Das Ende des Bürgers
Von Wilhelm Weiß
Wir wissen nicht erst seit gestern, dass wir in diesem Kriege einen Weltkampf zu bestehen haben, dessen Vorläufer nur in den ganz großen Schicksalsstunden Europas zu finden sind.
Das deutsche Volk kennt heute die geschichtlichen Beispiele, an die es durch eine Reihe von Veröffentlichungen und zuletzt erst wieder durch den berufenen Mund des Führers selbst erinnert wurde. Ob wir an die Hunnenschlacht auf den Katalaunischen Feldern im fünften Jahrhundert denken oder an den Sieg über die Araber bei Tours und Poitiers dreihundert Jahre später, oder an den Mongolensturm, der in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts über Schlesien und über die Karpaten hinwegbrauste, oder an die Vorstöße der Türken bis Wien im 16. und 17. Jahrhundert, alle diese Angriffe haben mit der heutigen Kriegslage das eine gemeinsam, dass sie erst unmittelbar vor den Toren der europäischen Kernlande und nicht selten erst im inneren Bereich der bedrohten Festung selbst zum Stehen kamen. Oft erst nach jahrzehntelangen Kämpfen fiel die militärische Entscheidung. Dann nämlich, wenn die Zeit reif war, um mit der Entscheidung auf dem Schlachtfeld zugleich auch das Urteil darüber zu sprechen, ob die geistige und soziale Verfassung des Abendlandes dazu ausreichte, dem ihm zugedachten Untergang mit Erfolg zu begegnen.
Seit Marathon hat der asiatische Despotismus nicht aufgehört, die Freiheit des europäischen Menschen und seine Lebensideale mit der Vernichtung zu bedrohen. Immer ging es in diesen Entscheidungskämpfen der Weltgeschichte darum, die Errungenschaften des abendländischen Geistes gegen Nomadisierung und Auflösung in der Form- und Geschichtslosigkeit der östlichen Steppe zu verteidigen.
Schicksalsstunden der Weltgeschichte kommen nicht von ungefähr. Generationen sind meist damit beschäftigt, den Aufmarsch der Mächte vorzubereiten, bis endlich in einer blutigen gewaltsamen Auseinandersetzung die Würfel darüber fallen, unter welchem Zeichen die Welt weiterhin stehen soll. Der Weltkampf, der heute auf den europäischen Schlachtfeldern der Entscheidung entgegengeht, hat lange vor dem Zeitpunkt begonnen, in dem der Ruf zu den Waffen erscholl. Dieser totale Krieg mit seinen Massenheeren, die gleich einer neuen Völkerwanderung durch Europa stürmen, ist selbst nur die Folge jener gewaltigen sozialen Revolution, die sich seit Beginn unseres Jahrhunderts auf unserem Erdteil vollzieht.
Als die Frontsoldaten des ersten Weltkrieges nach Hause zurückkehrten, fanden sie hier eine Bürgerrepublik vor, die soeben in Weimar den Beschluss gefasst hatte, dem Aufstand der kommunistischen Massen mit „Schönheit und Würde“ zu begegnen. Das Bürgertum, das im wilhelminischen Deutschland mit den Mitteln seines technischen Fortschritts die Voraussetzungen für die soziale Revolution unfreiwillig schuf und mit dem Einsatz seines eigenen Kapitals geradezu finanzierte, dieses gleiche Bürgertum war nach 1918 bereit, im Zeichen der Demokratie mit jenen zu paktieren, die aus dem Kampf gegen die Bourgeoisie überhaupt erst ihre Existenzgrundlage bezogen. Denn welche Chance konnte der marxistische Klassenkampf jemals haben, wenn ihm nicht sein natürlicher Feind, der bürgerliche Kapitalismus, selbst die zugkräftigsten Parolen lieferte? Hier begann ein Kampf bis aufs Messer, ein Kampf, der dem Besitzbürgertum ganz Europas seit dem Augenblick angesagt war, in dem die rote Internationale mit ihrer Fanfare „Proletarier aller Länder, vereinigt euch“ zum Sturm blies.
