Völkischer Beobachter (April 3, 1944)
‚Murder Inc.‘ über der Schweiz
Schaffhausener Eidgenossen erleben am eigenen Leib, was Terrorflieger ‚militärische Ziele‘ nennen
vb. Wien, 2. April –
Wie wir bereits kurz in einem Teil unserer gestrigen Ausgabe mitteilten, haben die US-Luftgangster am Samstag bei einem Einflug in südwestdeutsches Gebiet die schweizerische Stadt Schaffhausen mit zahlreichen Sprengbomben beworfen und dort umfangreiche Verwüstungen angerichtet. Nach den letzten Feststellungen sind über 50 Todesopfer und mehr als 100 Verletzte zu beklagen, doch können diese Zahlen noch nicht als endgültig angesehen werden.
Die Schweizer mußten also am eigenen Leib verspüren, daß die Yankees einen rücksichtslosen Luftterror ausüben und sich dabei um die Neutralität der Schweiz nicht im Mindesten kümmern.
Die Schweiz war für sie seit jeher ein bequemes Ausweichgebiet, um die angrenzenden reichsdeutschen Bezirke mit möglichst geringem Risiko anzugreifen oder sich auf dem Rückflug gegen die deutsche Abwehr zu sichern. Zahlreiche amerikanische Bomber gingen auch in der Schweiz nieder, weil sie den Weiterflug über Frankreich nicht mehr wagten.
Nachdem englische Terrorbomber, die gleichfalls den neutralen Luftraum über der Schweiz mit Vorliebe als Operationsgebiet benutzten, mehrfach dort Bomben abgeworfen haben, ist nun von den Amerikanern am helllichten Tag eine schweizerische Stadt einem planvollen Zielbombardement unterworfen worden. Schaffhausen, kurz oberhalb des bekannten Rheinfalls gelegen, ist die Hauptstadt des gleichnamigen kleinen Kantons und zählt 23.000 Einwohner. Wie die Berichte erkennen lassen, sind dort bedeutende Schäden angerichtet worden. Die Zahl der Toten ist beträchtlich.
An dem Schicksal, das diese neutrale Stadt erlitten hat, kann die Umwelt erkennen, was es mit der dreisten Behauptung der Anglo-Amerikaner auf sich hat, daß sie lediglich militärische Ziele angriffen. Vielmehr wird hier offenbar, daß die Luftgangster wahllos Wohnviertel, Kirchen und Kulturdenkmäler heimsuchen, mit der ausgesprochenen Absicht, die Bevölkerung zu terrorisieren, um ihr einen möglichst hohen Blutzoll abzufordern. Mord und Brand, das ist die Kampfesweise des „Mordvereins,“ der sich seiner Schandtaten noch laut zu rühmen pflegt. Wer in der Schweiz noch geglaubt haben sollte, daß die Verwüstung deutscher Städte rein militärischen Zwecken diente, der wird durch das Beispiel Schaffhausen eines anderen belehrt sein und fortan das barbarische Wüten dieser Piraten gegen Frauen und Kinder und gegen alte Kulturwerte richtig einzuschätzen wissen.
Auf die Yankees selbst macht dieses Verbrechen offenbar nur geringen Eindruck. In ihrem Bericht steht lediglich zu lesen: „Infolge von Navigationsschwierigkeiten, die durch schlechtes Wetter veranlaßt waren, fielen einige Bomben irrtümlicherweise auf Schweizer Gebiet,“ und aus Washington wird gemeldet, man „rechne amtlicherseits damit, daß die USA sich bei der Schweizer Regierung wegen der Bombardierung Schaffhausens entschuldigen werden.“
Kein Wort des Bedauerns für die Opfer dieses Angriffs und für die Verletzung der schweizerischen Neutralität! Warum auch, da man sich längst daran gewöhnt hat, den Luftraum der neutralen Länder nicht mehr zu respektieren, zumal dort das Kind nicht einmal beim Namen genannt Wird, sondern stets höchst kulant von „Flugzeugen unbekannter Nationalität“ die Rede ist.
