Völkischer Beobachter (September 24, 1944)
Oman sucht Rückendeckung
Der Sultan von Oman ist jüngst in Ägypten und Palästina gewesen. In Kairo wurden ihm bei seinem Besuch hohe Ehren zuteil. Der ägyptische Hof ist sehr auf seine Würde bedacht. Als gleichwertig erkennt er nur gekrönte Staatsoberhäupter völlig unabhängiger Länder an. So werden in Kairo der Prinzregent des Irak, Abdul Illah, da er kein König ist, und der Beherrscher des unter englischem Mandat stehenden Transjordanien, Emir Abdullah, nicht als ebenbürtig behandelt. Den omanischen Sultan, dessen Land für die übrige Weit eigentlich hur noch ein geographischer Begriff ist, weil es, wie die vielen indischen Fürstentümer, seine Selbständigkeit an England verlor, aber empfing man in der ägyptischen Hauptstadt wie einen König. Die Ausnahme wurde in seinem Fall gemacht, weil es sich bei Oman um ein Land handelt, das eine sehr hehre und uralte Geschichte hat. Denn Oman gehörte einstmals ein großes und starkes Kolonialreich. Sein Antlitz ist bisher hauptsächlich fast nur nach Osten und Süden gerichtet gewesen. Jetzt aber scheint es Anschluss an seine arabischen Bruderländer suchen zu wollen.
Oman, das an der Südostspitze der arabischen Halbinsel liegt, hat seine begünstigte geographische Lage seit jeher ausgenutzt. Schon in legendären Zeiten haben seine Seefahrer einen emsigen Handel mit Indien und darüber hinaus bis nach China getrieben. Oman besaß die der persischen Stadt Bandar Abbas vorgelagerte Insel Ormus (Hormus), wodurch es auch zur Beherrscherin des Landweges nach Indien wurde. Von jener lange zurückliegenden Zeit her kann es noch heute in Belutsehistan eine „Kolonie,“ den Ort Djawadar (Gwadar), sein eigen nennen. Im Jahre 908 schickte es erste Siedler nach Ostafrika, dem die Omanen die Bezeichnung Zinj (gleich Schwarz) gaben. Zinj ist die Wurzel des Namens Sansibar. Im Jahre 1203 unterwarf ein omanischer Sultan die ganze ostafrikanische Küste bis hinunter nach dem heutigen Mosambik. Die Insel Sansibar war ein Teil dieses weitausgestreckten Kolonialgebietes. Arabische Baukunst und Literatur blühten damals auf ostafrikanischem Boden auf. Ein schwunghafter und sehr einträglicher Handel wurde mit den Negerstämmen des Inlands betrieben.
Dann aber kamen die Portugiesen. Vasco da Gama dankte einem bestochenen omanischen Lotsen, daß er 1498, mit seinen Schiffen von Ostafrika kommend, Calicut glücklich erreichte. Portugal, das dadurch in Indien Fuß fassen konnte, suchte sich daraufhin den Seeweg dorthin endgültig zu sichern. Es machte sich deshalb daran, die Oman-Araber aus Ostafrika zu vertreiben und alles von ihnen Geschaffene rücksichtslos zu zerstören. Doch noch besaß Oman Ormus den Schlüsselpunkt des Landwegs nach Indien. Er vermochte infolgedessen auf diesem erfolgreich mit dem portugiesisch-indischen Seehandel zu konkurrieren. Mittler waren dabei ägyptische Händler und venezianische Segler, die in jener Zeit auf dem Mittelmeer noch sehr mächtig waren. Ormus war deshalb den Portugiesen ein Dorn im Auge. Nach langen, schweren Kämpfen gelang es ihnen schließlich 1515, den so wichtigen Ort zu erobern. Damit begnügten sie sich jedoch nicht. Sie besetzten auch verschiedene omanische Hafenorte, darunter die Hauptstadt des Landes Maskat.
