Ein Wahlskandal, der sogar die USA erregt –
Gangster wird Mitglied des Staatsgerichtshofes
rd. Lissabon, 21. November –
Der Einfluß des Gangstertums auf die politischen Parteien der USA ist bekannt. Oft schon haben die Gangster bei der Wahl amerikanischer Bürgermeister und Gouverneure eine entscheidende Rolle gespielt und ihre Kandidaten in die gesetzgebenden Körperschaften geschickt. Sie sind sogar in der Lage, die Ernennung von Richtern des höchsten amerikanischen Staatsgerichtshofes, selbst gegen die Opposition der Regierung, zu erreichen.
Das zeigt ein politischer Skandal größten Ausmaßes, der gegenwärtig die amerikanische Öffentlichkeit beschäftigt. Wie die bekannte USA.-Zeitschrift Time enthüllt, ist es einem der führenden Gangster Amerikas, Frank Jotello, gelungen, „seinen Mann,“ einen kleinen Stadtrichter aus Manhattan namens Thomas Aurelio, mit Hilfe der Demokratischen Partei Roosevelts zum Mitglied des höchsten USA.-Gerichts zu machen. Jotello hatte durch Beeinflussung der demokratischen Wahlmaschine bereits vier seiner Freunde zu Distriktsführern der Demokratischen Partei gemacht und kontrollierte damit einen erheblichen Teil Neuyorks. Diese von ihm abhängigen Politiker mußten dafür sorgen, daß Aurelio als Kandidat für die höchste Richterwahl aufgestellt wurde und die Zustimmung der Demokratischen Partei erhielt, trotzdem die Regierung für einen anderen Anwärter war.
Bei einer Untersuchung stellte sich heraus, daß Aurelio seinem Gangsterprotektor als Dank für die Sicherung seiner Kandidatur eine „nie erlöschende Dankbarkeit“ geschworen habe. Es wurde weiter in aller Öffentlichkeit bekannt, daß Jotello der Führer eines großen Bootleggerringes war und eine weitreichende Schwarzhandelsorganisation leitet.
Gefördert von den Parteien
Er ist bereits als Wettschieber verhaftet gewesen, zahlreicher anderer Betrügereien überführt worden und hat bereits Gefängnisstrafen hinter sich. Trotzdem er über ein Rieseneinkommen verfügt, ein großes Haus führt, stadtbekannt ist und Unsummen an seine demokratischen Freunde verteilt, hat er, wie Time ausdrücklich hervorhebt, in den letzten Jahren nicht einen Pfennig Steuern bezahlt. Er steht auch noch heute mit den berüchtigten Spitzengangstern Al Capone, Trigger Mike, Dutch Schultz und anderen in Verbindung.
Angesichts dieser durch die ganze USA.-Presse gehenden Enthüllungen rückten selbst seine demokratischen Freunde offiziell von Aurelio und seinem Protektor ab. Die Demokratische und die Republikanische Partei waren gezwungen, für die Wahl zum Staatsgerichtshof neue Kandidatenanwärter aufzustellen. Diese konnten jedoch nicht gewählt werden, da sich die Parteien gegenseitig Schwierigkeiten machten. Hinter den Kulissen aber einigte man sich dann wieder auf den von der ganzen USA.-Öffentlichkeit abgelehnten Gangstergünstling und wählte ihn tatsächlich für den Neuyorker Wahlbezirk zum Mitglied des Staatsgerichtshofes, des höchsten amerikanischen Gerichts, wo er durch seine Amtseigenschaft einen großen Einfluß auf das gesamte Rechtsleben auszuüben imstande ist. Mit fatalistischer Gelassenheit fügt Time hinzu:
Ein höchster USA.-Richter ist damit nicht durch die Hunderttausende von Stimmen der gesetzgebenden Wählerschaft, sondern durch den Befehl eines Gangsters vorgeschlagen, gewählt und bestätigt worden.
Und trotz aller öffentlichen Enthüllungen bleibt der Schwarzhändler, Bootlegger, Wettfälscher und Betrüger Jotello einer der mächtigsten Männer Neuyorks, den keine Partei anzutasten wagt.
Die ‚Wohltaten‘ der UNRRA –
Lehmanns abgelegte Kleider
Als einziges bisheriges Ergebnis der wochenlangen Beratungen der UNRRA (sogenannte „Alliierte Hilfs- und Wiedergutmachungskommission“) kündigte der Generaldirektor der UNRRA, Herbert H. Lehman, eine Aktion zur Sammlung von „alten abgelegten Kleidungsstücken für Europa“ an. Die abgelegten Kleidungsstücke sollen in dem von den Westmächten besetzten Gebiet Süditaliens verteilt werden.
Offenbar wollen die Nordamerikaner damit der Bevölkerung des „befreiten“ Gebietes zeigen, wie „ernst“ sie es mit ihren großartigen Versprechungen, Europa ein Zeitalter in „Wohlstand und Überfluss“ zu bringen, meinen. Allerdings können alte Kleider nicht als Ersatz für Nahrungsmittel dienen. Die „Befreiten“ werden also weiterhungern müssen, da die Vorräte fast durchwegs von den Truppen der Westmächte beschlagnahmt worden sind.