Glodschey: The naval war situation at the beginning of the year (1-3-44)

Völkischer Beobachter (January 3, 1944)

Glodschey: Die Seekriegslage am Jahresbeginn

Von unserem Marinemitarbeiter Erich Glodschey

Prüfen wir die Seekriegslage zu Beginn des Jahres 1944, so muß sich der Rückblick nicht allein auf das abgelaufene Jahr, sondern auf die ganze bisherige Kriegsdauer erstrecken. Das Jahr 1943 hat unseren Feinden auf allen Meeren wieder schwere Verluste an Kriegs- und Handelsschiffen gebracht. Allein die deutsche Kriegsmarine und Luftwaffe haben über 5,1 Mill. BRT an englischen und nordamerikanischen Handels- und Transportschiffen mit Sicherheit versenkt, davon wieder über 3,6 Mill. BRT durch unsere Unterseeboote. Dazu kommen viele hundert Schiffe, die durch Torpedos, Bomben und Minen schwer getroffen worden sind und deren Untergang nur nicht beobachtet werden konnte, aber wahrscheinlich ist. Einschließlich der im vergangenen Jahre besonders hohen Einbußen an Transportschiffen im Stillen Ozean reichen die bisherigen Schiffsraumverluste unserer Feinde nun bereits an 35 Mill. BRT heran. Dies ist ein entscheidendes Ergebnis des bisherigen Seekrieges.

Die äußeren Formen und die Kampfplätze des Seekrieges haben sich im letzten Jahre in mancher Hinsicht verändert. Aber die Grundlinien, nach denen sich sein Verlauf im Großen richtet, sind dennoch dieselben geblieben. Der japanische Ministerpräsident Tojo hat einen bestimmten Abschnitt des Ringens im Pazifischen Ozean einen „Nachschubkrieg“ genannt. Wir können dieses Wort vom Nachschubkrieg auf den gesamten Seekrieg anwenden, gleich, ob er sich auf den Meeren der östlichen oder der westlichen Erdhälfte vollzieht.

Es ist eine geographische Tatsache, an der keine englisch-amerikanische Agitation rütteln kann, daß Deutschland in Europa und Japan in Ostasien auf der inneren Linie kämpfen. Daher haben die Engländer und Nordamerikaner unvergleichlich längere Nachschublinien über See als wir oder unser japanischer Verbündeter. Wenn England und die USA die deutsche oder japanische Kernstellung angreifen, wie sie es beabsichtigen oder teilweise begonnen haben, dann sind unsere Feinde immer davon abhängig, wieviel Schiffsraum und Geleitstreitkräfte sie einzusetzen vermögen und welche Verluste sie dabei auf den Seewegen in Kauf nehmen können.

Da lastet nun auf den feindlichen Seemächten die drückende Hypothek der bisherigen Schiffsraumverluste, denn 35 Millionen Bruttoregistertonnen sind mehr als die Hälfte der Welthandelsflotte bei Kriegsbeginn. Diese Tonnageverluste sind es, die der USA-Marine die langsame und kräftezehrende Taktik des „Inselhüpfens“ aufgezwungen hat.

Der Chef der nordamerikanischen Seekriegsleitung, Admiral King, hat dies vor wenigen Tagen mit den Worten bestätigt:

Die Notmaßnahme des Inselhüpfens ist zum großen Teil die Folge der Beschränkung der verfügbaren Mittel und Wege.

Die gleichen Beschränkungen haben auch die englisch-amerikanischen Aktionen gegen Europa bis jetzt hinausgeschoben und werden sie weiter beeinflussen. Das hat sich bereits im. Mittelmeer erwiesen, wo der materiell weit überlegene Feind die durch den Badoglio-Verrat geschaffene außerordentlich günstige Lage nicht zu den angekündigten weiteren Landungen auszunutzen vermochte und sich nun dank der blitzschnellen deutschen Maßnahmen zur Beseitigung der damaligen Krise viel größeren Schwierigkeiten an den Küsten Südeuropas gegenübersieht.

Im Mittelmeer hatte der Feind seinerseits seit Italiens Kriegseintritt den Nachschubkrieg gegen die Seeverbindungen nach Nordafrika geführt, der im Frühsommer 1943 nach dem Fall von Tripolis und Tunis sein Ende gefunden hat. Es stand vorher durchaus nicht in den Sternen geschrieben, daß die Engländer diesen Nachschubkrieg um Nordafrika gewinnen mußten, denn Italien hatte nach dem Ausscheiden Frankreichs durch den deutschen Westfeldzug die stärksten Trümpfe des Spieles um das Mittelmeer in der Hand gehalten. Der wichtigste Trumpf war die vom Duce auf einen bis dahin nie erreichten Bestand moderner Schiffe gebrachte italienische Kriegsmarine. Nur wenige der italienischen Admirale haben jedoch überhaupt begriffen, welche gewaltige Chance für Italien in seiner materiell erneuerten Seemacht lag. Die führenden italienischen Flottenkreise aber konnten die althergebrachte Ehrfurcht vor Englands Seemachtstellung im Mittelmeer nicht überwinden oder schwammen geistig ganz im anglophilen Fahrwasser. Sie scheuten den wirklich großen Einsatz und ermangelten zugleich der technischen Wendigkeit, die der Kleinkrieg zur See erfordert. So unterblieb im ersten Kriegsabschnitt der von aller Welt erwartete Schlag gegen Malta, dem Pfahl im Fleische des Mittelmeeres. Gleichzeitig blieb der eigene Nachschub für Nordafrika ungenügend gesichert, vom späteren offenen Verrat ganz abgesehen.

