Schweizer Presse über Schaffhausener Luftgangster –
‚Empörender Gegensatz zu Völkerrechtsparolen‘
Von unserem Berichterstatter in der Schweiz
b—r. Bern, 3. April –
Die beiden großen Basler Zeitungen, die auch in der übrigen Schweiz stark verbreitet sind, nehmen in besonders scharfer Weise zu dem amerikanischen Bombenangriff auf die benachbarte Stadt Schaffhausen Stellung. Die Nationalzeitung, der man sonst gewiß keinen Mangel an Gewogenheit für die Anglo-Amerikaner vorwerfen kann, findet dabei wohl das deutlichste Wort in der schweizerischen Presse überhaupt, wenn sie klar von einem „Kriegsverbrechen“ spricht, das die amerikanische Luftwaffe begangen habe.
Das Blatt sagt dazu im Einzelnen:
Schaffhausen ist offensichtlich mit Willen angegriffen worden, denn alles deutet darauf hin, daß die Flieger einfach irgendeine Stadt am Wege schnell „mitnehmen“ wollten und dabei als Amerikaner gar nicht wußten, daß es Schaffhausen war.
Dabei ist der Verlauf unserer Nordgrenze außerordentlich deutlich, wird sie doch vom Rhein gebildet, der obendrein bei Schaffhausen noch durch den Rheinfall erkennbar ist. Dem schlechten Wetter Schuld zu geben, ist daher ein Argument, das in der Schweiz die Empörung verstärken, nicht mildern wird. Aus einer Höhe von 5.000 Meter, wie die amtliche Darstellung feststellt, trifft man bei schlechtem Wetter nicht derart zielsicher, wie das bei Schaffhausen der Fall gewesen ist. Es ist durchaus möglich, daß sich infolge von schweren Verlusten die Qualität des Personals der amerikanischen Luftwaffe verschlechtert hat und dieses ungenügend über die geographischen Verhältnisse Europas ausgebildet wird. Ein Argument der Entschuldigung kann es für uns nicht sein. Wir müssen vielmehr mit allem Nachdruck verlangen, daß die amerikanische Luftwaffe in Europa genügend geschult sei, ein in Bezug auf die territorialen Verhältnisse, sei es mit Bezug auf das, was Respektierung der Neutralität und Integrität eines anderen Landes heißt.
Museum, Pfarrhaus, Kirche…
Die Montagmorgenblätter veröffentlichen zahlreiche Aufnahmen aus Schaffhausen, die ein Bild des Grauens und der Verwüstung zeigen. Man sieht Großbrände wüten, man sieht die ausgebrannten Ruinen im Zentrum der Stadt und die von Trümmern aller Art übersäten Straßen. Sehr schweren Schaden Kat das Museum Allerheiligen, eines der schönsten und reichhaltigsten der Schweiz, erlitten. Die Glanzstücke seiner Sammlung, die kostbaren Stimmer-Bilder, sind völlig zerstört. Die Sammlung der alten Meister, darunter Bilder von Lucas Cranach, ist schwer beschädigt und kaum mehr zu erkennen.
In der Neuen Berner Zeitung schreibt Nationalrat Dr. Feldmann unter anderem:
Die Rücksichtslosigkeit, mit der hier vorgegangen wurde, ist wirklich nicht mehr zu überbieten. Sie steht in empörendem Gegensatz zu den Parolen von der Respektierung des Völkerrechts, welche die amerikanische Kriegspropaganda kennzeichnen. Schaden läßt sich vergüten und ersetzen, aber kein diplomatischer Notenwechsel ruft die durch amerikanische Bomben getöteten Menschen wieder ins Leben zurück. Was am 1. April 1944 an der Nordgrenze unseres Landes geschah, gehört zum Schmerzlichsten, was die Schweiz in diesem Krieg bisher erfahren mußte.
dnb. Stockholm, 3. April –
Wie Reuters meldet, begab sich der Schweizer Gesandte am Samstagabend in das Staatsdepartement, um mündlich wegen der Bombardierung Schaffhausens durch amerikanische Flugzeuge Protest einzulegen.
Heuchlerisches Gerede der US-Presse
dnb. Genf, 3. April –
Nachdem sich die US-Presse bisher zu dem Überfall der Luftgangster auf Schaffhausen ausgeschwiegen hat, wagt sich jetzt die New York Times mit einem Artikel hervor, der darauf abzielt, den Piratenakt zu bemänteln beziehungsweise zu entschuldigen. Mit geradezu widerlicher Heuchelei spricht das US-Blatt von einem „tragischen Irrtum,“ durch den die friedliche und freundliche Schweizerische Stadt betroffen wurde.
Wenn das Judenblatt weiter erklärt, das Bombardement zeige, daß „die amerikanischen Präzisionsbombardierungen nicht immer so präzis“ seien, wie angenommen wurde, dann ist das ein zaghafter Vorwurf gegen die US-Luftbanditen, der die ganze Heuchelei der jüdischen Soldschreiber Roosevelts kennzeichnet.
Gleich der nächste Satz versucht die Banditen zu entschuldigen, und zwar bemüht sich die New York Times, den Neutralen klarzumachen, daß sie in allen Kriegen in der Nähe der Schlachtfront unter den „Zufällen,“ denen unschuldige Zuschauer ausgesetzt sein können, zu leiden hätten. Auch der leise Vorwurf, daß ein absichtliches Bombardement, „besonders am hellen Tage, niemals zu einer Angelegenheit eines wähl- und ziellosen Abwerfens gemacht werden sollte,“ gehört zu der Taktik der Heuchler, die sich durch die Versicherung, die US-Flieger seien „bekümmert und traurig,“ vor dem gemeinen Verbrechen vor der Welt freisprechen zu können glauben.
Die Schweiz wird vergeblich darauf warten, daß das Versprechen der New York Times, die Verantwortlichkeiten müßten irgendwo liegen und prompt festgestellt werden, eingelöst wird, denn mit den wenigen Worten eines verlogenen Bedauerns dürfte für die Neuyorker Juden der Fall Schaffhausen ein für allemal abgeschlossen sein.