Die Yankee-Invasion Englands
Ein Amerikaner über das englisch-amerikanische Verhältnis
Bern, 29, Juni –
Unter der Überschrift „Die Invasion Englands von der anderen Seite“ veröffentlicht der Bund einen Bericht, den der Amerikaner Murphy aus London für die Zeitschrift Fortune geschrieben hat. Darin finden sich folgende bezeichnende Feststellungen:
Die Amerikaner sind in der Ansicht erzogen worden, die Briten seien unheilbar geziert, eigensinnig, insular und entschieden gleichgültig gegen das, was andere angeht. Aber diese Eigenschaften nützen den Briten heute wenig mehr. Ihre schon überfüllte und vom Krieg eingeklemmte Insel wird von Amerikanern überrannt. Wo man letzten Winter nach Tausenden rechnete, da zahlte die „Invasion,“ wie man das mürrisch nennt, nach hunderttausenden. Schon die rein körperliche Muhe, Platz zu machen, wird mit der Zeit eine Nervenprobe. Die Briten haben der US-Flotte ganze Häfen eingeräumt, sie haben Dorfer verlassen, um unseren Truppen Unterkunft zu geben. Selbst Felder und hecken, die sie seit Generations mit Liebe gepflegt hatten, wurden auf Gnade und Ungnade unseren Panzertruppen preisgegeben, die Platz zum Üben brauchen.
„Ich beginne zu verstehen, was die Indianer durchmachten,“ bemerkte kürzlich ein Engländer.
Züge, Kinos, Wirtschaften, Taxis, Hotels füllen sich mit Amerikanern, besonders in London. In den Speisesälen der Hotels Claridge und Savoy glänzt es von den Schulterabzeichen unserer Offiziere nicht weniger als im Carlton in Washington und die Engländer find manchmal an beiden Orten gleich selten. Das berührt einen kitzligen Punkt der anglo-amerikanischen Partnerschaft – den Geldbetrag, den der Reichere ausgeben kann. Reisende sagen, in aller Welt sei man entzückt über die Art, wie die Amerikaner mit Geld um sich werfen, aber im schwerbesteuerten und streng rationierten England wirft dieses Geldausgeben soziale Fragen auf, die den britischen Stolz verletzen. Wenn der englische Soldat die Steuer abgelegt hat, dann ist er zufrieden, wenn er sich und seinen Freunden gelegentlich ein Glas Bier gönnen darf. Von Bewirtschaftung scharf trinkender Amerikaner ist keine Rede. So fühle er sich in seinen eigenen Wirtschaften arm und niedrig. Ähnlich ist es bei den Fliegern. Man kann sich denken, welchen Schaden der Soldunterschied anrichten kann, besonders in weiblicher Gesellschaft. Es genügt nicht, dass Roosevelt und Churchill auch fernerhin zusammenkommen und dramatische Entscheidungen treffen. Der Amerikaner – es ist Zeit, dass wir es merken – ist ein eigener Kerl, wenn er mit Seidenstrümpfen und Lippenstift sich hinter britischer Weiblichkeit hermacht, in England, wo sich die Reichsten und Vornehmsten den Luxus verjagen müssen.