Broadway-Melodien
(SS-pk.) – In einer amerikanischen Zeitschrift, die irgendwo vergessen im Schnee lag, sahen wir folgendes Bild: An der Reeling eines Überseedampfers, der in den Halen von Neuyork einläuft, stehen drei sonnengebräunte Soldaten mit lachenden Gesichtern.
Einer von ihnen trägt über der Schulter einen deutschen Stahlheim, auf den ein großes Hakenkreuz gemalt ist. Es besteht kein Zweifel darüber, dass dieses Bild die Stimmung und Hoffnung des amerikanischen Soldaten enthielt, der, gesättigt von den Siegen eines abenteuerlichen Sommers, die Gedanken heimwärts richtete.
Es kommt uns dabei auch das Bild in Erinnerung, das einer aus Paris mitbrachte, der die Amerikaner dort auf den Straßen sah: Zu zehn Mann. Arm in Arm. über die Boulevards ziehend, singend und mit Äpfeln wertend, die sie aus den Gärten holten. Und vor uns haben wir den Brief von Joan aus Texas, datiert vom 15. November, in dem sie schreibt: „Wir haben gelesen, wie hart es bei Aachen ist und dass sie bis zum Letzten kämpfen.“ Er war Weihnachten nicht zu Hause, und Joan wird auf ihren. Brief keine Antwort erhalten. Sie wird den goldenen Stern, das Zeichen der Toten, ins Fenster stellen müssen und wir glauben nicht, dass es sie tröstet.
Der blühende Sommer hat sich in einen bitteren Winter verwandelt, und es wandeln sich alle Vorstellungen mit ihm, sie gehen durch eine grausame Zensur. Unmerklich, nach und nach wird die große Nüchternheit sie überkommen, ein Prozess, der beim amerikanischen Grabensoldaten beginnt, dessen bittere Spottgedichte bis zu uns gedrungen sind. Eines davon beginnt: „Ihr, die ihr zu Hause sitzt, auf weichen Stühlen, bebändert und geschmückt…“
Wir nehmen dies alles nicht wichtiger, als es genommen zu werden verdient, Soldatenliteratur, ein Stückchen Stolz über einer kleinen, bitteren Wahrheit, die mit jedem Toten, der vor einem Verhau liegt, allerdings wachsen wird. Wir starren ihnen nicht in die Gesichter nach Zeichen ihrer Erschöpfung, doch wir glauben an eine langsame, aber totale Umkehr der Dinge, an die Tatsache einer veränderten Sachlage, die sie zwingen wird, das Gepäck ihrer bisherigen Meinungen, den Zeitungsimport aus Übersee, gründlich zu revidieren.
Wir haben ihre Tanzplatten gefunden, Bilder ihrer Filmstars, zerknüllte Eintrittskarten aus Neuyorker Revuetheatern. Sie brachten unbekümmerte Broadway-Fröhlichkeit mit. In den Wäldern der Ardennen erhalten die Broadway-Melodien einen neuen Text und die Geschütze geben eine andere Musik. Der Hintergrund ist düster und unwirtlich, die Luft ist rauh und kalt, sie liegen in den Dörfern um Bastogne in Notquartieren, sie haben kein Licht und wenig Wasser, sie schlafen auf den Küchenböden, Mann um Mann, die armseligen Bauerndörfer bieten keinen Komfort, nur Unsauberkeit, Enge und Trostlosigkeit. Die Verwundeten, oft bei Kerzenlicht operiert, haben einen beschwerlichen Weg über überfüllte und vereiste Straßen. Die Kämpfenden selber liegen auf treten Feldern, frierend, klamm, starr im eisigen Dunst verhangener Tage.
Dies alles überschätzen wir nicht, und wir glauben jenem Gefangenen nicht unbedingt, der da sagt: „Ja, wenn wir die Verpflegung nicht hätten…“ Mit Konservenbüchsen bezahlt man solche Kriegsanstrengungen nicht, aber es kann sein, dass sie, um sie auszuhalten, von Tag zu Tag mehr brauchen an inneren Begründungen. Im Großen und Ganzen wissen die amerikanischen Soldaten, dass sie nach vorne gehen müssen, um zurückzukehren. Aber wie dunkel und wie beschwerlich dieser, Weg sein wird, wissen sie nicht, wenngleich sie beginnen, es zu ahnen. Er ist kein schlechter Soldat, wenngleich wir uns für den besseren halten, aber wir sehen, dass er durch eine große Bitterkeit geht, die er zu bestehen hat.
Im Schnee sehen wir einige Nordamerikaner liegen, und jener, der an ihnen mit erhobenen Händen vorbei in die Gefangenschaft lief, hatte keinen Blick dafür, jeder Traum war für ihn zu Ende, und es blieb nur in der Luft der Lärm, die Melodie der großen Schlacht.
H.R.