Volkischer Beobachter (March 21, 1943)
Ewig ist der Toten Tatenruhm
Die letzte Handgranate/Gemälde von Elk Eber
Stolz und Trauer
Von Wilhelm Ehmer
Seit dreieinhalb Jahren begleiten unseren Tageslauf die schwarz umrandeten Anzeigen in den Zeitungen, die den Tod eines Soldaten mitteilen. Sie sind das einzige Mittel, durch das die persönliche Trauer der Hinterbliebenen sich in der Öffentlichkeit äußert – wie verschiedenartig ist der Ausdruck dieser Trauer! Von der Kundgebung tiefsten, „unfaßbaren“ Schmerzes erstreckt er sich über die Bekundung eines herben Stolzes im Bewußtsein todgetreuer Pflichterfüllung der einer demütigen Fügung in den Willen Gottes bis zur kargen, knappen Mitteilung des Tatbestandes, die auf jedes Beiwort verzichtet und durch ihre versteinte Verhaltenheit oft um so stärker erschüttert. Das Herz der Nation klopft hier in tausendfach gestufter Weise offen vor unseren Augen, ein Herz voll Stolz und Trauer. Denn dieses ist, über alle individuellen Verschiedenheiten hinaus, das allen gemeinsame Kennzeichen der Gefallenenanzeigen, daß sich zu dem Schmerz, so verzweifelt er sich auch oft aufbäumen mag, das unerschütterte Bewußtsein einer letzten Hingabe und Dankbarkeit zeigt. Als äußeres Zeichen einer solchen Gemeinsamkeit ist diesen Anzeigen die edle Vignette des Eisernen Kreuzes hinzugefügt – heiliges Siegel für einen Tod, der den Gefallenen seiner persönlichen Beschränkung entrückt und der gleichzeitig uns Lebende alle gleichermaßen verpflichtet.
Bewegen uns solche Gedanken schon beim Anblick der einzelnen Todeskunde, um wieviel mehr dann an jenem Tag im Jahr, der dem gemeinsamen Gedenken aller derer geweiht ist, die kämpfend im Dienst des Volkes gefallen sind. Denn steht dort der einzelne, mit Namen genannt und als Person gekennzeichnet, noch einmal vor uns auf, so tritt am Heldengedenktag alles Persönliche zurück hinter dem großen Bild des namenlosen grauen Heeres, das stumm und bezwingend den Opfergang der Nation in seiner letzten Konsequenz kennzeichnet. Tausende heldischer Taten fließen hier zusammen zum gewaltigen Strom eines unvergänglichen Heldentums. Seiner uns erneut bewußt werden, mitten in Kampf und Not des Alltags, heißt einen Kraftquell erschließen, aus dem uns Tröstung und Zuversicht auch für alles noch Kommende zuteilwerden.
Dies aber ist das Geheimnis und das Wunder des Kriegertodes: Ihn starb ein Mensch nicht, wie in den Zeiten des Friedens, weil seine Lebenszeit um war, sei es durch natürliche Alterung, durch Krankheit oder durch einen Unfall, sondern es fiel ein Mensch kämpfend und oft in der Blüte seines Mannestums im Dienste einer über ihn selber weit hinausgreifenden Idee. Das allein schon drückt seinem Tod einen besonderen Stempel auf. Denn hier waltet ein ebenso unentrinnbares wie erhabenes Schicksal, das uns alle gemeinsam umklammert. Der Tod im Kriege ist ein bewußtes Opfer für das Leben der Gemeinschaft.
Sich selber aufzuopfern bedeutet immer, die Grenzen des engen Ich zu sprengen. Ihm sind wir sonst meist allzu peinlich verhaftet. Der sich Aufopfernde aber löst sich aus solcher Bindung und hebt sich über sie empor. Gilt dies schon überall im Leben, wo ein Mensch sich im Dienst für andere Menschen oder für eine gute Sache aufopfert, um wieviel mehr gilt es für den Soldaten! Ihm weitet sich der Blick. Der Gehorsam, dem er sich unterstellt, der Dienst, dem er sich unterzieht, sie schränken ihn nur äußerlich ein, innerlich machen sie ihn auf eine besondere Weise frei. Beweis dafür ist schon allein das Gefühl des Stolzes, das jeden echten Soldaten beseelt. Er schwört einen heiligen Fahneneid, er sieht vor sich den klaren Weg der bedingungslosen Pflichterfüllung, und wenn am Ende dieses Weges der Tod steht, so hat dieser Tod, schon ehe er erlitten wird, seinen Schrecken verloren: Denn der Tod im Kriege ist nicht blinde Willkür oder selbstgewähltes Los, sondern ist schicksalhafte Fügung. Seit jeher ist der Begriff des dargebrachten Opfers einer der edelsten, den die Menschen kennen. Das Opfer befreit den Menschen aus der engen Verpflichtung selbstsüchtiger Interessen, es steigert ihn über sich selber hinaus, immer erklimmt der sich Opfernde eine höhere Stufe des Menschentums.
