Das Moment der Überraschung
vb. Wien, 17. August –
In voller Ordnung und unter Mitführung aller Waffen und des gesamten Materials hat die deutsch-italienische Kampfgruppe, die den Brückenkopf Messina verteidigte, die Insel Sizilien geräumt und steht nun in ungebrochener Schlagkraft zu neuen Auf gaben bereit. Ihre heldenmütige Abwehr hatte dem Feind in härtesten Kämpfen so schwere Verluste zugefügt und ihn so unsicher gemacht, daß er sich nur zögernd vorwärtstastete und keine zuverlässige Vorstellung von der Besetzung der gegnerischen Front mehr hatte. Die Räumung wird ihn daher völlig überrascht haben. Daß sie unbemerkt vom Feind und bei ständigen Luftangriffen auf die Straße von Messina ohne Reibungen und Verluste planmäßig durchgeführt werden konnte, dürfen wir als einen Erfolg verbuchen, der der weiteren Kriegführung in diesem Raum zugute kommen wird.
Diese Bewegung war seit etwa zwei Wochen im Gang, gedeckt durch den immer dünner werdenden Schleier der Nachhut, die an den Hängen des Ätna und im nördlichen Abschnitt dem Feind erbitterte Gefechte lieferte und in beweglicher Verteidigung den Abzug der Kameraden sicherte. Nun ist es gelungen, auch diese letzten Verbände auf das Festland überzusetzen. Wie wenig der Gegner mit dieser Möglichkeit rechnete, zeigte die Tatsache, daß er noch im letzten Augenblick an der Nordküste eine Landung unternahm, um die dort angenommene deutsche Gruppe abzuschneiden. Er fand aber nur leere Stellungen vor.
Nach dem Abschluß der Kämpfe in Tunis hatte der Feind zunächst seine Luftwaffe angesetzt, um die Inseln Pantelleria und Lampedusa niederzukämpfen, und dann auch in steigendem Maße Ziele auf Sizilien anzugreifen. Es vergingen aber fast zwei Monate, bis die Briten und Nordamerikaner in der Nacht zum 10. Juli an der Küste der Insel zwischen Gela und Syrakus landeten, später auch im Westen Siziliens. Es entwickelten sich in der Folge schwere Abwehrkämpfe gegen den zahlenmäßig überlegenen Gegner, der besonders im Abschnitt von Catania bald erkennen mußte, wie teuer er jeden Fußbreit Bodens zu bezahlen hatte.
Immer wieder betonten die feindlichen Frontberichter die verbissene Zähigkeit des deutschen Widerstandes und die Höhe der Verluste an Menschen und Material, die der Angreifer in Kauf nehmen mußte. Dazu traten die steigenden Ausfälle an Schiffen durch kühne Angriffe leichter deutscher und italienischer Seestreitkräfte, die noch in den letzten Tagen zwei Kreuzer versenkten und den Transportschiffsraum im Verein mit der Luftwaffe gewaltig lichteten. Eine ganze Flotte ist in den Gewässern um Sizilien versenkt worden, ganz abgesehen von dem großen Geleitzug, über dessen vernichtende Einbußen die Sondermeldung vom Sonntag berichtete.
Es geht nun nicht an, den sizilischen Feldzug außerhalb des Zusammenhanges zu bewerten, in dem die Kampfhandlungen auf allen Kriegsschauplätzen untrennbar stehen. Sieht man Europa, soweit es im Machtbereich Deutschlands und seiner Verbündeten liegt, als eine Festung an, die ihre ausgedehnten Bastionen dem Feind zukehrt, so sind diesem weiten Kernraum Außenpostierungen vorgelagert, deren Funktionen zwar örtlich bedeutsam, auf das Ganze gesehen aber nicht entscheidend wichtig sind. Das gilt auch von Sizilien. Die Verteidigung solcher Vorposten kann nicht durch prestigemäßige Erwägungen bestimmt sein. Sie muß im Allgemeinen darauf ausgehen, möglichst starke feindliche Kräfte so lange zu binden, als dies der Gesamtplan erfordert, ihnen hohe Verluste zuzufügen und die eigenen Ausfälle niedrig zu begrenzen, schließlich den Abzug der Deckungsgruppen offen zu halten für den Zeitpunkt, da ihre Aufgabe erfüllt ist.
Dieser Ablauf war in Sizilien deutlich zu verfolgen. Obwohl der Feind dort mit mehrfacher Übermacht auftrat, konnten ihm Überraschungsschläge gegen die Verteidiger der Insel nicht gelingen. Seine schwerfällige und ganz auf grobe Materialwirkung eingestellte Führung wurde im eigenen Lager als wenig befriedigend empfunden, und man stellte dort die Frage, wie die Dinge denn erst laufen sollten, wenn man auf dem Festland jeden Teilerfolg so teuer und zeitraubend bezahlen müßte, wie dies unter weit günstigeren Voraussetzungen schon in Sizilien der Fall gewesen sei.
Hierin liegt aber die besondere symptomatische Bedeutung dieses Kampfes: er hat bestätigt, daß auch diesem Feind gegenüber der deutsche Soldat Mann gegen Mann weit überlegen ist, daß er Überzahl und Materialmasse des Gegners durch seine höhere Moral und kämpferische Eignung in weitestem Umfang auszugleichen vermag und dabei den Vorteil einer besseren Führung genießt, gewachsen auf dem Boden einer soldatischen Tradition, die man nicht nach Belieben durch Improvisationen überwinden kann. Auf Grund dieser frischen Erfahrungen wird sich den Briten und Yankees der weitere Verlauf der Dinge wesentlich anders darstellen, als dies noch vor kurzem, auch in falscher Einschätzung bestimmter politischer Momente, in London und Washington geglaubt wurde. Mit Stolz blickt daher das deutsche Volk auf die Männer, die auch auf dem heißen Kampfboden Siziliens dem Feind den Geist vor Augen gestellt haben, der uns alle in dem Ringen um Freiheit und Zukunft beseelt.
London ist enttäuscht –
Rückführung unter ‚Flakschirm‘
dnb. Stockholm, 17. August –
Daily Express kann seine Enttäuschung über die Rückführung der deutschen Truppen aus Sizilien nicht verbergen, meldet der Londoner Korrespondent von Aftonbladet aus der britischen Hauptstadt. Das englische Blatt schreibt:
Alle auf Sizilien gesetzten Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Wahrscheinlich wird es sich zeigen, daß die Hauptkräfte der deutschen Truppen bereits das Festland erreicht hätten.
Die anglo-amerikanischen Piloten bezeichneten den von den Deutschen gelegten Flakschirm über der Straße von Messina als das Bemerkenswerteste, was sie in diesem Kriege überhaupt erlebt hätten. Die aus dem Wüstenkrieg her gefürchteten beweglichen 88-mm-Kanonen erwiesen sich auch für die Luftabwehr außerordentlich wirkungsvoll. Sie bildeten regelrechte Feuertunnel, die die alliierten Piloten „Flakalleen“ getauft hätten.