Auch der erste britische Luftangriff am 4. September 1939, der der dänischen Stadt Esbjerg galt, hat dort als erstes Opfer der Zivilbevölkerung eine Dänin getroffen.
Das ist ihr Luftkrieg!
Unser Berichterstatter in der Schweiz meldet folgende Einzelheiten dieses neuesten Verbrechens der US-Luftgangster:
Die amerikanischen Flugzeuge – nach bisherigen Feststellungen etwa 30 – kamen vom Bodensee her, und das Führungsflugzeug gab im Sturzflug durch eine rote Signalrakete oder bombe unmittelbar über dem Stadtzentrum das Zeichen zum Beginn des Angriffs, als dessen Folge sich eine Bahn der Verwüstung quer durch die Stadt zieht. Ganze Straßen, darunter Villenviertel und andere Wohnhäuser standen alsbald in Flammen.
Auf dem Herrenacker, dem Marktplatz der Stadt, war gerade Markt, und es scheint dort besonders zahlreiche Opfer gegeben zu haben, da die Menge an anglo-amerikanische Neutralitätsverletzungen gewöhnt, sich eines Angriffes nicht versah und zu spät in die umliegenden Häuser und Keller drängte. Das Stadttheater, zwei Museen, darunter ein ehemaliges Kloster und das historische Rathaus befinden sich unter den zerstörten oder schwer getroffenen Objekten.
Da auch verschiedene Wohnviertel schwer getroffen wurden, sind mehrere hundert Personen obdachlos geworden. Um 14 Uhr waren die zahlreichen Großbrände noch nicht eingedämmt. Zu der Bekämpfung mußten benachbarte Feuerwehren, bis aus Winterthur und Zürich herangezogen werden. Auch aus kleinen Orten der Umgebung Schaffhausens werden schwere Schäden gemeldet.
Der Bundesrat hat Kanton und Stadt Schaffhausen durch seinen Präsidenten Dr. Stampfli seine tiefe Teilnahme ausgesprochen und alle ihm zu Gebote stehende Unterstützung zugesagt. Der Vorsteher des eidgenössischen Militärdepartements, Bundesrat Dr. Kobelt, hat sich alsbald nach dem Angriff in die schwer betroffene Stadt begeben.
Das politische Departement hat, wie amtlich mitgeteilt wird, unverzüglich die schweizerische Gesandtschaft von Washington über die Bombardierung von Schaffhausen unterrichtet und sie angewiesen, bei der amerikanischen Regierung die sich aufdrängenden verschiedenen Schritte zu unternehmen. Einige kantonale Regierungen haben ihre Teilnahme und eidgenössische Verbundenheit ebenfalls zum Ausdruck gebracht, so die des benachbarten Zürich und der welschen Kantone Genf und Waadt.
Die Empörung der Schweizer Öffentlichkeit findet in der Presse lebhaften Widerhall, die Sicherungen gegen die Wiederholung der schweren Neutralitätsverletzungen fordert. In der Suisse wird darauf hingewiesen, daß eine der reizvollsten Schweizer Städte durch die amerikanische Luftwaffe zerstört worden und die Arbeit von Generationen in einigen Minuten vernichtet worden sei.
Im Bund werden entschiedene Maßnahmen zur Sicherung des schweizerischen Gebietes gefordert:
Das Land ist in großer Trauer und Beunruhigung. Es erwartet von Washington und London nicht nur Worte des Bedauerns und Versprechungen, den Schaden gut zu machen. Die Toten können nicht ins Leben zurückgerufen werden und sie klagen an. Das Schweizer Volk erwartet, daß die Engländer und Amerikaner seiner Gebietshoheit und seiner Neutralität volle Achtung zollen, die es durch seine bisherige Haltung beanspruchen darf und daß sie aus diesem folgenschweren Irrtum ihrer Luftwaffe die Konsequenzen mit Bezug auf die Sicherheit der Schweiz rasch und vollständig ziehen werden.