Harte Abwehrkämpfe im Raum von Syrakus
Von Kriegsberichter Lutz Koch
dnb. …, 17. Juli –
pk. Am vierten Tag nach der Landung englisch-amerikanischer Truppen auf Sizilien ist der Oberbefehlshaber der 8. englischen Armee, General Montgomery, bestrebt gewesen, das Tempo seines immer wieder von schwerer Schiffsartillerie unterstützten Angriffes längs der Küstenstraße nach Norden von Syrakus über Augusta nach Catania vorzutragen. Unter dem schweren Druck der an Zahl und Materialfülle weit überlegenen englischen Truppen mußten nach heldenhafter Gegenwehr die vorgeschobenen Teile in neue Bereitstellungen zurückgenommen werden. Meter um Meter mußte sich der Gegner unter harten Kämpfen erzwingen, bis unter dem übermächtigen Druck schwerer Waffen und den Breitseiten der Geschütze sich die Unseren zurückzogen. Immer wieder beobachteten wir in diesen Tagen das schon aus Libyen und Tunesien bekannte Blocken mit einer Überzahl an Material und unter Verzicht auf Übernahme auch des kleinsten militärischen Risikos, wobei den die Transporter begleitenden Kriegsfahrzeugen die Rolle des Niederhaltens des Gegners zugeteilt wird und die Panzer und Infanterie gewissermaßen nur noch in bereits aufgegebene Räume einrücken. Durch die Zähigkeit der deutschen Verteidigung wird aber erreicht, daß dem Gegner dieses Spiel mit seiner Materialfülle immer wieder bitter durchkreuzt wird. Schwelende Panzer und abgeschossene Fahrzeuge zeugen von dieser Härte der Verteidigung. Die Igel unserer Panzer und Sturmgeschütze halten immer so lange, wie die Führung es befiehlt, um das bewegliche Ausweichen in neue Linien sicherzustellen.
Unter dem Schutz seiner Flotteneinheiten ist es den Engländern trotz des sehr starken Einsatzes der Achsenluftstreitkräfte, die den Landungsschiffen schwere Verluste und zeitraubende Beschädigungen zugefügt haben, gelungen, neue Truppen und neue Panzer bei Augusta an Land zu bringen. Mit allen Mitteln versucht Montgomery, eine schnelle Entscheidung gegen die deutsch-italienische Abwehrfront an dieser Stelle zu erzwingen, um im raschesten Tempo seinen geplanten Stoß auf Catania durchführen zu können. Immer wieder schickt er seine, inzwischen an Land gebrachten schweren Panzer vor, um sich den Weg längs der Küstenstraße nach Norden freikämpfen zu können. Diese Absicht, einer schnellen Entscheidung nahe zu kommen, wohl nicht zuletzt verursacht durch die Verluste auf See infolge der ständigen Angriffe durch Bomber und Sturzkampfflieger, führte auch dazu, daß in der Nacht zum 14. Juli über mehrere Stunden hinweg in einigen Wellen englische Fallschirmspringer in der Nähe des großen Flugplatzes von Catania, südlich der Stadt, abgesetzt wurden. Sie kamen bei ständig stärker werdendem Beschuß, der viele Opfer unter ihnen forderte, mitten in deutsche Stellungen hinein, wo kleinere Trupps in sofortiger Gegenwehr, teilweise in wenigen Minuten, aufgerieben wurden. Andere Einheiten kamen weiter nach Südosten zu Boden. Eingeleitet wurde dieses Unternehmen durch eine schwere Beschießung des Flugplatzes Catania durch Schiffsgeschütze, nachdem der Hauptplatz, wie fast jeden Tag, das Ziel pausenloser Angriffe der gegnerischen Bomber gewesen war.
So kam der Sprung aus dem nächtlichen, vom Mond magisch beleuchteten südlichen Himmel nicht allzu überraschend. In einem wahren Feuerzauber der Leuchtspurgeschosse der Abwehrwaffen kamen die einzelnen Wellen aus niedriger Höhe heran. Viele traf noch in der Luft das tödliche Geschoß der hart zupackenden Abwehr. Die ganze Nacht war erfüllt von dem brausenden Lärm der Motoren, dem Prasseln und Scheppern der kleinen Kaliber, dem grellen Aufzucken der gewaltigen Münder der Schiffsgeschütze, dem donnerartigen, vielfaches Echo auslösenden Grollen der allerschwersten Kaliber, überall am Horizont flammten unter dem Beschuß Brände auf, die magisch die Nacht erhellten. Wie Geisterfinger griffen Scheinwerfer nach den Fallschirmen und lenkten das Abwehrfeuer auf sie. Aufflammend und glutrot aufzuckend, schossen die Betroffenen in die Tiefe – eine erregende und blutvolle Szenerie des Krieges.
Zwischen den in Wellen aus der Luft heranbrausenden Angriffen mit dem lauten Aufschrei aller Waffen lag bedrückend und unheimlich eine unsagbare Stille über der Südebene zu Füßen des gewaltigen Ätnamassivs. Diese Stille aber verbarg nicht die etwaigen Bewegungen auf beiden Seiten. Noch im Schutz der Nacht formierten sich unsere Abwehrkräfte in den von den Fallschirmjägern bedrohten Gebieten neu, um im ersten Tagesgrauen gegen die inzwischen versammelten gegnerischen Kräfte antreten zu können.
Die Hoffnung Montgomerys, daß sein Stoß von der Küste bei Augusta nach Catania noch rechtzeitig zum Einsatz seiner Fallschirmjäger zum Tragen kommen werde, hat sich nicht erfüllt, dank der starken und bis zum letzten kämpfenden Abwehr. Nun gehen in dem Vorfeld von Catania die englischen Fallschirmjäger ihrer Vernichtung entgegen.
Im Zuge der Bewegung verdient als hervorragendes Beispiel des Einsatzwillens die Leistung eines 15-Zentimeter-Geschützes besondere Erwähnung, dem es mit wenigen Schüssen gelang, einen sich allzu nahe an die Küste heranpirschenden englischen Zerstörer in Brand zu schießen und schließlich zu versenken.
Jeden Tag mehr muß so der Gegner erkennen, daß trotz der Überfülle an Material und der ihm immer neu bleibenden Wahl des Einsatzortes er nur unter größten Opfern und in Küstennähe Erfolge gegen die Abwehr zu erreichen vermag.