So konnte es geschehen, daß wenige deutsche Unterseeboote und Schnellboote im Mittelmeer durch ihre Torpedos und Minen dem Feinde gefährlicher wurden als die ganze italienische Kriegsflotte. Auf 10 Kreuzern, rund 75 Zerstörern und Torpedobooten sowie ebenso vielen Unterseebooten Italiens, die ihren Untergang gefunden haben, sind italienische Seeleute gestorben, aber niemals in der Seekriegsgeschichte ist ein solches Opfer so schmählich vertan worden wie von den italienischen Großadmiralen, die schließlich im September 1943 mit den Schlachtschiffen zum Feinde überliefen!

Mit derart vorteilhaften Voraussetzungen wie in Nordafrika und in Süditalien können die Engländer und Nordamerikaner bei keiner Aktion gegen Europa mehr rechnen. Deutschland ist für seine Kriegführung in Europa auf keine ozeanischen Verbindungslinien angewiesen. Natürlich hat die deutsche Seeschifffahrt im europäischen Kriegsverkehr eine sehr hoch einzuschätzende Bedeutung. Im Nachschubdienst für die südlichsten und nördlichsten Teile der Ostfront (Krim und Eismeerküste) ist der Seeweg lebenswichtig. Aber diese bedeutsamen Leistungen des deutschen Seetransportwesens müssen innerhalb des Küstenvorfeldes unter Waffenwirkurig der See- und Luftstreitkräfte vollbracht werden.

Die deutsche Kriegsmarine hat sich den riesenhaften Anforderungen, die der Schutz der meisten europäischen Küsten und der Seewege vor ihnen stellt, in einzigartiger Weise gewachsen gezeigt. Wenn irgendwo, dann hat sich hier der Satz bewahrheitet, daß in diesem Krieg die Männer kämpfen und nicht die Schiffe. Oft genug konnten die Verbände der Sicherungsstreitkräfte nur in Improvisationen aufgestellt werden. Vom Eismeer bis zur Biskaya, im Finnischen Meerbusen und im Schwarzen Meer haben sich diese Verbände der Kriegsmarine auch 1943 hervorragend in harten Kämpfen bewährt. Im Mittelmeer stellten sich ihnen neue ausgedehnte Aufgaben und auch damit sind sie fertig geworden, sei es die notwendige Räumung Sardiniens und Korsikas, sei es der offensive Inselkrieg im Ägäischen, Jonischen und Adriatischen Meer. Die schwimmenden Sicherungsverbände stehen gleichzeitig zusammen mit der Marineartillerie und den Kameraden des Heeres und der Luftwaffe in dem stählernen Abwehrring, der die Küsten Europas schützt.

Jedoch auch in diesem defensiven Abschnitt des Krieges liegt das Schwergewicht der Tätigkeit der deutschen Kriegsmarine nach wie vor auf dem Angriff gegen die feindliche Kriegs- und Handelsflotte. Für diesen offensiven Kampf stellt sie alle ihre Angriffsmittel ein, vom Unterseeboot und Schnellboot bis zum Schlachtschiff. Der ruhmreiche Endkampf der Scharnhorst, das erfolgreiche Seegefecht in der Biskaya und die Nachricht vom Heldentod eines der besten Unterseeboots-Kommandanten, des Eichenlaubträgers Kapitänleutnant Mohr, haben in den letzten Tagen des Jahres von neuem verdeutlicht, in welchem hohen Einsatz der Seekrieg erfolgt.

Die schärfste deutsche Seekriegswaffe bleibt wie bisher das Unterseeboot, der Feind weiß, daß sein im letzten Jahr durch eine bestimmte technische Erfindung gewonnener Vorteil bei der Abwehr nur zeitweilig bleiben wird. Der Tagesbefehl des Führers zum Jahreswechsel hat diese Tatsache unterstrichen. Die Engländer und Nordamerikaner sind ohne Pause genötigt, ein gewaltiges Aufgebot an See- und Luftstreitkräften zum Schutz ihrer Geleitwege im Nachschubkrieg bereitzustellen. Sie bleiben vom Nordmeer bis zum Südatlantik und Indischen Ozean ständig von deutschen Unterseebooten bedroht, die auf den Kriegsverlauf einen so tiefgreifenden Einfluß ausgeübt haben und auch weiter ausüben werden. Ihre Parole bleibt wie immer: „Angreifen.“