Rosenberg: Nüchternheit und Hysterie in der britischen Politik
Von Alfred Rosenberg
Immer mehr hören wir von jüdischen und amerikanischen Plänen nicht nur zur Vernichtung des Deutschen Reiches, sondern auch über die buchstäblichen Dutzenden von Millionen zugedachte Verschleppung und Ausrottung. Aber nicht nur von jenseits des Ozeans dringen derartige Planungen zu uns herüber und nicht nur seitens des Bolschewismus werden solche eindeutigen Drohungen ausgesprochen, sondern ebenfalls von Vertretern Groß Britanniens. Wenn man von berufsmäßigen Hetzern absieht, so ist mancher sicher erstaunt gewesen, Pläne namentlich über die Ausrottung unserer Jugend aus dem Munde sogenannter britischer Geistlicher, neuerdings aber auch englischer Offiziere zu vernehmen.
Im Großen und Ganzen galt der Engländer auf dem Festlande als ein außer ordentlich nüchtern überlegen der Geschäftsmann, der sein Ver halten Europa gegenüber ebenso nach kaufmännischen wie nach seiner Politik sichernden Gesichtspunkten einzustellen gewohnt war. Das Postulat eiskalter britischer politischer Gedanken und Handlungen war auch bei uns weit verbreitet, und zweifellos war eine solche Vorstellung geschichtlich durchaus berechtigt. Die großen Staatsmänner der britischen Vergangenheit, etwa vom Beginn bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus, haben bei aller humanitären Phraseologie und dem Massenverbrauch religiöser Begriffe in den Wahlkämpfen ihr außenpolitisches Handeln tatsächlich nur nach nüchternen machtpolitischen und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten ausgerichtet und die jeweiligen Bundesgenossen niemals aus Überzeugung oder Dankbarkeit an sich gefesselt, sondern sie, nachdem ihr Einsatz für Großbritannien nicht mehr zweckmäßig erschien, fallengelassen, um sich, gestützt auf eine nahezu unangreifbare insulare Lage, neue Bundesgenossen für kommende Auseinandersetzungen zu wählen. Selbst der Krieg von 1914 konnte teilweise noch unter den Gesichtspunkten dieser von seiten Großbritanniens – ob richtig oder falsch, mag dahingestellt bleiben – nüchternen Politik gewertet werden. Dann setzten aber immer bemerkbarer Tendenzen ein, die man mit solchen Abwägungen nicht mehr zu erklären vermag, die vielmehr schon rein hysterische, ja pathologische Züge aufweisen. Das, was sich jetzt an Hassausbrüchen in England zeigt, läßt einen Zug Großbritanniens hervortreten, der früher zwar vorhanden, in den letzten Jahrzehnten aber besonders deutlich geworden ist.
Neben dem nüchternen englischen Geschäftsmann wirkten in England – vielleicht als Auspuffventil für die wohlgeordnete Langweiligkeit des britischen Lebens – stets auch sektiererische Züge mit, die zu verschiedenen Zeiten in allen Lagern in Erscheinung traten. Wir erlebten die merkwürdige Tatsache, daß aus dem alttestamentarischen Puritanismus heraus sich in England Gesellschaften bilden konnten, die den Nachweis versuchten, daß die Engländer nichts anderes als die verschollenen zehn Stämme Israels darstellten, daß die Prophezeiungen der Bibel auf die Engländer als auserwähltes Volk gemünzt seien. Und als weitere Konsequenz dieser Sektiererei sehen wir die englische Heilsarmee mit Pauken und Trompeten, Psalmensingen und merkwürdigen „militärischen“ Gewohnheiten ins Leben treten. Diese Bewegung der Heilsarmee, die Tausende und aber Tausende umfasste und organisierte, trug alle Zeichen einer sozialen Hysterie an sich, die sich weltanschaulich auch noch auf anderen Gebieten äußerte. So war gerade England ein Hauptsitz der spiritistischen Bewegungen. Ihnen gehörten nicht nur Zirkel sich langweilender Ladies an, sondern Schriftsteller wie Conan Doyle, Physiker wie Crookes waren überzeugte Geisterseher und widmeten den Großteil ihres Lebens der Tischklopferei und Geisterbeschwörung. Andere Gruppen gründeten theosophische Zirkel, reisten nach Indien, um dort Seeleninkarnationen zu ergründen.
