Editorial: Common fear of the partner (8-1-43)

Völkischer Beobachter (August 1, 1943)

Gemeinsame Angst vor dem Partner

Washington sieht Moskau nicht deutlich genug
Von unserer Stockholmer Schriftleitung

Stockholm, 31. Juli –
Schon der Abschiedsartikel der Times für den zum Stellvertretenden Außenkommissar ernannten Londoner Botschafter Maisky zeigte, daß man in London und Washington die Furcht vor dem sowjetrussischen Verbündeten nicht loswerden kann. Die Times sprach von Gefahren, die aus einer Uneinigkeit zwischen den Westmächten einerseits und der Sowjetunion anderseits entstehen könnten, und meinte, daß es nun höchste Zeit sei, sich für eine Politik der wirklich guten Zusammenarbeit zu entschließen, die in erster Linie darin zu bestehen habe, daß sich die Bundespartner endlich vorher und in aller Form über ihre nächsten militärischen oder politischen Absichten unterrichten.

Wie aber denkt man sich in England eins Verwirklichung dieses Wunsches, wenn sich nicht einmal England und die USA. in wichtigen Punkten ihrer Politik einig werden können? Sie haben sich in dem Ziel, die Achsenmächte zu vernichten, zusammengefunden, wie sie aber darangehen wollen, welche Methoden und welche Grundsätze sie dabei anwenden wollen, darüber können sie sich schon heute, da die Vernichtung der Achsenmächte jedoch nichts anderes ist als ein alliierter Wunschtraum, nicht einigen. Die Entwicklung in Italien hat, wie bei den Ereignissen in Nordafrika, schon dieses Problem wieder aktuell gemacht. Daß der amerikanische General Eisenhower auch hier wieder alle Vollmachten erhielt, um Entscheidungen nicht nur militärischer, sondern vor allem auch politischer Art zu treffen, ruft besonders in den Kreisen der englischen Linken Mißtrauen und Verärgerung hervor. Sie erinnern sich an den noch immer nicht beseitigten Konflikt in Nordafrika, fürchten ein eigenmächtiges Eingreifen der amerikanischen Regierung und sprechen, wie der Londoner Vertreter von Dagens Nyheter schreibt, bereits offen von „englisch-amerikanischen Gegensätzen in der italienischen Frage.“

Besonders bemerkenswert daran ist aber, daß flicht nur Labourkreise derartige Befürchtungen hegen, sondern – nach der Ansicht des schwedischen Beobachters – auch zahlreiche Londoner Politiker, die in verschiedenen Presse- und politischen Kommentaren zur italienischen Frage hervorheben, daß es:

…zweifellos verschiedene Meinungsdifferenzen gibt zwischen den britischen und den amerikanischen Ansichten über das italienische Problem und die politischen Fragen Europas überhaupt. Diese Gegensätze haben sicherlich kaum eine Bedeutung für die tagesaktuelle Lage, aber sie können möglicherweise späterhin Bedeutung bekommen.

Eigene Absichten der Sowjets

Beunruhigend in den Augen englischer und amerikanischer Beobachter ist, daß man in Moskau noch ganz andere Ansichten zu vertreten scheine. Erst jetzt hat, wie der Vertreter von Stockholms Tidningen in Neuyork schreibt, Stalin die USA. und Großbritannien:

…darüber aufgeklärt, daß die Sowjetunion die Absicht hat, unabhängig von ihren Verbündeten Schritte und Maßnahmen für die Regelung nach dem Kriege zu ergreifen im Hinblick auf Ost-, Zentraleuropa und den Balkan, wenn nicht überhaupt ganz Europa.

Stalin scheine – so stellt man in diplomatischen Kreisen Washingtons erschrocken fest – die Absicht zu haben, „eine europäische Ordnung nach seinen eigenen Richtlinien und unter der Führung Moskaus zu errichten.“

Obwohl man, wie die Ausführungen des ehemaligen USA.-Botschafters in Moskau, Davies, gezeigt haben, selbstverständlich bereit war, der Sowjetunion das Recht auf „eigene Sicherheitszonen in Europa“ zuzubilligen, scheint die Tatsache aber, daß Stalin anscheinend nicht bereit ist, sich etwas von der Gnade der Westmächte „zubilligen“ zu lassen, sondern sich eigenmächtig das nehmen wird, was er haben will, in den USA. und in England peinliche Gefühle hervorzurufen. Während die Iswestija einen scharfen Artikel über das ost- und südosteuropäische Problem veröffentlichte, der, da er im Moskauer Rundfunk in englischer Sprache wiedergegeben wurde, ausdrücklich an die Westmächte gerichtet war und sich gegen die alliierten Pläne, Staatenbünde in Ost- und Südosteuropa zu schaffen, wandte, melden sich also in den USA. Stimmen, die die Sowjetunion bitten, sich mehr um ihre Verbündeten im Westen zu kümmern und ein wenig Rücksicht auf die Wünsche Englands und der USA. zu nehmen. Diese „Ermahnungen“ gehen selbstverständlich nur von einzelnen Politikern aus, die noch dazu in einem gewissen Gegensatz zu der offiziellen Regierungspolitik stehen. Daß Roosevelt und Churchill es schon längst aufgegeben haben, die Sowjetunion zurechtzuweisen, ist bekannt. Sie haben in ihrer Fügsamkeit allen Moskauer Wünschen gegenüber ihrer eigenen Atlantik-Charta bereits heute durch eigenen Willen ein unrühmliches Ende bereitet. Immerhin aber ist es ganz interessant zu wissen, daß man in den USA. dennoch im ungewissen über die Moskauer Politik ist, weil man nicht weiß, worauf sie hinausläuft und wie weit sie gehen wird.

Politik des Nachgebens

Der als „fortschrittlicher Republikaner“ bekannte Senator Nye drückte sich vor einiger Zeit so aus, daß Stalin leider noch immer die Welt über seine Kriegsziele in Unkenntnis schweben lasse. Was er bisher darüber enthüllt habe, sei ein „beunruhigendes Zeichen dafür, daß es nicht die Grundsätze der Atlantik-Charta zu enthalten scheine, sondern nur seine traditionelle Realpolitik.“ Wenn Stalins Außenpolitik, so stellte Senator Nye fest:

…nach wie vor im krassen Gegensatz zu unseren Grundsätzen steht, für die wir kämpfen, kann er nicht erwarten, daß wir miteinander einig bleiben…

Die Times hat also recht. Es gibt Konfliktstoffe zwischen den Westmächten und der Sowjetunion. Die Times forderte eine Politik der wirklichen guten Zusammenarbeit. Das kann nur bedeuten, daß England und die USA. den Forderungen Moskaus gegenüber immer nachgiebiger werden und noch immer größere Zugeständnisse machen müssen. Denn daß Stalin nicht gewillt ist, sich von seinen Verbündeten etwas vorschreiben zu lassen, das hat er nun schon oft genug gezeigt und ausgesprochen.

1 Like