Völkischer Beobachter (December 31, 1943)
Die Kriegslage an der Jahreswende
Kriegführung auf der inneren Linie
Von Wilhelm Weiß
Dr. Goebbels spricht zur Jahreswende
dnb. Berlin, 30. Dezember –
Reichsminister Dr. Goebbels hält am Silvesterabend zur Jahreswende eine Ansprache an das deutsche Volk. Die Rede wird um 20 Uhr über alle deutschen Sender übertragen.
Bürge des Sieges
München, Ende Dezember 1943 –
Jede Beurteilung der militärischen, lage wird von der Frage auszugehen haben, welche operativen Absichten, die Entschlüsse des Gegners bestimmten und welcher Erfolg seinen Plänen beschieden war. Die sowjetrussische Großoffensive von 1943 hatte sich das Ziel gesetzt, die deutschen Heere zu schlagen und nach dem Einsturz der deutschen Schutzmauer nach Mittel- und Westeuropa durchzubrechen, um den ganzen Kontinent zu bolschewisieren. Wir haben in dem vorhergehenden Aufsatz geschildert, wie der Feind keines dieser Ziele erreicht hat. Damit schließen die militärischen Ereignisse im Osten mit einem Ergebnis ab, das auf die Gesamtkriegslage einen entscheidenden Einfluß ausübte. Denn dieser Krieg wird einmal in die Geschichte als der Weltkampf eingehen, in dem Deutschland das Abendland vor dem bolschewistischen Sturm aus dem Osten rettete. Was demgegenüber an der europäischen Südfront vor sich ging, ist rein militärisch keineswegs von untergeordneter Wichtigkeit. Aber eines ist sicher, daß eine Katastrophe im Osten auch auf die Lage im Süden und Südosten unmittelbar in verhängnisvoller Weise zurückgewirkt hätte. Umgekehrt steht das magere Ergebnis der anglo-amerikanischen Anstrengungen in Süditalien unverkennbar in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem deutschen Abwehrerfolg gegen Sowjetrußland. Die Abhängigkeit, in die die Strategie der englischen und amerikanischen Generale von der Kriegführung ihrer bolschewistischen Kollegen geraten ist, konnte sich nicht drastischer offenbaren als in dem offenkundigen Mißerfolg ihrer eigenen Operationspläne. Für das Mißverhältnis zwischen dem, was man wollte, und dem, was man erreichte, lieferten die Kämpfe an der Südfront im abgelaufenen Jahr ein klassisches Beispiel.
Als Roosevelt und Churchill am 14. Jänner ihre Konferenz von Casablanca veranstalteten, da fanden sie allerdings eine Lage vor, die geeignet war, ihrem mit der Landung in Westafrika verbundenen Invasionsplan den ersten unangenehmen Aufenthalt zu bereiten. Denn schon acht Tage nach der amerikanisch-englischen Landung vom 8. November 1942 besetzten deutsche Luftlandetruppen in kühnem, schnellem Entschluß Tunesien. Der deutsch-italienischen Panzerarmee, die vor der Übermacht der englischen Streitkräfte des Generals Montgomery sich langsam aus der Cyrenaika und aus Libyen zurückzog, wurde auf diese Weise in Tunis eine Aufnahmestellung vorbereitet. Churchill selbst war es, der anläßlich seines Besuches in Amerika eingestand, daß die Engländer und Amerikaner gehofft hatten, nach der Landung in Nordafrika die Armee Rommels von Osten und Westen in die Zange zu nehmen und in kurzer Zeit aufzureiben. Die Absicht wurde durch die Bildung des deutschen Brückenkopfes Tunesien fürs erste verhindert. Und als dann am 13. Mai das Oberkommando der Wehrmacht bekanntgab, daß der Widerstand der Achsentruppen nach heldenhaftem Kampfe sein Ende erreicht hatte, da waren immerhin mehr als sechs Monate seit dem Tage vergangen, an dem die feindlichen Heere ihren Vormarsch antraten, um den gegen die europäische Südfront gerichteten Angriff in die Tat umzusetzen.
