Roosevelts Falschspiel
vb. Wien, 12. Februar – Je mehr das amerikanische Volk durch die Ereignisse der letzten Monate zu der Erkenntnis oder besser zu einem Gefühl für das blutige Verhängnis erwacht, in das die Roosevelt-Politik die USA gebracht hat, umso mehr entsteht für Roosevelt die Notwendigkeit, die verwirrten Gefühle seines Volkes weiter zu verwirren, um von der konfusen Konstellation abzulenken, in die er sein Land im offenen Widerspruch zur echten amerikanischen Tradition geführt hat.
Blätter wie zum Beispiel die Chicago Tribune haben bereits lange vor dem Kriegseintritt der USA dargelegt, dass Roosevelt der Mittelpunkt einer gigantischen Verschwörung zur Herbeiführung des Krieges sei. Dabei spiele Roosevelt ein gerissenes Doppelspiel nach zwei Seiten, um äußerlich unversöhnliche Gegner für die Ziele seiner Kriegspolitik gemeinsam einzuspannen. Den New-Deal-Leuten wolle er den Krieg schmackhaft machen, indem er unterstreiche, dass am Ende eines die ganze Wirtschaft revolutionierenden Krieges selbstverständlich eine völlige Umorganisierung der Wirtschaft stehen werde. Gleichzeitig habe Roosevelt versucht, den Bankiers von Wall Street den Krieg schmackhaft zu machen, indem er ihnen die für die Rüstungsproduktion erforderliche Industrieexpansion anpries und durchblicken ließ, dass damit der ihnen damals so verhasste New Deal hinfällig werden würde.
Es ist eine erwiesene Tatsache, dass Roosevelt den Krieg herbeigeführt hat, um der Notwendigkeit enthoben zu sein, das Fiasko seiner Innenpolitik eingestehen zu müssen. Wenn nun, wenige Tage nach dem Beginn seiner vierten Amtsperiode in den USA. der größte innenpolitische Machtkampf seit 1937 entbrannt ist, als der Oberste Gerichtshof der USA die Rechtskraft eines wesentlichen Teiles der New-Deal-Gesetzgebung bestritt und den Präsidenten zwang, diese Teile außer Kraft zu setzen, so ist das als ein bedeutsamer innenpolitischer Vorgang zu werten.
Roosevelt ist sich völlig darüber klar, dass er mit einer relativ geringen Stimmenmehrheit gewählt wurde, weil das amerikanische Volk nach dem Grundsatz handelte, man könne die Pferde nicht wechseln mitten im Strom. Es ist charakteristisch, dass er aus dieser Erkenntnis heraus seine vierte Amtsperiode damit beginnt, dem amerikanischen Volk Innenpolitische Ventile für die wachsende Unzufriedenheit anzubieten.
Die im Volk wachsende Enttäuschung über den Krieg versucht er durch eine gewisse Rückkehr (ob nur äußerlich oder ob echt, sei dahingestellt) zum New Deal aufzufangen. Die ihm angebotenen Rücktritte der beiden letzten New-Deal-Persönlichkeiten im Kabinett, nämlich des Innenministers Ickes und der Frau Arbeitsminister Perkins, hat er abgelehnt und damit ihre Gegner vor den Kopf gestoßen. Gleichzeitig will er an Stelle von Jesse Jones seinen bisherigen Vizepräsidenten Henry Wallace als Handelsminister einsetzen.
Der über diese Frage entbrannte Kampf hat bereits groteske Formen angenommen. Der Bankier Jones, der die Unterstützung der Geschäftswelt genießt, hat Wallace der Weltfremdheit und absoluten Untauglichkeit für den Posten des Handelsministers bezichtigt. Der Handelspolitische Ausschuss des Senats hat sich gegen Wallace erklärt, angeblich gibt es sogar im Senat eine schwache Mehrheit gegen ihn. Trotzdem erscheint es den Freunden von Wallace fast sicher, dass er mit Hilfe des Präsidenten Handelsminister wird und dass Jones auch die Leitung der überaus wichtigen Bundesanleiheverwaltung verliert an einen für den neuen Handelsminister genehmen Kandidaten. Wallace Ist nämlich einer der treuesten Gefolgsmänner Roosevelts, dessen Vizepräsidentschaft dieser bereits 1941 gegen den Widerstand seiner eigenen Partei noch einmal durchgesetzt hatte.
