Leitartikel: Bedingungslose Kapitulation
Gestern hat Deutschland bedingungslos kapituliert. Der Krieg ist zu Ende. Das Recht hat gesiegt. Es wird wieder Friede sein auf Erden.
Sehnsüchtig haben die Völker auf diesen Tag gewartet, der kommen mußte, mit derselben Notwendigkeit, mit der die Sonne die Nacht verscheucht. Die Niederlage Deutschlands war geschichtlich vorausbestimmt, denn der Raubzug des Rassenhasses, des Größenwahns gegen die freiheitsliebenden Völker mußte schließlich den vereinigten Widerstand der Welt hervorrufen. Diese unabwendbare Niederlage war seit dem Winter 1941/42, seit der ersten Katastrophe der Hitlerarmee vor den Toren von Moskau und vor allem seit der Schicksalswende von Stalingrad für jeden denkenden Menschen offenkundig. Eine deutsche Staats- und Armeeführung mit einem Funken Verantwortungsgefühl hätte damals die Konsequenzen gezogen und sie zum Frieden um jeden Preis bereit erklärt. An der Spitze Deutschlands aber standen keine Volksführer und keine Staatsmänner, sondern verbrecherische Abenteurer, herz- und hirnlose Banditen, deren Gewerbe nur die Zerstörung, deren Ziel nur das Chaos war. Und die deutsche Nation hatte sich mit Leib und Seele dieser verschworenen Räuberbande ausgeliefert und fand in sich nicht die sittliche Kraft, den Rückweg. zu Vernunft und Wahrheit anzutreten. So wurde denn ein wahnwitziger, aussichtsloser, krimineller Krieg fortgesetzt, ein Krieg der Lüge, der Sturheit, der Selbstverblendung und Selbstzerfleischung gegen die große Freiheitsfront der Völker, denen der Sieg gebührt und denen er darum gehört.
Es gibt keinerlei Entschuldigung, nicht den leisesten Milderungsgrund für die deutsche Raserei, die den Krieg begonnen hat und die ihn weiterschleppte, sechs Jahre lang, über Trümmerhaufen und Leichenberge, über den Schutt und die Asche von Städten, die der deutsche Führer und der deutsche Soldat mutwillig dem Untergang preisgaben, über das qualvolle Sterben und namenlose Elend von ungezählten Millionen, die kaltblütig aufgeopfert wurden im Namen einer frechen Räuberbande, einer unmenschlichen Räubermoral. Es liegt kein Hauch von Größe, von Heroismus über diesem hundertfach verdienten Zusammenbruch, sondern nur der Grabeshauch eines jammervollen Gehorsams und der Leichendunst einer ungeheuerlichen Verantwortungslosigkeit. Die Menschheit verflucht die deutschen Kriegsverbrecher nicht nur darum, weil sie gewissenlos den Krieg entfesselten, sondern weit mehr noch darum, weil sie ihn bis zum schreckensvollen Ende hinauszogen, bis zum Tag eines nie dagewesenen militärischen, politischen und moralischen Zusammenbruchs, einer wahrhaft schauerlichen Katastrophe. Wir Österreicher haben allen Grund, aus tiefsten Herzenstiefen in diesen Fluch der Menschheit einzustimmen, denn unser Land und Volk mußte die letzte Verzögerung der unvermeidlichen bedingungslosen Kapitulation mit allen Schrecken des Krieges, mit den Ruinen von Wien, mit der weitgehenden Zerstörung unserer Industrie und Landwirtschaft bezahlen. Um ein paar Wochen später zu kapitulieren, haben die deutschen Kriegsverbrecher unser Osterreich zum Kriegsschauplatz, unser Wien zu einer Stadt der Trauer und Trümmer gemacht. Niemals werden wir das vergessen.
Der Krieg ist zu Ende. Doch immer noch gibt es eingefleischte Nazischufte, die das Mordhandwerk auf eigene Faust fortzusetzen gedenken. Die Reichsregierung hat kapituliert, aber der Sender Prag, einer der letzten deutschen Sender, die noch in der Hand der Banditen sind, hat zu weiterem Widerstand aufgefordert. Die SS-Mordbuben sollen wissen: Wer jetzt noch mit der Waffe in der Hand den Armeen der freien Völker entgegentritt, wird nicht als Soldat, sondern als Wegelagerer behandelt. Und ebenso fordert das Volk, dass jeder Lump, der jetzt noch aktiv als Nazi tätig ist und den Aufbau Österreichs stört, mit dem Tode bestraft wird. Bedingungslose Kapitulation der Hitlerpartei ist die notwendige Folge der bedingungslosen Kapitulation Hitlerdeutschlands. Wir wollen endlich, endlich den Frieden – und wehe jedem, der sich vermisst, weiterhin einen Privatkrieg gegen Volk, Recht und Ordnung zu führen!
Es ist ein teuer erkaufter, schwer erkämpfter Friede, dessen ersten Morgenhauch wir endlich verspüren. Wir werden ihn schützen, entschlossen, einmütig und mit brennender Leidenschaft.