waffen in ähnlicher Weise zur Schau gestellt hatte, um den Beschuß herauszufordern und dadurch die Munition zu verknappen.
Da ging plötzlich genau um 6 Uhr furchtbares Trommelfeuer los. Salvengeschutze, schwere Artillerie, Granatwerfer und Panzerabwehrkanonen schossen, was aus den Rohren herausging.
Die Leitungen von dem Beobachter zu den Batterien waren sofort zerstört, nur das Funkgerät hielt die Verbindung aufrecht. Nacheinander erhielt die Beobachtungsstelle drei Volltreffer. Beide Artilleristen wurden verwundet. Dennoch richteten sie das unversehrt gebliebene Scherenfernrohr wieder auf und sahen, wie schon die erste Welle der feindlichen Infanterie über den Schnee vorstürmte, aber von unseren Maschinengewehren niedergemacht wurde. Bald darauf kam die zweite Welle, die sich sprungweise vorarbeitete. Die Batterie wurde angefunkt. Sofort standen die Sprengpunkte der Granaten über den Köpfen der Sowjets und rissen auch die zweite Welle nieder. Jetzt aber erschienen Panzer in ganzen Haufen. Sperrfeuer wurde angefordert. Aber die Flakbatterie antwortete nicht, weil sie inzwischen ein in der rechten Flanke eingedrungenes sowjetisches Schützenregiment zusammenschoß. Doch eine schwere Feldhaubitzenbatterie nahm die Funkmeldung auf und feuerte in den Panzerhaufen hinein. Die Panzer wichen zurück, kurz darauf rollten sie wieder an. Einige wurden von Volltreffern zerschlagen, aber dreien gelang es durchzubrechen. Sie wälzten und kreisten über den Laufgräben und Schützenlöchern der Hauptkampflinie und rollten dann weiter ins Hintergelände. Im Vertrauen auf die rückwärts stehenden schweren Waffen ließ man sie fahren.
Gefährlich wurde aber die Lage, als plötzlich beim Feind neue Panzer mit aufgesessenen Schützen erschienen. Die Haubitzen schossen, was sie konnten. Aber bald war es klar, daß sie den Einbruch der Bolschewisten nicht zu verhindern vermochten. Die Grenadiere erhoben sich aus ihren Löchern, rückten zu Igeln zusammen und warteten auf den günstigen Augenblick zum Gegenstoß. Die feindlichen Panzer mit aufgesessener Infanterie erreichten die Hauptkampflinie und gerieten ins Gefecht mit den Igelstellungen. Immer wieder übertönte der Lärm der Schlacht das klirrende Toben, wenn Minen oder Granaten einen der Panzer zerbrachen. Aber sie waren zuviel. Einige drückten sich langsam im tiefen Schnee weiter vorwärts, andere umführen die Igelstellungen, doch immer noch hielten die Grenadiere.
Einer der Panzer rollte auf 8 Meter an den einen der verwundeten Artilleriebeobachter heran. Von der Panzerbesatzung ungesehen, stolperte er zum Heck des Panzers, klammerte sich mit einer Hand an und ließ sich durch den tiefen Schnee weiterschleppen. Die Pistole lag schußbereit in der anderen Hand, um sofort auf die Besatzung des Panzers oder auf feindliche Schützen schießen zu können. Der Panzer schoß auf Ziele im Hintergelände und näherte sich schließlich einem Dorf. Der Verwundete wußte, daß dort schwere Panzergeschütze standen. Schnell ließ er los und rollte sich in ein Loch. Keine Sekunde zu früh, denn schon krachte es, und der Panzer, an dem er gehangen hatte, brannte lichterloh.
Jetzt hatten wieder die deutschen Geschütze das Wort. Schlag auf Schlag fuhren in direktem Beschuß die Granaten zwischen die rollenden Kolosse. Manche zerbarsten, manche verbrannten, der Rest wich zurück. Nun konnten auch die Grenadiere und Pioniere, die Fahrer und Kanoniere der Gegenstoßgruppe im pulvergeschwärzten Schnee Raum gewinnen und in erbittertem Kampf raft Handgranaten und blanker Waffe die feindlichen Schützen zurücktreiben.
Sie erreichten die in der Hauptkampflinie gebildeten Igel, stellten die Verbindung untereinander wieder her und bargen dann die verwundeten Kameraden. Ein schmaler, blutdurchtränkter Streifen des von Granaten zerwühlten Niemandslandes war alles, was dem Feind von seinem Einbruch übrig blieb. Jeder Tag und jede Nacht ist seit dem mit solchen schweren Kämpfen erfüllt.