Der Fall Weimar war hoffnungslos. Von hier war keine Rettung vor der roten Flut mehr zu erwarten. Die deutschen Frontkämpfer, die auf den Kriegsschauplätzen Europas zum Bewusstsein ihrer Schicksalsgemeinschaft gekommen waren, waren die ersten, die erkannten, dass das bürgerliche Zeitalter der Geschichte angehörte. Waren sie deshalb selbst Klassenkämpfer, weil sie in einem Staat der Händler und Geschäftemacher nicht mehr den Weg zu einem bürgerlichen Beruf, wie man damals sagte, zurückfanden? „Entwurzelte Elemente“ glaubte die ebenso jüdische wie bürgerliche Presse damals in uns sehen zu sollen. Eines ist sicher: Wir waren keine Bürger mehr! Aber gerade weil wir es nicht mehr waren, darum trat mit uns der drohenden Bolschewisierung die erste entschlossene Kraft entgegen, die einzige, die überhaupt das Zeug dazu hatte, der Zersetzung und Zerstörung des deutschen Volkes von innen her Einhalt zu gebieten. Nicht von den Bürgern von Weimar wurde der Bolschewismus in Deutschland aufgehalten, sondern von den Nationalsozialisten, von jenen Soldaten einer neuen Zeit, die schon in den Schützengräben von 1914 bis 1918 sich ihres neuen Lebensstils bewusst geworden waren. Ihr frontsozialistisches Erlebnis stand in direktem Gegensatz zu dem Stumpfsinn, mit dem die Heimat ihre bürgerlichen Lebensgewohnheiten verteidigte. Sie erkannten, daß die Wiedergeburt der deutschen Nation nach Versailles nicht mehr mit Menschen zu erreichen war, die im bequemen Besitz, im persönlichen Reichtum, kurz, in der Sicherheit einer gut bürgerlichen Existenz ihr Lebensideal erblickten.
Es war die historische Tat der nationalsozialistischen Bewegung, als sie aus dieser Erkenntnis entschlossen die Konsequenzen zog und in einem mühsamen, aber beharrlichen Ringen die innere und äußere Verwandlung des deutschen Menschen erzwang. Nicht das Geschäftemachen war unserem Geschlecht vom Schicksal vorherbestimmt, sondern ein Leben für Volk und Reich. Das aber bedeutet Kampf! Gefahrvollen und opferreichen Kampf, zu dem man sich ohne Wenn und Aber bekennen musste, wenn anders man überhaupt entschlossen war, mit dem Leben und der Freiheit der Nation zugleich auch die eigene Freiheit und das private Leben zu retten. Mit der Verteidigung bürgerlicher Privilegien und Standesinteressen hatte das freilich nichts mehr zu tun. Aber wo eine Weltordnung im Chaos zu versinken begann, da war auch der Kampf mit geistigen Waffen auf die Dauer nur von jenen zu gewinnen, die ein scharfes Schwert zu führen wussten.
Das alles wussten wir schon vor einem Vierteljahrhundert, als die ersten Nationalsozialisten den verwegenen Entschluss fassten, dem Klassenstaat der Novembermänner ein Ende zu bereiten, als Adolf Hitler mit seinen 25 Thesen die Grundlagen für eine neue Staats- und Gesellschaftsordnung proklamierte, als wir mit unserer Absage an den Bürger dem klassenhetzerischen Marxismus das beste Argument aus der Hand schlugen.
Mit dem Sieg der nationalsozialistischen Idee wurde die gesellschaftliche Verfassung Deutschlands total verändert, lange bevor der Bolschewismus seine Klassenkampfheere nach Westen in Bewegung zu setzen vermochte. An unserer Ostgrenze kämpft heute keine kaiserliche Armee mehr, geführt von einer exklusiven Offizierskaste, sondern ein deutscher Volksheer, dessen Führung mit den letzten Resten der Feudalität und des Standesdünkels radikal aufgeräumt hat. Die Volksverbundenheit der deutschen Wehrmacht aber wird von der Partei garantiert. Diesen Krieg gegen das Nomadentum der östlichen Steppe, gegen den Nihilismus jüdischer Klassenhetzer führt ein Volk der Soldaten und Arbeiter, kein müder Bürgerstaat, der vor der ungeistigen Robustheit der roten Kommissare resigniert und kapituliert.