Was hernach folgte, kann nicht mehr als das bezeichnet werden, was man normalerweise unter einem Krieg zwischen ebenbürtigen Gegnern versteht. Heute wissen wir, daß den Landungstruppen Eisenhowers auf Sizilien am 10. Juli von italienischer Seite- überhaupt kein Wille zur ernsthaften Verteidigung der Insel gegenübertrat. Wenn trotzdem der Vormarsch des Feindes auch auf Sizilien noch wochenlang aufgehalten wurde, so war das allein das Verdienst der beiden deutschen Eingreifdivisionen, die erst nach erbittertem Widerstand die Insel unter Mitnahme des gesamten Kriegsgerätes räumten. Selbst der englische Oberbefehlshaber, General Montgomery, konnte nicht anders, als dem meisterhaften Rückzug der deutschen Truppen über die Meerenge von Messina öffentlich seine Anerkennung auszudrücken.
Die Krise
Die Eroberung Siziliens war daher ebenso wenig wie die anschließende Landung in Unteritalien ein Meisterstück der feindlichen Kriegführung, sondern das wenig rühmliche Ergebnis jenes von langer Hand vorbereiteten Verrates der italienischen Hofclique und ihrer Salongenerale, die sich am 25. Juli durch einen erbärmlichen Staatsstreich gegen den Duce in den Besitz der politischen und militärischen Gewalt zu setzen wußten. Dieses Urteil hat im Übrigen niemand anders als der englische Militärschriftsteller Liddell Hart selbst kürzlich in aller Öffentlichkeit abgegeben. Jene sechs Wochen des schändlichen Doppelspiels, das die Regierung Badoglio mit dem deutschen Verbündeten zu treiben versuchte, sind heute schon als ein nicht mehr zu überbietendes Beispiel politischer und militärischer Ehrlosigkeit in die Geschichte eingegangen. Der von Badoglio im geheimen Einverständnis mit dem Feinde verfolgte Plan ist dank der Wachsamkeit der deutschen Führung mißglückt. Aber eines steht fest: Wäre er gelungen, so hätte er die deutschen Stellungen nicht nur in Italien, sondern überhaupt in Südeuropa der gefährlichsten Belastung ausgesetzt und sie in die schwierigste Lage gebracht. Denn in der Zeit unmittelbar vor der Kapitulation Badoglios am 4. Beziehungsweise 8. September befand sich die deutsche Kriegführung in ihrem kritischsten Stadium. Damals hatte die feindliche Strategie die große Chance, mit einigen entschlossenen Operationen gegen die Küsten nicht nur Italiens, sondern auch des Balkans der deutschen Verteidigung 'einen entscheidenden Schlag zu versetzen. Damals standen die innerlich bereits abgefallenen Streitkräfte Roattas und Ambrosios noch überall teils im Rücken, teils in der Flanke der zahlenmäßig unterlegenen deutschen Verbände. Damals bestand die Gefahr, daß eine jener von Churchill wiederholt angekündigten „amphibischen Operationen“ erfolgreich bis nach Oberitalien oder etwa von der dalmatinischen Küste aus bis in das Herz der Balkanstellung durchstoßen und die Verbindung mit den feindlichen Aufstandsheeren herstellen würde.
Aber zu dem kühnen und blitzschnellen Handeln, zu dem sich seinerseits der Führer augenblicklich mach dem offenen Verrat entschloß, vermochte sich die feindliche Kriegführung nicht aufzuraffen. Während Badoglio in der Kapitulationsurkunde sich ausdrücklich zu bewaffnetem Einsatz der italienischen Wehrmacht gegen Deutschland verpflichtete, hatte der Führer bereits die notwendigen Gegenmaßnahmen getroffen, um die Durchführung dieser Bedingung radikal zu vereiteln:
Ich habe pflichtgemäß alle jene Maßnahmen angeordnet, die getroffen werden konnten, um das Deutsche Reich vor einem Schicksal zu bewahren, das Marschall Badoglio und seine Männer nicht nur dem Duce und dem italienischen Volke zugefügt haben, sondern in das sie auch Deutschland stürzen wollen.
