Völkischer Beobachter (February 7, 1944)
Washington demonstriert die ‚Freiheit für Freibeuter‘
Ungeheuerlicher Raub der Ölmagnaten mit Hilfe der US-Regierung
vb. Wien, 6. Februar –
Der Vizepräsident der Vereinigten Staaten, Henry Wallace, hat sich in einer Rede in Los Angeles gegen die „großen Geschäftsleute, die die Wall Street an die erste und die Nation an die zweite Stelle setzen,“ gewandt.
Sie stellen ihre Besitzrechte über die Menschenrechte und bekämpfen mit gleichbleibendem Haß durch Presse und Rundfunk jede Regierung, die die Menschenrechte über die kapitalistischen stellt. Wenn diese Leute von der Freiheit für geschäftliche Unternehmen sprechen, dann meinen sie Freiheit für Freibeuter.
Wallace wies abschließend warnend darauf hin, daß die Soldaten in Wut geraten würden, wenn sie bei ihrer Rückkehr von der Front in die Heimat dort sehen müßten, wie die Großkapitalisten statt für die Nation für ihre eigenen Interessen und Privilegien kämpften.
Die Großverdiener der Wall Street werden diesen sozialen Auftrag des Vizepräsidenten mit wissendem Augenzwinkern begleitet haben. Denn am gleichen Tag, an dem Wallace für den inneren Hausgebrauch und für die Täuschung ahnungsloser, neutraler Zeitgenossen draußen sich an fremdem Gedankengut vergriff, gab der US-Innenminister Ickes, in seiner Eigenschaft als Erdöladministrator einen neuen großen Fischzug des nordamerikanischen Erdölkapitals bekannt, der den Ölmagnaten der Wall Street dank der Hilfe des Weißen Hauses riesige Kriegsgewinne sichern wird. Die Sonntagsausgabe der Neuyorker Zeitung PM hat dieses Kombinationsgeschäft von Regierung und Standard Oil mit folgendem Kommentar versehen:
Ickes hat ein Geheimabkommen mit zwei großen amerikanischen Ölgesellschaften für die Erschließung des Saudi-arabischen Öls gutgeheißen, das Hunderte von Millionen Dollar Reingewinn für die Gesellschaften verspricht. Dieses Abkommen schließt das Risiko in sich, daß die amerikanische Militärmacht zum Einsatz gebracht werden muß, um die Investierungen zu schützen. Dieses Geschäft ist zwischen Ickes, der Petroleum-Reserve Corporation und den beiden amerikanischen Ölgesellschaften, die arabisches öl besitzen, nämlich der Standard Oil of California und der Texas Company, ausgehandelt worden. Dies würde eine Ausgabe von etwa 160 Millionen Dollar öffentlicher Gelder zum Bau der Ölleitungen bedeuten, und zwar unter Bedingungen, die den Gesellschaften mindestens 650 Millionen Dollar und vielleicht noch ein Vielfaches dieser Summe bei der Investierung von 20 Millionen Dollar erbringen würden.
Das wirkliche Geschäft
Aus einem Washingtoner Reuters-Bericht ist jetzt klarer zu entnehmen, als es bei der ersten Mitteilung möglich war, um was es sich bei diesem Geschäft handelt. Während gestern nur die Rede von dem Bau einer Petroleumraffinerie in Saudi-Arabien durch die zur Standard Oil-Gruppe gehörende Arabian American Oil Co. und von Erweiterungsplänen für die Anlagen auf den Bahreininseln in Abdan am Persischen Golf und in Haifa war, wird jetzt bekannt, daß Ickes außerdem den Plan der US-Regierung für den Bau einer Ölleitung vom Persischen Golf bis zur Ostküste des Mittelmeeres mitgeteilt hat. Diese Ölleitung, die etwa 1.250 Meilen lang sein wird und für die mit von der Washingtoner Regierung aufzubringenden Kosten von 160 Millionen Dollar gerechnet wird, ist für die Zwecke des US-Imperialismus im Nahen Osten bestimmt. Um über diese Zweckbestimmung keinen Zweifel aufkommen zu lassen, erklärte Ickes:
Die bekannten Reserven der USA sind nach unseren Schätzungen für den Bedarf des Landes nur für verhältnismäßig wenige Jahre ausreichend. Der Bau der Ölleitung wird die riesigen Ölmengen des Gebietes am Persischen Golf den USA zugänglich machen, falls und sobald dies erforderlich ist.
Das Abkommen sieht außerdem vor, daß die Gesellschaften Öl an eine Regierung nicht verkaufen, wenn nach Meinung des Außenministeriums ein derartiger Verkauf der US-Außenpolitik schaden würde. Ickes sagte, das Abkommen habe die Billigung Roosevelts und des Außenministeriums und fügte hinzu:
Die Ölleitung wird das Öl der so geschaffenen Reserve der Regierung jederzeit zum Kauf für militärische oder Marinezwecke zu einem Preise von 25 Prozent unter dem Marktpreis, der in der Gegend des Persischen Golfes oder in den USA für gleichwertiges Rohöl gezahlt wird, anbieten, und zwar je nachdem, welcher der beiden genannten Preise niedriger ist.
Die US-Regierung dürfe jede Menge dieses Öls für einen Zeitraum von 50 Jahren für sich in Anspruch nehmen und im Krisenfalle das gesamte Rohöl erwerben, das die Gesellschaften produzieren.
Die Ölmagnaten haben großmütig der Regierung die Rückzahlung der Baukosten plus Zinsen innerhalb von 25 Jahren zugesagt, „mit einem Nettogewinn für die Regierung, über den man sich noch einigen muß.“ Nach Abzug der Spesen für Ickes und die anderen beamteten Washingtoner Helfershelfer bei diesem ungeheuren Fischzug wird bei den zu erwartenden Riesengewinnen sicherlich auch für die „Regierung“ eine Kleinigkeit abfallen.