Salzburger Nachrichten (August 3, 1945)
Potsdamer Konferenz abgeschlossen
Deutschland soll nie wieder den Frieden der Welt bedrohen
LONDON, 2. August (Reuter/OWI) – Die Pläne zur endgültigen und völligen Vernichtung des nationalsozialistischen deutschen Generalstabes und des gesamten deutschen Kriegspotentials zusammen mit „allen anderen notwendigen Maßnahmen, die verhindern sollen, dass Deutschland je wieder den Frieden der Welt bedrohe,“ sind in einem 7000 Worte umfassenden Bericht niedergelegt. Dieser Bericht wurde heute Nacht zum Abschluss der Potsdamer Konferenz der „Großen Drei“ herausgegeben und in London, Washington, Moskau und Berlin veröffentlicht.
Die gesamten deutschen Streitkräfte auf dem Lande, zur See und in der Luft, welcher Art sie auch immer sein mögen, sollen vollkommen aufgelöst werden. Alle Waffen, die gesamte Munition und das übrige Kriegsmaterial werden von den Alliierten übernommen oder zerstört werden. Sämtliche Einrichtungen und Gesetze der Nazis sind für ungültig erklärt. In der nächsten Zeit darf keine deutsche Zentralregierung gebildet werden. Die Herstellung von Waffen aller Art, sowie von Flugzeugen und Seeschiffen, wird verboten, die mächtigen deutschen Handelskartelle und Syndikate sollen zerschlagen und die deutsche Wirtschaft dezentralisiert werden. Die Erzeugung soll sich auf die Landwirtschaft und eine die Friedensgüter erzeugende Industrie beschränken.
Deutschland wird dazu gezwungen werden, alle Vorbereitungen zu treffen, „um in größtmöglichem Umfang die Schäden und Verluste, die es verursacht hat, wieder gutzumachen.“ Es werden ihm aber trotzdem genügend Hilfsmittel für eine Existenz ohne auswärtige Hilfe gelassen werden. Kriegsverbrecher werden einer „raschen und sicheren Justiz“ unterworfen und die erste Zusammenstellung der kommenden Verhandlungen wird noch vor Ende dieses Monats veröffentlicht.
Deutschland soll nicht versklavt werden
Die „Großen Drei“ erklärten: Es ist nicht die Absicht der Alliierten, das deutsche Volk zu vernichten oder zu versklaven, sondern ihm Gelegenheit zu geben, den Wiederaufbau seiner Existenz auf einer demokratischen und friedlichen Basis vorzubereiten, so dass es im Laufe der Zeit seinen Platz unter den freien und friedliebenden Völkern der Welt einnehmen kann. Zu diesem Zweck soll das deutsche Erziehungswesen auf neue und demokratische Grundlagen gestellt und eine lokale demokratische Selbstverwaltung wiederhergestellt werden. Soweit es die militärische Sicherheit zulässt, soll Rede-, Presse- und Religionsfreiheit gestattet sein.
Während der Besetzungsdauer, deren Länge noch nicht feststeht, soll Deutschland als ein einheitliches Wirtschaftsgebiet unter alliierter Wirtschaftskontrolle behandelt werden. Der Bericht kündigt auch die Bildung eines Rates der Außenminister Von Großbritannien, Sowjetrussland, China, Frankreich und den Vereinigten Staaten mit einem ständigen Sekretariat in London an. Der Rat der Außenminister der fünf ständigen Ratsmitglieder der vorgeschlagenen Organisation der Vereinten Nationen wurde ermächtigt, den Friedensvertrag mit Italien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Finnland zu entwerfen. Außerdem wurde der Rat ermächtigt, einen „Vorschlag zur Regelung der zum Zeitpunkt der Beendigung des Krieges in Europa ungelösten territorialen Fragen“ zu konzipieren.
Soweit es durchführbar ist, soll die Bevölkerung in ganz Deutschland in gleicher Weise behandelt werden. Der Zweck der Besatzung ist die vollkommene Entwaffnung und Entmilitarisierung Deutschlands sowie die Beseitigung des Einflusses aller jener deutschen Industrien, die zur Erzeugung von Kriegsmaterial dienen könnten. Zu diesem Zweck müssen alle deutschen Streitkräfte sowie alle übrigen militärischen Organisationen, Vereine und Verbände, welche die militärische Tradition in Deutschland am Leben erhalten könnten, aufgelöst werden.