Die Frau Annie Besant reiste mit ihrem wiedergeborenen Buddha durch ganz Europa, und es gab zweifellos Leute, die das nicht nur lehrten, sondern hysterisierend auch glaubten.
Als die Frauenbewegung sich im europäischen Leben ankündete, waren die englischen Suffragetten kennzeichnend für die extrem hysterische Seite dieser an sich verständlichen Bestrebungen, die sich merklich von anderen Bewegungen auf dem europäischen Kontinent unterschieden. Die Aufpeitschung dieser in manchen Unterströmungen das englische Leben kennzeichnenden Leidenschaften zeigte sich auf dem Gebiete der Politik in manchen für uns gänzlich unverständlichen Presseerscheinungen, in der fast ausschließlich auf Sensationen gerichteten Berichterstattung in der Großpresse, die nur in wenigen Zeitungen, wie der Times, ihr nach außen nüchternes Gegengewicht fanden. Alle diese Strömungen sind, wie gesagt, in den letzten Jahrzehnten immer stärker geworden, und dementsprechend sind nüchterne Überlegungen nicht immer ausschlaggebend im britischen Leben gewesen.
Der Haß gegen Deutschland gehörte nun in steigendem Maße zu jenem Mittel unterweltlicher Politik, die eventuelle nüchterne Überlegungen immer erneut durchkreuzte. Es hat in England eine ganze Menge nüchterner, kluger Politiker in allen Schichten der Bevölkerung gegeben, die einen Krieg gegen Deutschland, besonders nach den negativen Ergebnissen für England nach 1918, als einen politischen Wahnsinn empfanden und auch als solchen bezeichneten. Sie hatten gesehen, daß man mit dem alten, früher vielleicht verständlichen Wort des Gleichgewichts der Kräfte, in dem man das französische und das deutsche System sich abwechselnd gegenüberstellte, nicht mehr auskam, weil im Osten eine zentralistisch-bolschewistische, alle bedrohende Großmacht aufgetreten war, die nur durch einen anderen Block hätte mattgesetzt werden können als durch das Kräftespiel im Sinne des 19. Jahrhunderts. Auf diesen Bolschewismus und seine Gefahr haben viele hingewiesen in voller Erkenntnis der politischen Machtverlagerungen, manchesmal allerdings auch wieder mit einer Leidenschaft, die hysterisch und deshalb unwahr wirkte.
Inmitten dieser Veränderungen des britischen Lebens von der Nüchternheit zum schwankenden Urteil und zur pathologischen Unbeherrschtheit ist die Persönlichkeit Winston Churchills gleichsam ein Symbol dieser Zeit geworden. Eine Zeitlang liberal, dann konservativ, anfangs extrem antibolschewistisch, jetzt probolschewistisch in einer kaum noch zu überbietenden Weise, einmal streng in parlamentarischer Opposition, das andere Mal, während der Abdankung Eduards VIII., mit einer Königspartei zu dessen Schutz liebäugelnd, so sprang dieses Mann von einem Lager zum andern, immer nur auf eins bedacht: entweder an der Macht zu bleiben oder, falls das nicht gelang, durch alle nur irgendwie möglichen Mittel wieder an die Macht zu kommen. In den entscheidenden Jahren bis zum Ausbruch dieses Krieges ist dieser pathologische Motor Winston Churchill unentwegt dabei gewesen, nicht etwa nüchterne britische Politik zu treiben, sondern die oben kurz skizzierten hysterischen Gefühle im Britentum zu schüren und sie auf das Gebiet des politischen Vernichtungshasses gegen Deutschland zu lenken.
