Völkischer Beobachter (February 3, 1944)
Der harte Kampf um die Marshallinseln
Japan verteidigt seine östliche Vorpostenstellung
vb. Wien, 2. Februar –
Mit der Eröffnung des Kampfes um die Marshallinseln hat ein neuer Abschnitt des Krieges im Pazifik begonnen. Zum erstenmal versuchen sich die Yankees an einem Punkt, der nicht zu dem von Japan in der ersten Etappe des Fernostkrieges mit raschem Zugriff eroberten Vorfeld zählt, sondern seit dem Ende des ersten Weltkriegs in der Form des Mandats zum japanischen Machtbereich gehört.
Kein Zweifel – japanische Zeitungen haben das offen ausgesprochen und auch die jüngste Erklärung des Marineministers Schimada ließ es zwischen den Zeilen durchklingen – daß im Laufe dieser Zeitspanne die Marshallinseln ganz anders ausgebaut und befestigt worden sind, als dies auf den Salomonen, auf Neupommern und den Gilbertinseln möglich war. Das zähe Ringen um diese Vorwerke Japans im Südpazifik war nur als ein Vorspiel zu bewerten, gemessen an der Bedeutung der Auseinandersetzung, die jetzt entbrannt ist.
Die Marshallinseln, die sich zwischen dem 162. und 174. Grad östlicher Länge und zwischen dem 5. und 13. Grad nördlicher Breite ausdehnen, bestehen, im Ganzen betrachtet, aus zwei Reihen von Atollen, die von Nordwesten nach Südosten verlaufen: der Rälikgruppe im Westen, der Ratakgruppe weiter östlich. Es sind insgesamt rund 350 Inseln mit zusammen etwa 400 Geviertkilometer, Nur sieben von ihnen ragen mehr als einen Meter über die höchste Flutlinie. Die Mehrzahl der Koralleneilande ist unbewohnt, und von strategischer Bedeutung sind nur die größeren Inseln, die als Stützpunkt für Luftstreitkräfte in Frage kommen. Der wichtigste Platz der ganzen Gruppe ist Dschaluit, die südliche Hauptinsel der Rälikgruppe, die auch den Hauptpfeiler der militärischen Stellung Japans auf den Marshallinseln bildet. In der Nordwestausdehnung erstreckt sich die gesamte Marshallgruppe über mehr als 1.000 Kilometer. Die gesamten Gewässer sind durch zahllose Korallenriffe für die Schifffahrt äußerst schwierig. Untiefen wechseln auf engstem Raum mit Wassertiefen zwischen 4.000 und 5.000 Meter.
Es kann als sicher gelten, daß die Yankees bereits Mitte November, als sie ihren Handstreich gegen die etwa 400 Kilometer weiter südöstlich gelegenen Gilbertinseln durchführten, den Plan hatten, im gleichen Zuge bis zu den Marshallinseln vorzustoßen. Der hartnäckige Widerstand aber, den sie bei der schwachen Besatzung von Makin und Tarawa fanden, und die gewaltigen Schiffsverluste, die sie in drei Luftseeschlachten in diesem Raume hinnehmen mußten, nötigten sie, ihre Ziele zunächst kürzer zu stecken.
Admiral Nimitz, der in diesem Abschnitt das Kommando über die Seestreitkräfte der USA führt, sah sich daher genötigt, zunächst nach der Eroberung der Gilbertinseln eine Pause von über zwei
Monaten einzuschalten, um auf den Gilbertinseln eine Absprungbasis für seine Bomber und Landjäger zu schatten. In der letzten Zeit kündigten mehrfache schwere Bombenangriffe auf die Marshallgruppe an, daß der nächste Schritt der Nimitzschen Offensive dicht bevorstand, die Japaner sind also hier durchaus nicht überrascht worden.
Wo die Yankees bei einem so weitgelagerten Ziel ansetzen würden, ließ sich freilich nicht mit Gewißheit voraussehen. Sicher war nur das eine, daß sie, getreu ihrer alten Taktik, niemals die eigentlichen Hauptziele anzugehen, Dschaluit zunächst nicht angreifen würden. Nach den Meldungen aus amerikanischer Quelle, die um 48 Stunden hinter der ersten Bekanntgabe der Japaner herhinkten, sind ihre Landungen auf den Kwadjelinninseln, im Norden der Rälikgruppe, die in sich wiederum aus einer Vielzahl von Atollen bestehen, erfolgt. Erbitterte Kämpfe sind hier im Gange. Das englische Reuters-Büro, das voreilig die Besetzung der Kwadjelinninseln durch die Amerikaner bekanntgegeben hatte, sah sich zu der „Berichtigung“ veranlaßt, die von ihm gemeldete Besetzung entspreche leider nicht den Tatsachen. Zunächst könne nur die geglückte Landung als Tatsache gelten.
An dem Landungsunternehmen sind neben starken schwimmenden Verbänden, die auch Schlachtschiffe und Flugzeugträger umfassen sollen, Landkampfeinheiten des amerikanischen Heeres und der Marine beteiligt. Die Luftwaffe der Yankees operiert nicht nur von ihren Stützpunkten auf den Gilbertinseln aus, sondern auch von Trägern. Auf eine energische Gegenwehr der Japaner dürfte sich Nimitz nach seinen Erfahrungen auf den Gilbertinseln gefaßt machen. Denn wenn auch die Marshallinseln noch über 4.000 Kilometer von Tokio entfernt und damit an sich kein strategisches Objekt von zentraler Bedeutung sind, so decken sie doch als östlicher Vorposten die Karolinengruppe, wo die japanische Schlachtflotte bei der Insel Truk ihren Hauptliegeplatz besitzen soll.
Daß die Yankees unter diesen Umständen nicht mit schnellen Erfolgen rechnen, ging sogar aus einer Erklärung Roosevelts hervor, der auf seiner täglichen Pressekonferenz über die Kämpfe auf den Marshallinseln befragt wurde. Er warne vor übertriebenem Optimismus – so schloß er seine Mitteilungen, die mit der kühnen Feststellung begonnen hatten, es sei „das Ziel der Alliierten, die Japaner aus Burma, Insulinde und der Malaiischen Halbinsel zu vertreiben, um bis nach Tokio vorzudringen.“ Also ein für ihn typisches Gemisch von Bluff und Skepsis, aus dem der Durchschnittsyankee natürlich in erster Linie die großsprecherische Ankündigung des Marsches nach Tokio heraushört – und im Hinblick auf die näherziehenden Wahlen auch heraushören soll.
Die Frage ist nur, ob er nicht durch den Verlauf der Kämpfe auf den Marshallinseln die gleiche Ernüchterung erfahren wird, die ihm der festgefahrene Inselkrieg auf Bougainville, auf Neupommern und Neuguinea ohnehin zur Genüge bereitet.