Alle Mitglieder der Nazipartei, die mehr als nur gewöhnliche Mitläufer waren, sollen aus verantwortungsvollen Positionen entfernt und durch Personen, die den demokratischen Einrichtungen würdig erscheinen, ersetzt werden. Die deutsche Erziehung soll so vollkommen überwacht werden, als zur völligen Ausschaltung von militaristischen und Nazi-Lehren notwendig ist und eine erfolgreiche Entwicklung der demokratischen Ideen gewährleistet. Das Gerichtssystem wird in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Demokratie reorganisiert werden. Das Verwaltungswesen in Deutschland soll auf eine Dezentralisierung des politischen Aufbaus und auf eine Entwicklung einer geteilten Verantwortung hingelenkt werden. Alle demokratischen politischen Parteien sollen in ganz Deutschland erlaubt und gefördert werden. Das Vertretungs- und Wahlprinzip soll in der Regional-, Provinzial- und Landesverwaltung eingeführt werden.
Kontrolle über die deutsche Wirtschaft
Die deutsche Wirtschaft soll einer alliierten Kontrolle unterworfen werden, jedoch nur, soweit dies notwendig ist‚ um die industrielle Abrüstung, Entmilitarisierung und die Reparationen sicherzustellen und die Erzeugung von Gütern und Aufrechterhaltung von Leistungen zu garantieren. Diese Leistungen müssen den Bedürfnissen der Besatzungsmächte und der Umgesiedelten entsprechen und sind notwendig, um Deutschland eine durchschnittliche Lebenshaltung zu sichern, die über die durchschnittliche Lebenshaltung anderer europäischer Länder nicht hinausgeht.
Es sollen ehestens Maßnahmen ergriffen werden, um das Transportwesen wieder in Ordnung zu bringen, die Kohlenproduktion zu steigern, einen Höchstertrag der Landwirtschaft zu erzielen und um die dringendsten Reparaturen an den Wohnhäusern und öffentlichen Einrichtungen vorzunehmen. Der Kontrollrat wird geeignete Maßnahmen ergreifen, um einen Überblick über die deutschen Auslandsguthaben zu bekommen und darüber zu verfügen. Die Reparationszahlungen sollen dem deutschen Volke hinreichende Mittel belassen, um ohne ausländische Hilfe leben zu können. Zur Bezahlung der bewilligten Einfuhr soll in erster Linie der Ertrag der Ausfuhr herangezogen werden.
Die Kriegsentschädigungen
Über dies wurde ein Abkommen über zu leistende Kriegsentschädigungen erzielt, das folgenden Inhalt hat:
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Die Ansprüche Sowjetrusslands auf Kriegsentschädigungen sollen durch Sachgüter, die aus der russischbesetzten Zone Deutschlands entnommen werden sowie durch deutsche Auslandsguthaben befriedigt werden.
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Sowjetrussland verpflichtet sich, die Ansprüche Polens auf Kriegsentschädigung durch einen entsprechenden Teil der ihm geleisteten Reparationen zu befriedigen.
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Die Ansprüche der Vereinigten Staaten, Großbritannien und anderer zu Kriegsentschädigungen berechtigter Staaten sollen durch Leistungen, die aus der westlichen Zone entnommen werden, und durch deutsche Auslandsguthaben befriedigt werden.
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Sowjetrussland soll überdies aus den deutschen Westgebieten folgende Leistungen erhalten:
a) 15 Prozent aller brauchbaren und vollständigen Anlagen der Metallindustrie, sowie der chemischen und Maschinenindustrie, soweit sie nicht für die deutsche Friedenswirtschaft erforderlich sind, sind gegen entsprechende Zufuhren von Nahrungsmitteln, Kohle, Kali, Zink, Bauholz, Tonwaren und Petroleumprodukten einzutauschen;
b) 10 Prozent der Industrieanlagen, soweit sie nicht für die deutsche Friedenswirtschaft unbedingt erforderlich sind, sind der Regierung Sowjetrusslands zur Verfügung zu stellen, wobei diese Leistung auf die Kriegsentschädigung angerechnet wird, ohne dass irgendeine Gegenleistung dafür zu erfolgen hat.