Diese Entwicklung gilt es zu sehen, wenn man sich erklären will, was sich in den letzten Jahren in England abspielte. Nimmt man noch hinzu, daß das mächtige jüdische Kapital in Großbritannien eindeutig sich auf die deutschfeindliche Seite stellte und alle dahinzielenden Kräfte finanzierte und einsetzte, so stehen wir vor der Tatsache, daß ein angeblich so nüchternes Volk wie das englische in entscheidenden Stunden seiner Geschichte diese frühere Nüchternheit vergaß und sein Schicksal Menschen anvertraute, die von pathologischen Gefühlen und nicht mehr politischen Überlegungen getragen wurden. Dieser Tatsache widerspricht durchaus nicht, daß das englische Volk sich einer einmal gefällten Entscheidung fügte. Hier zeigte sich die durchaus alte Haltung Englands, daß, wenn einmal so oder so eine Entscheidung gefallen war, sich die Nation geschlossen dieser Tatsache beugte. So sind auch die entschiedenen Gegner des Churchill-Kurses von ihrer Tätigkeit zurückgetreten und mußten achselzuckend und bedauernd diesen Kampf des Churchill-Englands mitmachen. Daß Churchill dabei eventuell doch gefährlich werdende Persönlichkeiten in großer Zahl einkerkern ließ, versteht sich von selbst.
England hatte nach dem ersten Weltkrieg seine Machtpositionen des 19. Jahrhunderts an die Vereinigten Staaten von Nordamerika abgetreten, der Traum eines Zwei-Flotten-Standards war für immer dahin, aus einem Gläubigerland war ein Schuldnerland geworden, und trotzdem gelang es, die pathologischen Gefühle nicht gegen einen neuen geschäftlichen Gegner zu richten, sondern gegen Deutschland. Und England bezahlt jetzt in diesen Jahren des Krieges dafür mit dem Verlust einer Machtstellung nach der andern. Die letzten englischen Millionen, die in Ostasien und in Südamerika investiert waren, sind nahezu dahingeschmolzen, von den eigenen Bundesgenossen, USA. und Sowjetunion, werden Indien und die Ölfelder des Nahen Orients bedroht, in Mittelamerika gehen britische Kolonien in Form von Stützpunkten in amerikanische Hände über, und das soziale Elend in England wächst von Jahr zu Jahr, wobei die Abhängigkeit von der Einfuhr jetzt und für die Zukunft immer größer wird. Es ist ein nahezu unverständlicher Weg gewesen, den Großbritannien eingeschlagen hat, er ist bis zu einer gewissen Grade nur dann verständlich, wenn man nicht nur nüchterne geschäftliche und politische Kalkulationen im Spiel der britischen Politik einsetzt, sondern noch jene unterirdischen, nur manchmal aus der Oberfläche herausbrechenden hysterischen Instinkte in Rechnung stellt, die sich auf dem Gebiet des Religiös-Philosophischen ebenso äußerten wie auf dem Gebiet des Sozial-Politischen. Auf dieser Welle eines pathologischen Hasses konnte allein ein Churchill zur Macht gelangen, er ist ein Symbol dieser Erscheinung des britischen Lebens. Englische Nationalpolitik ist von kleinen Epigonen übernommen und nicht verstanden worden und hat schmählich versagt angesichts der Probleme, die im 20. Jahrhundert geistig und politisch dem ganzen Kontinent, aber auch Großbritannien als einer Überseemacht gestellt worden waren.
In der Erkenntnis der inneren Notwendigkeit der großen sozialen und politischen Auseinandersetzung ist die nationalsozialistische Bewegung kämpferisch groß geworden und hat sich die redlichste Mühe gegeben, die Kulturvölker Europas über die ihnen gemeinsam drohende Gefahr aufzuklären. Die Entwicklungen sind aber nicht gleichzeitig gewesen. Während sich Deutschland unter einem harten Schicksal schneller entscheiden mußte, glaubten die sogenannten Sieger von 1918, sich in gemächlicher Form mit den Problemen auseinandersetzen zu können, und sind dann an dieser Problematik des 20. Jahrhunderts gescheitert: Sowohl die Franzosen, die jetzt die eigentlichen Auswirkungen dieser ganzen Entwicklung eines Jahrhunderts durchzumachen haben, aber auch die Briten, die glaubten, hochmütig abseitsstehen oder gar gegen uns hetzen zu können. Eine kommende Geschichtsschreibung wird Winston Churchill als Symbol eines solchen hysterischen Abweichens von ehemaligen britischen nüchternen politischen Kalkulationen und damit als ein Gleichnis eines britischen Niederganges zu schildern haben.