Was sich heute auf den militärischen und politischen Schlachtfeldern Europas abspielt, findet somit seine sicherste Erklärung in den Ereignissen der vergangenen Jahrzehnte. Reihenweise haben in den letzten Jahren kriegsmüde gewordene Staaten die weiße Fahne gehisst, um vor dem Feind zu kapitulieren. Man wollte sich – wie man den verratenen Völkern sagte – von ihm „befreien“ lassen. In Wahrheit war es überall die Feigheit des regierenden Bürgertums, das nicht mehr kämpfen wollte und glaubte, sich mit dem Bolschewismus ebenso vergleichen zu können, wie es das in seinem privaten Geschäftsleben zu tun pflegte. Die bittere Enttäuschung, die hinterher mit den Schauprozessen und Exekutionskommandos der GPU kam, hätten sich die Bürger von Bukarest und Sofia, von Rom und Helsinki ersparen können, wenn sie sich die Mühe gemacht hätten, sich rechtzeitig darüber Rechenschaft abzulegen, dass sie selbst gemeint waren, als man in Moskau von den Kapitulanten die Vernichtung aller „antibolschewistischen“ Elemente forderte.
Zwei Jahrzehnte lang beschäftigten sich die bolschewistischen Machthaber in der Sowjetunion damit, die russische Oberschicht nach Millionen zu liquidieren und abzuschlachten. Das waren keine Nationalsozialisten, das waren Bürger, regelrechte Vertreter der sogenannten besitzenden Klasse, Kapitalisten also, gegen die man den Marxismus erst erfunden hatte und ohne die es daher auch keine Bolschewisten gäbe, wenigstens nicht nach der herrschenden Lehre der marxistischen Schriftgelehrten.
Welchem Irrwahn gibt man sich eigentlich im europäischen Bürgertum heute noch hin? Glaubt man, der Bolschewismus könnte, selbst wenn er wollte, jemals das Gesetz verleugnen, nach dem er bei seiner Geburt angetreten ist? Dieses Gesetz aber lautete kurz und bündig: Ausrottung der Bourgeoisie! Tod allen Kapitalisten! Oder glauben die Demokraten und Bürger in Westeuropa, deshalb ihrem Schicksal zu entgehen, weil sie sich mit dem Kreml zur gemeinsamen Vernichtung des nationalsozialistischen Reiches verbündet haben? Zweifellos hat der Bolschewismus im Nationalsozialismus seinen gefährlichsten Gegner erkannt und gefunden. Zweifellos hat sich Stalin in Jalta mit den beiden anderen Kriegsverbrechern in dem Beschluss geeinigt, den Nationalsozialismus zu zerstören. Aber was versprechen sich die bürgerlichen Plutokraten auf der anderen Seite unseres Kontinents davon für sich selbst? Man denke sich die nationalsozialistische Mauer zwischen der Ostsee und der Donau weg, um sich vorstellen zu können, was von den Resten des europäischen Bürgertums noch übrigbleiben würde, trotz aller Bündnisverträge und trotz aller Demütigungen, die man in den Ländern Churchills, de Gaulles, Bonomis usw. vor Moskau auf sich zu nehmen bereit ist.
Die Revolutionstribunale von Sofia, Bukarest, Athen, Belgrad erteilen mit ihren Bluturteilen gegen biedere Patrioten die aufschlussreichste Antwort auf die Frage, ob die bolschewistische Mordjustiz geneigt sein wird, vor ihren bürgerlichen Wegbereitern haltzumachen. Gegen Hungerrevolten und kommunistische Straßendemonstration hilft keine Aufteilung Europas in Interessensphären. Das eben ist der Irrtum der Demokratie, an der sie am Ende auch zugrunde gehen wird. An das, was die Sowjetdiplomatie in Jalta amtlich unterschreibt, brauchen sich die Kommunisten in Paris, Brüssel und auch in London nicht zu halten. Gegen den Bolschewismus im eigenen Land ist jede Demokratie machtlos, oder sie hört auf, eine Demokratie zu sein. Heute schützt sie noch, ob sie es wahrhaben will oder nicht, der nationalsozialistische Wall im Osten und die Entschlossenheit der deutschen Kriegführung, sich der geschichtlichen Aufgabe zu unterziehen, zu der sich das bürgerliche Europa nicht mehr fähig erwies.