Termin für Kriegsentschädigungen
Der Wert der industriellen Anlagen, die aus den westlichen Gebieten bezogen werden, muss in Anrechnung auf die Kriegsentschädigung innerhalb von 6 Monaten festgesetzt werden. Der Abtransport der industriellen Anlagen soll sobald als möglich beginnen und innerhalb von 2 Jahren nach dem festgesetzten Zeitpunkt abgeschlossen sein. Die Lieferung der in Abschnitt (A) genannten Erzeugnisse soll durch die Sowjetunion innerhalb 5 Jahren in festgelegten Raten durchgeführt werden. Die Festlegung, der Höhe und Art der industriellen Einrichtungen, die für Kriegsentschädigungen verwendet werden können, soll durch den Kontrollrat unter Teilnahme Frankreichs vorgenommen werden. Sie ist außerdem noch der endgültigen Prüfung durch die Befehlshaber der betreffenden Zone, aus der diese Einrichtungen abtransportiert werden sollen, unterworfen.
Bevor die endgültige Höhe der abzuliefernden Einrichtungen bestimmt ist, sollen durch den Kontrollrat vorläufige Lieferungen festgelegt werden. Die Regierung Sowjetrusslands verzichtet auf alle Ansprüche in Bezug auf Aktien deutscher Unternehmen in der eigenen und in den westlichen Zonen und auf die deutschen Guthaben im Ausland.
Die Regierungen Großbritanniens und der USA verzichten auf ihre Wiedergutmachungsansprüche, auf Anteile an den deutschen Unternehmen, die in der Ostzone gelegen sind sowie auf die Auslandsguthaben in Bulgarien, Finnland, Ungarn, Rumänien und Österreich. Die Sowjetregierung erhebt Anspruch auf das durch die alliierten Truppen in Deutschland erbeutete Gold.
Polens Grenzen
Die zukünftige Grenze Polens wird erst im Friedensschluss festgelegt werden, doch soll Polen das Gebiet östlich der Flüsse Oder und Neiße verwalten. Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn werden ersucht, die Umsiedlung von Bevölkerungsgruppen bis zur weiteren Klärung der Lage vorläufig einzustellen. Der Bericht bietet den qualifiert neutralen Staaten die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen an, mit ausdrücklichem Ausschluss der spanischen Regierung. Es wird festgestellt, dass die Regierungen der Vereinigten Staaten‚ Sowjetrusslands und Großbritannien ein Ansuchen der gegenwärtigen spanischen Regierung um Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen „nicht unterstützen würden, da diese durch die Unterstützung der Achsenmächte begründet Worden ist und da sie angesichts ihres Ursprungs, ihrer Natur‚ ihrer Haltung in der Vergangenheit und ihrer nahen Beziehung zu den Angreifer-Staaten nicht die Eignung hat, die erforderlich ist, um eine solche Mitgliedschaft zu rechtfertigen.“
Im Hinblick auf die Provisorische Polnische Regierung der Nationalen Einheit bestätigte der Bericht, dass die frühere polnische Regierung in London nicht mehr besteht und stellte fest, dass die Regierungen von Großbritannien und den Vereinigten Staaten Maßnahmen ergriffen hätten, um die Interessen der Provisorischen Polnischen Regierung als der anerkannten Regierung des polnischen Staates zu schützen. Der Provisorischen Polnischen Regierung wird volle Förderung zuteilwerden zwecks Durchführung aller ordentlichen und gesetzmäßigen Maßnahmen zur Wiedererlangung des Besitztums des polnischen Staates, dass diesem Widerrechtlich enteignet worden ist. Die drei Mächte sind besonders bestrebt, der Provisorischen Polnischen Regierung zu helfen, alle Polen im Auslande so rasch wie möglich zurückzuführen, soweit sie dies selbst wünschen, einschließlich der Angehörigen der polnischen Wehrmacht und der Handelsmarine.
Über die Kriegsverbrecher
Die drei Regierungen bestätigen nochmals ihre Absicht, Hauptkriegsverbrecher, deren Verbrechen auf kein bestimmtes geographisches Gebiet beschränkt waren, einer raschen Aburteilung zuzuführen. Sie hoffen, dass die Verhandlungen in London zu einem raschen Ergebnis führen werden und betrachten es als eine Angelegenheit von großer Bedeutung, dass der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher möglichst früh beginnen soll. Die erste Liste der Angeklagten soll vor dem 1. September veröffentlicht werden.
Österreich
Die Konferenz prüfte den Vorschlag der Sowjetregierung, die Zuständigkeit der vorläufigen österreichischen Regierung auf ganz Österreich auszudehnen und kam darin überein, diese Frage erst nach dem Einzug der britischen und amerikanischen Streitkräfte in Wien zu prüfen.