Dieser Erklärung des Führers in seiner Rundfunkansprache vom 10. September war unterdessen die Tat bereits vorausgegangen. Die italienischen Streitkräfte in Italien und auf dem Balkan wurden von den deutschen Verbänden rasch entwaffnet und unschädlich gemacht. Rom wurde von den Truppen Kesselrings besetzt. Die feindliche Landung bei Salerno am Tage der öffentlichen Bekanntgabe der Kapitulation traf bereits auf den vorbereiteten Widerstand deutscher Abwehrdivisionen. Seitdem ist der anglo-amerikanische Vormarsch zum Brenner sosehr ins Stocken geraten, daß er über die Apenninenpässe weit südwärts von Rom noch nicht hinausgekommen ist. Obwohl sich Badoglio bemühte, alle Kapitulationsbedingungen – wie ihm von englisch-amerikanischer Seite bestätigt wurde – „mit größter Genauigkeit“ auszuführen, ist es der feindlichen Kriegführung nicht gelungen, die militärische Lage an der Südfront Europas zu ihren Gunsten entscheidend zu verändern. Im Gegenteil: die italienische Inselgruppe in der Ägäis, die von feindhörigen Badoglio-Truppen besetzt war und den Durchbruch zur griechisch-thrazischen Küste geradezu herausforderte, wurde in kühnen, handstreichartigen Unternehmungen von der deutschen Wehrmacht besetzt. Eine nicht wiederkehrende Gelegenheit ist den Feindmächten auch hier verlorengegangen. So groß die Gefahren waren, die die Entwicklung der Ereignisse im Mittelmeerraum für das Reich in diesem Jahr mit sich brachte, so wenig wußte die Kriegskunst der feindlichen Generale und Marschälle die Gunst des Augenblicks zu nützen. Das Ansehen, mit dem man sie in ihrer Heimat monatelang und vorschußweise umgab, ist, wie man heute feststellen darf, weitgehend in die Brüche gegangen.
Großraumprobleme
Die strategischen Probleme, vor die sich heute alle Kriegführenden gestellt sehen, sind mit den Erfahrungen des ersten Weltkrieges nicht mehr zu vergleichen. Der entschlossene und zielbewußte Ausbau des Kontinents zu einem militärischen Bollwerk ersten Ranges stellt auch die Feindmächte vor ganz neue Schwierigkeiten besonderer Art. Damals war im wesentlichen Mitteleuropa der Kriegsschauplatz, auf dem unsere Feinde einen konzentrischen Ring um die Mittelmächte gelegt hatten. Dieser zweite Weltkrieg ist großräumiger geworden und demgemäß hat seine Strategie globale Ausmaße angenommen. Das Kennzeichen der Operationen gegen die Riesenfront zwischen dem Eismeer und der Ägäis, zwischen dem Nordkap und den Pyrenäen besteht immer mehr und mehr in der Entfaltung einer gewaltigen Organisationskraft, die ebenso sehr die Bezirke der reinen Kriegskunst und der Rüstungswirtschaft umfaßt, wie sie die Meisterung schwierigster Nachschubaufgaben und des allerschwierigsten Transportproblems erfordert. England allein ist diesen Anforderungen längst nicht mehr gewachsen. Auch das hat dieses Kriegsjahr eindeutig gelehrt: Nur in einer gemeinsamen gewaltigen Anstrengung Englands und US-Amerikas ist es möglich gewesen, an der schwächsten Stelle Europas überhaupt ein Landungsunternehmen zu wagen. Es besteht daher gar kein Zweifel, daß in dem Erfordernis, die Kriegführung der drei Weltmächte gegen das Reich militärisch und operativ mit einander in Einklang zu bringen, für unsere Gegner bisher stets das schwierigste Problem lag. Es wundert uns daher auch nicht, wenn gerade in diesem Jahre der Konferenzbetrieb auf der Feindseite seinen Höhepunkt -erreichte. Man mußte schon nach Casablanca, nach Washington, nach Ottawa, nach Kairo, nach Moskau, nach Teheran mit dem ganzen Aufgebot sachverständiger Generalstäbe reisen, wenn man nicht Gefahr laufen wollte, das, was man auf dem einen Kriegsschauplatz gewonnen hatte, durch eine Niederlage auf dem anderen wieder zu verlieren.
