Völkischer Beobachter (July 19, 1944)
Deutsche Ein-Mann-Torpedos greifen an
Von unserem Marinemitarbeiter Erich Glodschey
Berlin, 18. Juli –
Der Kampf zur See kannte bisher noch nicht den Einzelkämpfer, der, auf sich selbst gestellt, dem Feinde gegenübertritt, wie es im Land- und Luftkrieg häufig der Fall sein kann. Die Besatzung eines Kriegsschiffes kämpft stets in einer festen Gemeinschaft, bei der es auf jeden einzelnen ankommt, ohne daß er aber allein für sich gegen den Feind Vorgehen kann. Nun zeigt die Bewährung der Ein-Mann-Torpedos, daß die Männer der Kriegsmarine den gleichen Geist des Nahkämpfers in sich tragen, der etwa in einem ihrer Kameraden des Heeres verkörpert ist, der aus nächster Nähe einen schweren Feindpanzer erledigt.
Sie hatten sich die Tarnbezeichnung „Neger“ gegeben, die Männer der Ein-Mann-Torpedos, als sie am Kanal auf ihren Einsatz gegen die Invasionsflotte brannten. Wer weit draußen in der Seinebucht die Nachschubflotte der Invasoren mit ihrer sehr starken See- und Luftsicherung gesehen hat, dem drängte sich von selbst die Überlegung auf, was gegen diese englischen und amerikanischen Schiffe noch zusätzlich über die glänzenden Leistungen der Schnellboote, Küstenbatterien, Kampf- und Torpedoflugzeuge hinausgetan werden könnte. Schon hatte der Feind durch Granaten, Torpedos, Minen und Bomben zahlreiche Kriegs- und Handelsschiffe eingebüßt, da erschien im Wehrmachtbericht die lakonische Mitteilung von weiteren erheblichen Erfolgen durch „Kampfmittel der Kriegsmarine.“
In wenigen Tagen wurden 14 Feindschiffe, vom Kreuzer bis zum Transporter und Zerstörer, versenkt und weitere schwer beschädigt. Das waren sie, die „Neger,“ die Männer von den Ein-Mann-Torpedos! Solange der Feind nicht erkennen konnte, worum es sich dabei handelte, mußte über ihrem Tun ein Tarnschleier liegen. Nun kann einiges gesagt werden, was die todesmutigen Taten dieser Männer der Kriegsmarine dem deutschen Volke näher bekannt macht:
Die deutsche Kriegsmarine hat in kurzer Zeit in den Ein-Mann-Torpedos ein Kampfmittel improvisiert, das den besonderen Bedingungen gegen feindliche Landungsflotten angepasst ist, wie sie etwa vor Anzio-Nettuno und in größtem Maßstab vor der Küste der Normandie erschienen sind. Hatten die Zwerg-Unterseeboote unserer japanischen Verbündeten und die erfolgreichen italienischen Sturmkampfmittel Zweimannbedienung, so hat sich hier alles auf einen einzigen Mann konzentriert, der den Torpedo gegen ein feindliches Schiff lenkt. Ein Torpedo ist ein Unterseeboot im Kleinen, aber doch mit einer eigenen Antriebsmaschine, Seiten- und Tiefenruderanlage. Bei den italienischen und englischen Zwei-Mann-Torpedos wurde der „Gefechtskopf“ des Torpedos unter Wasser vom Torpedo gelöst und als Haftladung an dem Rumpf des feindlichen Schiffes befestigt. Mit dem deutschen Ein-Mann-Torpedo sind zusammengekoppelt der Trägertorpedo und der Kampftorpedo.
Im Kopf des Trägertorpedos sitzt ein Mann, der ihn steuert und der durch eine Glaskuppel aus dem Wasser blicken kann. Darunter ist der Gefechtstorpedo angebracht, der im geeigneten Augenblick abgeschossen werden kann. Der Trägertorpedo kann dann den Rückweg suchen, hat aber selbstverständlich mit schärfster Gegenwirkung zu rechnen, wenn der Gegner sich erst einmal von seiner Überraschung erholt hat. Es ist wirklich ein ganzer und restloser Einsatz, der die Männer der Ein-Mann-Torpedos auf sich nehmen. Wer die Taten deutscher Seeleute über und unter Wasser in diesem Krieg kennt, und das ist heute jeder Deutsche, der braucht nicht erst die Feststellung zu hören, daß sieh Freiwillige für die Ein-Mann-Torpedos gemeldet haben, und zwar aus allen Laufbahnen der Kriegsmarine.
Ein Beispiel ist der Schreiberobergefreite Gerhold, der als erster mit einem Ein-Mann-Torpedo einen feindlichen Kreuzer der Aurora-Klasse vernichten konnte. Der Kommandant des feindlichen Kreuzers hätte sich sicher niemals träumen lassen, daß sein 5.270 Tonnen großes und stark bewaffnetes Schiff von einem Gefreiten aus der Verwaltungslaufbahn der deutschen Kriegsmarine versenkt werden könnte. Gerhold mußte sein winziges Fahrzeug durch eine ganze Kette von Zerstörern und Bewachern hindurchführen, bis er an den englischen Kreuzer herankam. Die Beobachter an der Küste jubelten, als dieser Kreuzer, der oft in die Landkämpfe eingegriffen hatte, mit einer riesigen Explosionswolke versank. Zwischen Wasserbomben und Granaten der feindlichen Schiffs- und Flakartillerie fand Gerhold den Rückweg. Mit Freuden vernahm er dabei die Detonationen, die von seinen Kameraden mit anderen Ein-Mann-Torpedo in dem feindlichen Schiffsverband verursacht worden waren.
Heute trägt der Schreiber, der einen Kreuzer versenkte, das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes, das ihm der Führer verliehen hat. Er ist nun Maat geworden. Oberleutnant zur See Krieg ist der zweite Ritterkreuzträger der Ein-Mann-Torpedos. Andere erfolgreiche Nahkämpfer des Seekrieges haben das Deutsche Kreuz in Gold erhalten. Diese hohen Tapferkeitsauszeichnungen heben ihre Leistungen gebührend vor aller Welt hervor. Die größte innere Genugtuung dieser Männer freilich ist es, zu ihrem Teil wesentlich zur Bekämpfung der Invasoren im Westen beigetragen zu haben. Zugleich lieferten sie einen weiteren Beweis, daß die deutsche Seekriegsleitung für den Feind sehr überraschend zu improvisieren weiß, wenn es der Kampf gegen die hochgerüsteten Seemächte England und USA erfordert und wenn sich Möglichkeiten des Erfolges bieten.