Hierin liegt die große Versöhnung für die Zurückbleibenden. Sie trauern um den Mann oder Sohn, den Bruder oder den Geliebten und niemand wird ihnen das Recht auf diesen Schmerz streitig machen. Aber langsam und unaufhaltsam träufelt dann als stillender Balsam die Erkenntnis in diesen Schmerz, daß der Tote mit stummem Ernst von den Trauernden die gleiche Gesinnung und Haltung fordern darf, in der er selber sein Leben für sein Volk dahingegeben hat. Dann reift die Stunde heran, wo sich der Trauernde demütig und gehorsam der Größe einer solchen Gesinnung beugt, wo ihn Stolz erfüllt, einem solchen Kämpfer das Leben geschenkt oder ihm angehört zu haben, ihm Freund und Begleiter gewesen zu sein. Sich seiner würdig zu zeigen, ist nun das unabdingbare Gebot.
Ein gesund denkendes und empfindendes Volk mischt daher in seine Klage um seine Gefallenen auch stets den selbstbewußten Stolz. Es verleiht denen, die im Kampfe für das gemeinsame Ganze fielen, den Ehrentitel Held, und es umgibt sie mit dem Strahlenkranz der Unsterblichkeit. „Der Toten Tatenruhm“ ist nun, wie schon die Edda singt, den Lebenden als ein mahnendes Vermächtnis überantwortet, als unverlierbarer Besitz für sie selber wie für Kinder und Kindeskinder.
Hat der Tod des Kriegers schon seit jeher in unserem Volk eine so hohe Wertung erfahren, wie erst heute in unserem Schicksalsringen um Sein oder Nichtsein! Die Nation, nach tausendjähriger Zerrissenheit endlich geeint, kämpft um den letzten entscheidenden Durchbruch in den Bereich ihrer freien Selbstbestimmung. Nicht mehr sollen andere beeinflussen und entscheiden, was wir tun dürfen oder unterlassen sollen, nicht mehr wollen wir, auf zu schmalem Raum beschränkt, anderen Völkern die Nutzung der Welt überlassen. Sondern endlich wollen wir, unserer Größe und Bedeutung entsprechend, teilhaben an Macht und Wohlstand dieser Erde und wollen endlich alle Lebensmöglichkeiten verwirklichen, die noch in uns schlummern.
Wir kämpfen dabei um ein geistiges Reich und um die Gestaltung einer Lebensform, die neu und schöpferisch und schon allein deshalb den Lebensformen unserer Gegner überlegen ist. Dem brutalen Zwang östlicher Despotie und der anmaßenden Herrschsucht westlicher Demagogie stellen wir den sozialen Volksstaat gegenüber und die gerechte Neuordnung unseres bisher so sinnlos zerrissenen Kontinents. Alte Grundwerte, tief und tragend, haben wir wieder erneuert und in lebendige Beziehung gesetzt zu modernen Erkenntnissen von fruchtbarer Bedeutung. Wir sind im Begriff, ein ganz neues Kapitel in Buch der Menschheit zu beginnen, und sind gezwungen, der ersten Absatz dieses Kapitels mit Blut zu schreiben. Mit dem teuren, wertvollen Blut der Söhne unseres Volkes, das sich schon immer seinen Weg durch die Geschichte hat erkämpfe müssen.
Unter diesem Blickpunkt erhalten der Einsatz und das Opfer unserer Soldaten, unserer Gefallenen einen unverlierbaren Sinn Mit ihren Leibern schützen sie das Reich und Europa vor wesensfremder Überflutung, vor dem Untergang in eine namenlose Barbarei. Der Opfertod des Krieges gewinnt damit seine hohe Bedeutung nicht nur für das eigene Volk, sondern für die Geschichte überhaupt.
Dies Erkennen bedeutet zugleich, das Haupt in ungebrochenem, kämpferischem Stolz erheben. Wir gedenken am heutigen Tage, wir gedenken überhaupt unserer Gefallenen nicht in einem niederdrückenden Schmerz, sondern im Bewußtsein, daß die große Schicksalsstunde ein ihr ebenbürtiges Geschlecht erfordert und bisher auch gefunden hat. Sünde wäre daher jeder Kleinmut und jede Verzagtheit, ein Vergehen am Geist unserer Gefallenen, sie gingen uns kämpfend voran – die Fahne der Zuversicht, die ihren Händen entglitt, halten wir hoch in den Sturmwind. Es ist ein Frühlingswind, voller Kraft und Erneuerung, es ist das Brausen einer neuen Zeit! Ihr eine Bahn zu öffnen, fielen deutsche Männer und Jünglinge mit ungebrochenem Mute. An uns ist es, ihrer in jedem Augenblick und vor jeder Forderung, die das Schicksal noch an uns stellen mag, ebenbürtig zu sein.