Wallace hat nirgendwo besondere Erfolge zu verzeichnen gehabt: ob er nun als Sonderbotschafter Roosevelts nach Mexiko reiste oder in Sondermission nach China entsandt wurde, ständig kehrten in solchen Fällen die Gerüchte wieder, Roosevelt habe einen damaligen Vizepräsidenten lediglich weggeschickt, damit er in diffizilen Angelegenheiten zu Hause keinen Schaden anrichten könne.
Wenn Roosevelt einen solchen Mann nun zum Handelsminister macht, so tut er es, um ein gefügiges Werkzeug in prominenter Stellung zu behalten und gleichzeitig Kräften freie Bahn zu geben, die hinter diesem Manne stehen. Der zurzeit mächtigste Freund von Wallace ist zweifellos der Jude Hillman, der es fertiggebracht hat, nach dem Ausscheiden von Lewis, einem bekannten Gegner Roosevelts, den maßgebenden Einfluss auf die CIO-Gewerkschaften zu gewinnen. Er hat auch die in den letzten Jahren mehr und mehr aus ihren Ämtern verdrängten New-Deal-Anhänger Roosevelts um sich gesammelt und im Jahre 1944 mit ihnen und Vertretern der Gewerkschaften das PAC (Political Action Committee) gegründet. Dieser politische Aktionsausschuss hat das Seinige getan, um Roosevelt Wählerstimmen zu zuführen.
Roosevelt hat den beispiellosen Aufstieg Hillmans begünstigt, so gut er konnte, denn er wusste ja, dass Hillman sein Mann war, und Hillman hat in der Tat das Seinige dazu beigetragen, die knappe Mehrheit für Roosevelt im letzten Wahlkampf zu gewährleisten.
Bei der Verfilzung Roosevelts mit dem Judentum würde es an und für sich nicht überraschend sein, dass er auch den Juden Hillman für seine Ziele einsetzt. Aber gerade in dieser Phase der Rooseveltschen Innenpolitik zeigt sich wieder einmal sein diabolisches Geschick, Menschen verschiedener Lager gleichzeitig für sich arbeiten zu lassen. Schon im Büro für Kriegsproduktionsplanung hatte Roosevelt den Juden Hillman zusammen mit dem ehemaligen Generaldirektor von General Motors, Knudsen, eingesetzt, ein Doppelgespann, das einander wesensfremder kaum hätte gesucht werden können, ein Doppelgespann aber, das der Rooseveltschen Politik gemeinsame Unterstützung aus zwei gegnerischen Lagern brachte.
Die Berufung des Hillman Mannes Wallace auf den Posten des Handelsministers kommt nur kurze Zeih nach der Ernennung von Edward Stettinius jun. zum Außenminister, dem wichtigsten Posten im Washingtoner Kabinett. Dieser Vertreter aus der Schwerindustrie hat seinerseits auch Vertreter des Großkapitals an sich herangezogen. Ob es sich dabei um den Unterstaatssekretär Grew oder die Unterstaatssekretäre Clayton, Nelson Rockefeller, McLeish, Acheson und Dünn handelt – sie alle gehören in die gleiche Gruppe von Freunden des Großkapitals.
Es war bezeichnend, dass an Stelle von Cordell Hull kein typischer Vertreter des demokratischen Südens wieder ins Washingtoner Staatsdepartement einzog, sondern stattdessen Herr Stettinius. Ebenso bezeichnend ist, dass mit dem farblosen Vizepräsidenten Truman der Handelsminister Wallace als Kabinettssprecher der Hillman-Gruppe auftritt. Wie Roosevelt vom Kreise seiner zahlreichen persönlichen Berater, die nur im Weißen Haus einen Platz haben, ohne im Übrigen zur Administration zu gehören, einmal den einen, einmal den anderen bevorzugt und immer jeden gegen jeden ausspielt, so hat er nun im Kabinett mit dem Eintritt von Henry Wallace eine starke New-Deal-Gruppe mit noch stärkeren Hintermännern in den Sattel gehoben. Er hat ihre unversöhnlichen Gegner der New-Deal-Wirtschaftspolitik als Kabinettskollegen an die Seite gesetzt und hält sich den Juden Morgenthau als Finanzminister zwischen beiden Gruppen.
Roosevelt hat die Karten geschickt gemischt. Aber seine Falschspielermethoden, wenn sie auch nicht überall durchschaut werden, lassen doch seine eigene wachsende Unsicherheit erkennen. Und auch diese Methoden haben schließlich ihre vom selbstgeschaffenen Spiel gesteckten Grenzen. In ihrer Wirksamkeit stehen und fallen sie mit einer Grundvoraussetzung, die in der Innenpolitik der USA gilt wie in der Außenpolitik, nämlich dass Roosevelt Trumpf bleibt.