Was sich hinter dieser knappen Schilderung des Oberkommandos der Wehrmacht an tatsächlichem Erleben des bei Stalingrad kämpfenden deutschen Soldaten verbirgt, vermögen wir wahrscheinlich nicht einmal zu ahnen. Niemand, der es nicht selbst mitgemacht hat, kann ermessen, was es heißt, inmitten all der körperlichen Not, die der schneidend kalte Winter, das Abgeschnittensein vom Gros des deutschen Heeres, das mörderische Trommelfeuer des vom Vernichtungswillen besessenen Feindes und die keine Ruhepause mehr kennenden Angriffe der Übermacht dem deutschen Soldaten auferlegen, noch die seelische Größe und Kraft aufzubringen, um trotzdem weiterzukämpfen und auszuharren.
Als der OKW.-Bericht vom 16. Jänner meldete, daß die bei Stalingrad stehenden deutschen Truppen in heldenmütigem Abwehrkampf gegen den seit Wochen von allen Seiten erbittert angreifenden Feind stehen, wurde der deutschen Öffentlichkeit voll und ganz die Bedeutung dieses Ringens offenbar. Seit in den letzten Augusttagen des vergangenen Jahres deutsche Truppen in überraschendem Vorstoß die Ufer der Wolga bei Stalingrad erreichten, wird auf diesem Kampffeld ein pausenloser Kampf geführt. Um jeden Quadratmeter Boden ist hier zäh gerungen worden, bis die Landbrücke zwischen Don und Wolga und fast die ganze Stadt in deutsche Hand gebracht waren. Als dann der Feind im November zu seiner großangelegten Winteroffensive antrat, war es wieder dieser Frontabschnitt, auf den sich die ganze Wucht des feindlichen Angriffes konzentrierte. In Stärke von mehreren Armeen, die durch zahllose Panzerbrigaden unterstützt wurden, griff der Feind die deutschen Stellungen im Süden von Stalingrad von der Kalmückensteppe aus an, während gleichzeitig von Norden und innerhalb des großen Donbogens versucht wurde, in südwestlicher Richtung gegen den Unterlauf des Don vorzustoßen. In wochenlangen, wechselvollen Kämpfen haben die deutschen Truppen diesem Ansturm standgehalten, bis es neu herangeführten starken und frischen Kräften des Feindes gelang, die tapfer kämpfenden deutschen und verbündeten Truppen vom Westufer des Don abzudrängen.
Die Sowjets haben für diesen Erfolg einen hohen Blutzoll entrichten müssen. Wenn jetzt auch auf sich allein gestellt, so steht doch nach wie vor der deutsche Soldat in Stalingrad und verteidigt hier – unter Bedingungen, über die wir uns keine Vorstellungen zu machen vermögen, die aber nach allem, was das Oberkommando der deutschen Wehrmacht hierüber verlauten läßt, wohl die härtesten dieses Krieges sind – erfolgreich seine Position gegen alle noch so schweren Angriffe des Feindes. Über Einzelheiten dieses auch in seiner neuen Phase in der Geschichte wiederum beispiellosen Kampfes, in dem sich unter den größten Entbehrungen und unter schwierigsten Verhältnissen deutsches Soldatentum wieder einmal auf das höchste bewährt, wird zu gegebener Zeit mehr zu sagen sein. An ihm nehmen in gleichem Maße wie die Kämpfer auf der Erde die Kampf-, Jagd- und Transportverbände der deutschen Luftwaffe Anteil, die sich hier vor Aufgaben gestellt sehen, deren Lösung man kaum für möglich halten würde, wenn nicht auch hier der kämpferische Geist und die opfer- und jederzeit einsatzbereite Haltung des deutschen Soldaten den Sieg über die Materie davongetragen hätten.
In den zwei Monaten ihrer fortgesetzten Angriffe haben die Sowjets einigen Geländegewinn am Westufer des Don und in dem Raume zwischen Kaukasus und Don erzielen können. Sie haben aber keines ihrer weitgesteckten strategischen Ziele erreichen können. Wenn sie zur Zeit immer noch neue Kräfte und neues Material in die Schlacht werfen, so tun sie das in der Hoffnung, daß schließlich und endlich die deutsche Front doch dem unausgesetzten massiven Druck der Übermacht nachgeben müsse. Doch auch die Reserven der Sowjets sind nicht unerschöpflich, und wenn sie in diesen zwei Monaten an keiner Stelle der 2500 Kilometer langen Front eine entscheidende Schwächung der deutschen Widerstandskraft herbeizuführen vermochten, so besteht für uns die absolute Gewißheit, daß auch dieser Massenansturm eines Tages zusammenbrechen wird. Bis dahin mag vor allem der um das Schicksal ihrer tapfer kämpfenden Soldaten sich sorgenden Heimat noch manche harte Geduldprobe auferlegt werden, am Ende wird wieder wie im Vorjahre der Sieg der deutschen Waffen stehen.
Rosenfeld