„Nur ein bürgerlicher Schwachkopf kann sich einbilden, dass die Flut aus dem Osten nicht gekommen sein würde, wenn ihr Deutschland statt mit Kanonen, Panzern und Flugzeugen mit papierenen Völkerrechten entgegengetreten wäre.“ Sicher ist eines: Mit diesen bürgerlichen Schwachköpfen, von denen der Führer in seiner Proklamation zum 25. Jahrestag der Verkündung des Parteiprogramms sprach, hätte der Bolschewismus zweifellos ein leichteres Spiel gehabt als mit dem nationalsozialistischen Deutschland, das bereit war, dem Sturm aus Innerasien mit den Mitteln zu begegnen, die im Kampf gegen den Erbfeind des Abendlandes allein Erfolg versprachen. Erst als an Stelle der kapitulationsbereiten Bourgeoisie nationalsozialistische Divisionen den Sowjetmassen gegenübertraten, stieß die beabsichtigte Weltrevolution der Moskauer Klassenkämpfer auf ein Hindernis, das im Programm nicht vorgesehen war.
Wir erwarteten uns dieserhalb keinen Dank von den Bürgern Europas. Dass sie uns zudem in ihrer beispiellosen Verblendung noch in den Rücken fielen, ist uns höchstens eine neue Bestätigung der alten Erfahrung, dass es in den Entscheidungsstunden der europäischen Geschichte dem deutschen Soldaten in der Regel bestimmt war, einsam und allein die Freiheit der europäischen Heimat zu verteidigen. Wenn dies auch heute wieder unser Los ist, so sind wir uns der tragischen Schwere der uns auferlegten Prüfung wohl bewusst. Sie zu bestehen, bedarf es des Einsatzes aller Kräfte, deren unsere Kampfmoral und unsere Standhaftigkeit überhaupt fähig sind. Die militärische Krise der letzten Wochen und Monate zeigt uns mit dramatischer Eindringlichkeit, dass der Krieg auf des Messers Schneide steht. Aber sie ist uns zugleich ein Beweis dafür, wie sehr das Schicksal zögert, seinen Urteilsspruch in einem Prozess zu fällen, der vor dem Forum der Weltgeschichte ausgetragen wird. Eben darum brauchen wir dieses Urteil nicht zu fürchten. Denn unser Wissen von der geschichtlichen Alternative, vor die wir uns in diesem Weltkampf gestellt sehen, ist nicht von heute und stammt nicht erst aus diesem Kriege. Es ist so alt wie unsere Fähigkeit, politisch zu denken und zu handeln. So alt wie jene Generation politischer Soldaten, die sich über die Gefährlichkeit der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung und ihrer barbarischen Ziele seit dem letzten Krieg niemals einer Täuschung hingaben. Kurz, dieses Wissen ist so alt wie der Nationalsozialismus selbst. Und ebenso lang schon steht daher unser Leben unter dem Gesetz jenes gebieterischen Entweder-Oder, von dem Nietzsche sagt:
Um sich aus dem Chaos zur Gestaltung emporzukämpfen, dazu bedarf es einer Nötigung: Man muss die Wahl haben, entweder zugrunde zu gehen oder sich durchzusetze.
Weil wir die grenzenlose Not kennen, der wir alle ausgeliefert wären, wenn wir schwach würden, darum ist unser Entschluss unwiderruflich, diesen Kampf auf Leben und Tod getreu dem Gesetz zu vollenden, nach dem wir einst angetre en sind. Die Nötigung besteht für uns in dem Ruf des Schicksals, die Forderung unseres Jahrhunderts zu erfüllen, der sich außer dem deutschen jedes andere Volk in Europa entzogen hat.