Der Kampf um Cherbourg
vb. Berlin, 24. Juni –
Seitdem die amerikanische erste Armee auf der Halbinsel Cotentin bis zur Westküste vorgestoßen war, war es auch deutlich, daß es ihre erste Aufgabe sein würde, dem Hafen von Cherbourg in den Rücken zu kommen. Da die Verteidiger dieses Hafens mit dem Gros der deutschen Truppen nicht mehr in unmittelbarer Verbindung standen, waren sie seitdem in der Erfüllung ihrer Aufgabe vornehmlich auf sich angewiesen. Ihre Aufgabe läßt sich nicht allein von dem Namen Cherbourg her umschreiben. Sie muß im Rahmen der gesamten militärischen Lage gesehen werden.
Der erbitterte Widerstand, den die Verteidiger von Cherbourg unter ihrem tatkräftigen Kommandanten leisten, hat nicht allein zum Ziel die Behauptung der militärischen Ehre, das ist für den deutschen Soldaten ohnehin selbstverständlich. Die starke, von immer neuen Ausfällen und Gegenstößen getragene Verteidigung gliedert sich vor allem in das gesamtstrategische System der Deutschen ein. Sie hilft die notwendigen Vorkehrungen dafür zu treffen, daß die Absicht des Gegners für absehbare Zeit nicht in Erfüllung geht, einen gebrauchsfähigen Hafen in Besitz zu nehmen. Die deutschen Pioniere haben auch für den äußersten Fall die Möglichkeit und die Zeit, dem Gegner nur die Trümmer und nicht einen eigentlichen Hafen zu überlassen. Das Entscheidende aber ist, daß alle Kämpfe in der Normandie nur Vorbereitungskämpfe sind. Wie unsere Leser wissen, steht die eigentliche Entscheidung noch immer vor uns. Es ist von hoher operativer Wichtigkeit, daß die Verteidiger von Cherbourg starke Kräfte und wichtiges Material des Gegners so lange fesseln, bis die deutschen Kräfte für die eigentliche Folge von Entscheidungsschlachten aufmarschiert sind. In diesem Zeitgewinn für kommende Möglichkeiten liegt ein großes Verdienst der Streitkräfte von Cherbourg, und ihre Tapferkeit wie ihr Geschick haben an der Vorbereitung dieser Entscheidung den bedeutsamsten Anteil.
Die Nordamerikaner haben Teile des äußeren Befestigungsgürtels bewältigt. Sie stehen jetzt in erbittertem Kampf mit den deutschen Truppen im inneren Verteidigungsring. Die Kämpfe sind wie immer in diesem Bereich von der äußersten Härte. Die deutschen Truppen verteidigen jeden Fußbreit Bodens bis zum Letzen und nur mit dem Aufgebot aller Kräfte gelingt es den Amerikanern, hier Meter um Meter vorzudringen.
Inzwischen verstärken sich im Osten die bolschewistischen Angriffe. Ob diese Vorstöße in der Mitte der Ostfront der Beginn der lange erwarteten sowjetischen Großoffensive sind oder ob sie nur der Vorbereitung einer solchen Offensive an einer anderen Stelle dienen, läßt sich im Augenblick noch nicht übersehen. Die Front aber und die Heimat wissen, wieviel von dem Widerstand gegen eine bolschewistische Offensive gerade in dem gegenwärtigen, nach Entscheidung drängendem Augenblick des Krieges abhängt. Wir können sicher sein, daß die Front das Äußerste an Zähigkeit und Hingabe zeigen wird, um der furchtbarsten aller Gefahren Herr zu werden.