Bald aber traten die Engländer auf der indischen Bühne auf. Es fiel ihnen nicht schwer, die Portugiesen dort schachmatt zu setzen. Aber noch beherrschten diese den Persischen Golf. Mit Omans Hilfe wurde dann die Vormachtstellung gebrochen, die Portugal auf dem Land- und Seeweg nach Indien hatte. Nachdem der Persische Golf von den Sendlingen der Konkurrenzmacht – die die englische Politik heute verlogen ihren „ältesten Alliierten“ nennt – gesäubert worden war, wurden die letzten Portugiesen 1689 aus Ostafrika bis an die Grenze von Mosambik vertrieben. Jetzt konnte Oman an den Wiederaufbau seines alten Kolonialreiches gehen. Sansibar entwickelte sich in der zweiten Blüteperiode von Omanisch-Ostafrika in solchem Maße, daß ein omanischer Herrscher sich 1832 auf der fernen afrikanischen Insel eine zweite Residenz errichtete. So war es ein omanischer Sultan, von dem Deutschland durch Verträge in den Jahren 1885 und 1888 in den Besitz bedeutsamer Teile Ostafrikas und von Sansibar gelangte, um letzteres 1889 für die Rückgabe von Helgoland an England abzutreten.
Oman ist noch in jüngerer Zeit so mächtig gewesen, daß Napoleon mit ihm bei dem Unternehmen gegen Indien liebäugelte. Nach dem Sturz des Korsen sah es deshalb England darauf ab, das Land am Ausgang des Persischen Golfs noch enger an sich zu binden. Portugal und Frankreich waren freilich im Vorraum von Indien nicht mehr zu fürchten. Stattdessen aber zeichnete sich dort bereits sehr deutlich eine russische Gefahr ab. So schloss England 1833 mit Oman einen Freundschaftsvertrag. Aus dem „Freunde“ ist indessen mit der Zeit immer mehr ein willenloser Vasall geworden. 1902 berief Lord Curzon als Vizekönig von Indien nach der Hauptstadt Omans, Maskat, eine Versammlung von arabischen Fürsten und Scheichs ein, um diese anzuwettern, auf dem Persischen Golf dürfe allein der Einfluß Englands maßgebend sein. Das geschah, weil der russische Zar 1900 unter Ausnutzung des Burenkrieges mit dem Schah von Persien einen Anleihevertrag abgeschlossen hatte, der Rußland das Recht gab, zur Besetzung, allerdings nur einer verschleierten, der persischen Hafenstädte Buschir und Bandar Abbas zu schreiten.
Das einstmals so mächtige, aber seit Jahrzehnten nur noch im Schatten Englands existierende Oman ist auch heute noch ein verhältnismäßig wohlhabendes Land. Das über 3000 Meter hohe Gebirge Al-Dschabal Al-Achdar (Grüner Berg) trennt es von der Rub al Khali (das leere Viertel) genannten innerarabischen Wüste. Der schroffe Gebirgsrücken und der breite Wüstenstreifen haben bewirkt, daß Oman als einziges arabisches Land niemals von den türkischen Sultanen unterworfen wurde. In dem Land herrscht drunten am Meer ein tropisches Klima, aber an den Hängen des Gebirges sind die Sommermonate gemäßigt. Es werden dort Trauben, Oliven, Granatäpfel und manche vorzüglichen Obstsorten für den eigenen Verbrauch und für die Ausfuhr nach Indien gewonnen. An der Küste sind Plantagen zu finden, die erstklassige Baumwolle und reiche Dattelernten hervorbringen. Auch von diesen Erzeugnissen wird vieles nach Indien geliefert. Die Omanen sind bis heute kühne Seefahrer geblieben. Als weitere Wohlstandsquelle dient ihnen die Perlfischerei. Dadurch, daß in den Küstenstreifen Omans gewinnbringende Ölvorkommen entdeckt wurden, ist das Land neuerdings zum Ausbeutungsobjekt des angelsächsischen Ölimperialismus geworden.
Seit nahezu 250 Jahren herrscht über Oman die Dynastie Al Bu-Said. Der heutige Sultan führt den Namen Sayed Said bin Taimur. Er ist erst 21 Jahre alt, kam aber schon 1932 zur Regierung. Man sagt von ihm, er sei den Veranlagungen und dem Temperament nach seinem großen Vorfahren würdig. Warum sucht dieser junge Sultan, nachdem sein Land viele Jahrhunderte hindurch sehr selbstbewusst ganz andere Wege gewandelt ist, jetzt Anschluss an die übrige arabische Welt zu finden? Was er bei seinem kürzlichen Kairoer Besuch mit König Faruk besprach, ist bisher Geheimnis geblieben. Aber in Kairo verlautet, Sayed Said fühle sich im Schutze Englands nicht mehr sicher. Er wende sich an die arabischen Bruderländer aus Angst vor der Sowjetunion, die schon im Iran gebietet und auch im Irak ihren Einfluß zusehends vermehrt.
W. v. D.