Völkischer Beobachter (June 24, 1943)
Die politisch unzuverlässigen Amerikaner –
Englische Vorhalte und die Wirklichkeit
Von unserer Stockholmer Schriftleitung
Stockholm, 23. Juni –
In England ist man geneigt, die Amerikaner „wegen ihrer politischen Unzuverlässigkeit,“ die in Streikbewegungen, Sabotageakten, Negerunruhen und nicht endenden Streitereien zwischen Arbeiterschaft und Unternehmertum zum Ausdruck kommt, streng zu tadeln.
Man geht in England, wie aus einer Meldung des Svenska Dagbladet aus London hervorgeht, sogar so weit, zu behaupten, daß es, obwohl man gerade in der Kohlenindustrie mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen habe, in England bisher nicht zu Arbeitsniederlegungen gekommen sei.
Zum Pech dieser offiziellen Sprachregelung hat das statistische Amt Englands aber gerade zur gleichen Zeit völlig anderslautende Angaben über die Lage auf dem Arbeitsmarkt herausgegeben. Aus ihnen geht hervor, daß es im Jahre 1942 1.303 mal zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Arbeitern und den Unternehmern kam, im Jahre 1941 dagegen „nur“ 1.251 mal. In diese Streiks waren etwa 349.500 Arbeiter verwickelt. Dazu kommen noch fünf Streikaktionen, die im Jahre 1941 ihren Anfang nahmen und im nächsten Jahre fortgesetzt wurden. Die Zahl der in Streik getretenen Arbeiter erhöhte sich dadurch auf 456.700 im Vergleich zu 361.500 im Jahre 1941.
Zwei Fünftel dieser Streiks gingen – das ist das interessanteste an den Angaben des statistischen Amtes – auf Konto der Kohlengrubenindustrie. Die Engländer haben also kaum Grund, auf die Amerikaner in irgend einer Weise „herabzusehen,“ nur weil die amerikanische Arbeiterschaft noch unzufriedener und darum noch undisziplinierter und unruhiger ist.
Die Konflikte innerhalb der Kohlenindustrie in den USA. zeigen, wie wenig es Roosevelt bisher gelungen ist, der drohenden Inflationsentwicklung in den USA. Einhalt zu gebieten. Diese Entwicklung wird, wie aus einer Meldung von Svenska Dagbladet hervorgeht, von der Londoner City mit allergrößter Besorgnis verfolgt. „Dunkle Prophezeiungen“ über die wirtschaftlichen Zukunftsaussichten der USA. gehören zum Tagesgespräch der englischen Geschäftswelt. Diese stehe auf dem Standpunkt, daß Amerika nach dem Kriege von einer „schweren Inflation“ betroffen würde. Banknotenumlauf, Warenpreise, Arbeitslöhne und Börsennotierungen seien Zeichen, aus denen man eine vorliegende Inflationsgefahr gut ablesen könne. Die Londoner City führt folgende Zahlen an: Die amerikanischen Industrielöhne wurden im vorigen Jahr um 15 Prozent erhöht, der Banknotenumlauf steigerte sich in der gleichen Zeit um 50 Prozent, die Industrieaktien seien seit Jänner um über 20 Prozent gestiegen und schließlich werden die amerikanischen Kriegsausgaben nur bis zu 30 Prozent durch Besteuerung gedeckt. Verglichen mit der amerikanischen Inflationstendenz seien, so stellen die Londoner Geschäftsleute fest, die englischen Anzeichen für eine Inflation verschwindend gering.