Edens Geständnis
Wie es aber mit der „völligen Übereinstimmung bezüglich der künftigen Operationen auf allen Kriegsschauplätzen,“ wie Churchill schon vor mehr als einem halben Jahr triumphierend bekanntgab, in Wirklichkeit bestellt war, das hat an sich schon, der unprogrammäßige Verlauf der Feldzüge im Osten und im Süden gezeigt. Darüber hinaus verdanken wir wieder Herrn Eden ein wertvolles Geständnis, das er in seiner Unterhausrede vom 14. Dezember abgelegt hat. In Teheran sei man, so sagte er, zu einem vollen Übereinkommen über die Operationen im Osten, Westen und Süden gelangt. Dem fügte er wörtlich hinzu:
Bis jetzt konnten wir in diesem Kriege den alliierten Völkern keine solche Mitteilung machen.
Es gehörte also offenbar in das Gebiet des Nervenkrieges, was man bei früheren Gelegenheiten der Welt über die „völlige Übereinstimmung“ zwischen allen feindlichen Generalstäben und ihren Absichten erzählt hat.
Nach der Erklärung Edens steht nunmehr fest, daß über die Frage, ob, wann und wo der gemeinsame und konzentrische Angriff auf die deutschen Fronten vor sich gehen sollte, im vergangenen Jahr zwischen Moskau, London und Washington keine Einigung erzielt wurde. Man kann das, wenn man von den politischen Interessengegensätzen ganz absieht, auch aus militärischen Gründen verstehen. Die Übereinstimmung der gemeinsamen Operationen gegen den von Deutschland militärisch beherrschten Kontinent erfordert zunächst einmal von unseren Feinden die uneingeschränkte Beherrschung ihrer Verbindungswege untereinander. Diese Verbindungen zwischen Anglo-Amerika und Sowjetrußland bestehen heute in weiten, nicht überall gesicherten Seewegen und endlosen umständlichen Landverkehrsstrecken, die im großen Bogen rings um Europa nahezu um die halbe Erdkugel herumführen. Die Meisterung der Transportaufgaben, die sich hieraus für die praktische Kriegführung ergeben, stellt allein schon eine schwer lösbare Aufgabe dar. Denn es stehen in diesem Krieg Menschen- und Materialmassen im Kampf, die mit den Aufgeboten früherer Kriege nicht zu vergleichen sind. Die Völker selbst sind heute auf die Schlachtfelder marschiert.
Im Gegensatz zu unseren Feinden verfügt die deutsche Kriegführung auf dem großräumigen Kriegsschauplatz über den Vorteil der inneren Linie, der es ihr ermöglicht, stets rechtzeitig überall da zur Stelle zu sein, wo der Feind seinen Schwerpunkt zu bilden beabsichtigt. Was Moltke meisterhaft beherrschte, die Kunst des Getrennt-Marschierens und des Vereint-Schlagens, das ist die gigantische Aufgabe, die heute unseren Gegnern auf einem Schlachtfeld von kontinentalen Ausmaßen gestellt ist. Jetzt muß es sich erweisen, ob die vielzitierte angebliche Unerschöpflichkeit ihrer Reserven an Material und Personal dazu ausreicht, um für eine gemeinsame und gleichzeitige Operation „vom Westen, Süden und Osten“ gegen das Reich die notwendige Übereinstimmung im Raume und in der Zeit herbeizuführen. Dies ist schon einmal einer Koalition mißlungen, der unter viel günstigeren Voraussetzungen lediglich die Aufgabe gestellt war, von Westen, Süden und Osten den Preußenstaat Friedrichs des Großen zu besiegen. Seine Kriegführung auf der inneren Linie zwischen der Elbe und der Oder hat am Ende doch über das Bündnis der damaligen Weltmächte Österreich, Rußland und Frankreich triumphiert.
