Völkischer Beobachter (August 31, 1942)
Tiefer Einbruch in die Befestigungen von Stalingrad
Sowjetische Großoffensive bei Rschew unter schweren Verlusten gescheitert
vb. Wien‚ 30. August –
Die deutsche Offensive an der Ostfront nähert sich jetzt einem Höhepunkt. Im Kampfe um Stalingrad ist den deutschen Truppen ein tiefer Einbruch in das Befestigungssystem der Stadt gelungen‚ um deren Besitz seit Beginn der Woche erbittert gerungen wird. In schneidigem Angriff haben deutsche Infanteriedivisionen und schnelle Verbände die seit langem stark ausgebauten Stellungen durchbrochen, die in dem schluchtenreichen Gelände ein schon von der Natur begünstigtes Verteidigungsfeld darstellen. Die Bedeutung, die diesem Kampfe um die große Industriestadt an der Wolga im Rahmen der Gesamtoperationen an der Ostfront zukommt, ist durch die nunmehr seit einem Monat bei Rschew tobemie Abwehrschlacht gekennzeichnet. Hier haben die Sowjets mit vier bis fünf Armeen und unter ungeheurem Materialeinsatz in einer großangelegten Offensive versucht, durch einen Stoß in die deutsche Flanke den auf Stalingrad lastenden Druck zu nehmen. Ihre riesigen Opfer – der heutige Wehrmachtbericht meldet 1572 abgeschossene Sowjetpanzer und 547 vernichtete Flugzeuge allein im Raume von Rschew – haben ihnen nicht den erhofften Nutzen gebracht. Wie schon vorher bei Woronesch so hat auch bei Rschew die überragende Tapferkeit des deutschen Soldaten alle Pläne des Feindes durchkreuzt und zunichte gemacht.
Unbehindert durch alle vom Feind unternommenen Entlastungsversuche schreitet der deutsche Angriff erfolgreich Weiter fort. Auch im Süden, wo nach dem schnellen Vormarsch durch die nordkaukasischen Steppengebiete der Kampf sich in das Hochgebirge verlagert hat, geht es weiter voran. Nach der bereits früher gemeldeten Einnahme wichtiger Höhenstellungen und Pässe meldet das Oberkommando der Wehrmacht heute ein weiteres Vordringen der deutschen Truppen auch in dem schwierigen Gelände südlich des unteren Kuban.
Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich‚ daß ungeachtet des kläglich gescheiterten Invasionsversuches von Dieppe die Forderung der Sowjetunion nach Errichtung der „zweiten Front“ immer dringender werden. Wie der türkische Rundfunknachtrichtendienst berichtet, werden diese Forderungen nicht mehr ausschließlich auf diplomatischem Wege geäußert, sondern die Sowjetunion hat daneben ihren ganzen Einfluß auf die britische Öffentlichkeit aufgeboten, um sie im Sinne dieser Forderungen zu bearbeiten.
Die heikle Situation, die dadurch für die britische Regierung entstanden ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß sie aus propagandistischen und Prestigegründen genötigt ist, die Absicht einer Invasion bei dem kläglich gescheiterten Dieppe-Unternehmen zu leugnen und es als eine Art Kommandoangriff zu bagatellisieren, gegenüber den Sowjets aber vor der Notwendigkeit steht, die Forderung nach der zweiten Front aIs undurchführbar zu erklären. Diese Lage wird ihr in keiner Weise durch die deutschen amtlichen Veröffentlichungen über Dieppe erleichtert‚ und Churchill weiß daher nichts Besseres zu tun, als zu schweigen, während er es dem britischen nichtamtlichen Nachrichtendienst überläßt, die Ab1eugnungsversuche mit mehr oder minder großem Geschick weiterfortzusetzen.
Im übrigen ist .es bezeichnend, daß man sich in England diesmal bemüht zeigt, keine großen Erwartungen über die Sowjetoffensive bei Rschew aufkommen zu lassen. Was von Sowjetberichten zu halten ist, hat man im Winterfeldzug zur Genüge erfahren. Sie haben damals in London die größten Hoffnungen erweckt, die mit dem Einsetzen der erfolgreichen deutschen Gegenschläge jäh zu Wasser wurden und mit sichtlicher Bestürzung abgeschrieben werden mußten. ln dem Geheimbefehl Stalins war darauf hingewiesen worden, die Sowjets könnten sich nach den furchtbaren Aderlässen im Winter eine Massenhinopferung ihrer Armeen nicht mehr leisten. Die deutschen Schläge im Süden haben aber Stalin gezwungen, doch noch einmal zu dieser Taktik zu greifen, ohne daß sich ein Erfolg eingestellt hat. Die Offensive an der Mittelfront war nicht das Ergebnis großzügiger strategischer Planung, sondern ein Verzweiflungsakt, der um jeden Preis ein Gegengewicht schaffen sollte.
Sowjetischer Divisionsstab gefangen
dnb. Berlin, 30. August –
Zu den Kämpfen im Raum von Stalingrad teilt das Oberkommando der Wehrmacht noch folgende Ergänzung mit: In dem festungsartigen Gelände von Stalingrad entwickelten sich harte Kämpfe mit verbissen sich Wehrenden Feindgruppen. Zäh verteidigten die Bolschewisten Bunker um Bunker, aber nichts konnte den deutschen Stoß aufhalten. Der Feind wurde vernichtend geschlagen. Wo er sich erneut zum Kampf stellte, wurde er angegriffen, aufgerieben und viele Gefangene wurden eingebracht. Immer wieder mußten von den tapferen deutschen Infanteristen, Pionieren und Panzersoldaten zäh verteidigte Widerstandsnester genommen werden. Trotzdem gewann der kühne Angriff rasch an Boden. Mit welchem Schneid und Schwung der Angriff durchgeführt wurde, beweist die Gefangennahme des Stabes einer Sowjetschützendivision‚ der‚ vollkommen überrascht, keinen Ausweg mehr finden konnte. Die Verluste des Gegners sind schwer, die Beute an Kriegsmaterial aller Art ist hoch, die Zahlen der eingebrachten Gefangenen steigen fast stündlich.