Totaler Krieg
Eine derartige Betrachtung der Kriegslage kann uns doch über eins nicht hinwegtäuschen: über die Tatsache nämlich, daß dieses Jahr die Widerstandskraft und Kriegsmoral unserer Soldaten vor die schwerste Belastungsprobe stellte und darüber hinaus von der Seelenstärke des ganzen deutschen Volkes eine Bewährung verlangte, wie noch nie in seiner Geschichte. Denn der totale Krieg hat Front und Heimat zu einem einzigen Kampfgebiet zusammengeschweißt, auf dem in seiner ganzen Ausdehnung um die letzte Entscheidung gerungen wird. Der Erfolg, der dem Gegner auf dem Schlachtfeld in ehrlichem Soldatenkampf versagt blieb, sollte durch den Bombenterror von Luftgangstern, die nicht mehr als Soldaten bezeichnet werden können, erzielt werden. Wir wissen aus zahlreichen Äußerungen feindlicher Staatsmänner und Generale, daß die fortgesetzt sich steigernden Luftangriffe auf deutsche Wohnstätten und dichtbesiedelte Gebiete den ausgesprochenen Zweck verfolgten, die innere Moral der Nation zu brechen und sie mit den Methoden von 1918 reif für die Katastrophe zu machen. Das beabsichtigte Ziel hat der feindliche Luftkrieg, das können wir am Ende dieses Jahres mit gutem Gewissen feststellen, weder militärisch noch politisch erreicht. Politisch steht die innere Front heute fester denn je. Der Einbruch, den der Krieg in diesem Jahr wohl in jede deutsche Familie und in jedes deutsche Haus in stärkerer oder schwächerer Form brachte, hat aus dem ganzen deutschen Volk eine unerschütterliche Schicksalsgemeinschaft entstehen lassen. Die nationalsozialistische Idee unseres zwanzigjährigen Kampfes ist heute Allgemeingut der Nation geworden. Unter den Trümmern und Ruinen deutscher Wohnstätten haben sich die letzten Klassenunterschiede restlos in der Solidarität aller Volksgenossen untereinander aufgelöst. Der Sozialismus unserer Zeit, den das Judentum für seine Weltherrschaftspläne zu eigennützigen Plänen verfälschen wollte, er ist heute allein in Deutschland praktische Wirklichkeit geworden. Vor diesem Gemeinschaftsgeist der deutschen Nation sind heute die letzten Zweifel über den Sinn und über die weltgeschichtliche Bedeutung des gegenwärtigen Völkerringens endgültig verschwunden. Das deutsche Volk in seiner Gesamtheit ist sich in diesem fünften Kriegsjahr klarer denn je bewußt geworden, daß der Ausgang dieses Krieges über die Zukunft der Nation und eines jeden einzelnen von uns zugleich entscheidet.
Rein militärisch betrachtet, wird das vergangene Jahr vielleicht einmal als Beweis für die Lehre in die Kriegsgeschichte eingehen, daß mit dem Bombenkrieg aus der Luft allein keine Kriegsentscheidung erzwungen werden kann. Der Feind muß auf der ganzen Erde geschlagen werden. Der ewige Auftrag der Infanterie, das Schlachtfeld zu beherrschen, hat auch heute noch nichts von seiner entscheidenden Bedeutung verloren.
Die zweite Front
Das ist auch ohne Zweifel der wesentliche Grund, warum sich England nun doch dazu entschließen muß, die von Stalin schon für 1942 geforderte „zweite Front“ in Westeuropa endlich zu eröffnen oder wenigstens den Versuch dazu zu machen. An keiner der bisherigen Fronten, weder im Osten, noch im Süden, noch in der Luft, konnte bis heute ein kriegsentscheidender Schlag von unseren Feinden geführt werden. Diese Erkenntnis hat nun mehr England dazu gezwungen, das jahrhundertealte Grundgesetz seiner Strategie, seine Kriege in Europa von anderen führen zu lassen, notgedrungen preiszugeben. Wer Deutschland heute besiegen will, muß sich ihm selbst in offener Feldschlacht stellen. Die Seeblockade hat ihren Nimbus aus dem vergangenen Krieg, Deutschland durch Hunger bezwungen zu haben, verloren, und der letzte Festlandsdegen Englands in Europa, die Sowjetarmee, hat die auf ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Die Marlboroughs und Wellingtons hatten es noch besser. Ihre Entscheidungsschlachten in Europa half ihnen ein Prinz Eugen, ein Gneisenau schlagen. Auch Lloyd George hatte im letzten Weltkrieg noch seinen Marschall Foch in Frankreich. Aber Churchill muß sich heute mit seinen Montgomerys und Alexanders allein behelfen. Denn der Krieg, den der soeben zum Oberbefehlshaber aller Invasionsarmeen ernannte General Eisenhower in Europa führt, hat nach dem Willen seiner Auftraggeber in Washington nicht den Sinn, den Ruhm und die Ehre des britischen Weltreiches zu verteidigen. Was die erste Seemacht der Welt bisher stets mit Erfolg zu vermeiden wußte, bleibt ihr diesmal nicht erspart: der Einsatz des eigenen Blutes im Entscheidungskampf auf dem Schlachtfeld.
Man versteht unter diesen Umständen die Unsicherheit des britischen Außenministers, als er seine schon mehrfach erwähnte Rede im Unterhaus mit den Worten schloß:
Wir haben uns mit unserem Entschluß, den Sieg so rasch als möglich zu erringen, eine sehr schwere Aufgabe gestellt.
Wir sind sicher, die deutsche Kriegführung wird mit Erfolg dafür Sorge tragen, daß unseren Feinden die Erfüllung dieser Aufgabe auch im Jahre 1944 nicht leichter gemacht wird.
Härte und Tapferkeit
Trotz allem gibt sich bei uns niemand einer Täuschung darüber hin, daß das kommende Jahr ein Jahr des erbittertsten Ringens werden wird, das von Front und Heimat das Letzte an Härte und Tapferkeit verlangt. Wir müssen uns darauf gefaßt machen, daß unsere Feinde das Äußerste daransetzen werden, um sich den Enderfolg zu sichern. Uns wird auch in diesem Krieg der Sieg vom Schicksal nicht geschenkt. Bei allen kriegerischen Auseinandersetzungen, die weltgeschichtliche Ausmaße annahmen, hat die Vorsehung die Siegespalme noch keinem Volke gegeben, das das Feuer der Bewährung nicht ertrug und das mit den Prüfungen, die die Wechselfälle des Krieges mit sich bringen, nicht fertig wurde. Nach der Katastrophe von Kannä dankte der römische Senat dem geschlagenen Konsul Varo dafür, daß er „am Schicksal des Vaterlandes nicht verzweifelt habe.“ Dieser Geist, der sich auch nach der schwersten Niederlage nicht geschlagen gab, war es, der am Ende Scipio doch nach Zama führte. Und damit zum Siege! Dieser römische Sieg aber über Karthago gab der Weltgeschichte eine neue Richtung und ein neues Ziel. Auch die Sieger von Königgrätz und Sedan waren die Nachfahren der gleichen Preußen, die auf den Schlachtfeldern von Kunersdorf und Jena die Trostlosigkeit des totalen Zusammenbruches erlebten. Umso größer war die Umwälzung, die die Siege von 1866 und 1870 herbeiführten. Sie erneuerten ein Reich, das aus der Geschichte bereits verschwunden war.
Und welchen anderen Sinn hätte der gegenwärtige Völkerkrieg für uns als den, das Vermächtnis des ewigen deutschen Soldatentums zu vollstrecken, für das der Marsch aus den Schützengräben des ersten Weltkrieges bis in die Bunker von Stalingrad zu einem einzigen, heldenhaften Opfergang geworden war? Alle wahrhaft großen Ereignisse der Geschichte, die das Gesicht der Welt entscheidend veränderten, sind unter Schmerzen und Opfern geboren worden. Je kühner das Ziel, das sich unser Geschlecht mit seiner Rebellion gegen die alte Weltordnung gestellt hat, desto härter der Kampf vorher, desto triumphaler aber auch am Ende der Erfolg.
Der Garant für diesen Triumph ist uns der Mann, in dessen Namen das revolutionäre Erlebnis zweier Weltkriege zu einer unwiderstehlichen Einheit zusammengewachsen ist. Aus dem Symbol ist die Wirklichkeit geworden: Der unbekannte Soldat des vergangenen Krieges ist in diesem unser Führer in der Schlacht. Wir alle aber erkennen in ihm heute schon den Sieger von morgen.