Völkischer Beobachter (January 27, 1943)
England zur Atlantikschlacht –
„U-Boot-Krieg nimmt völlig neuen Verlauf!“
dnb. Stockholm, 26. Jänner –
Der Londoner Korrespondent von Dagens Nyheter stellt fest, daß nach Auffassung der Mehrheit der englischen Sachverständigen die U-Boote die gefährlichste Waffe Deutschlands im augenblicklichen Kriegsabschnitt seien. Die Bekämpfung der Unterseeboote sei daher das Hauptproblem der Achsengegner. Die immer ernster werdende U-Boot-Gefahr hat nach Londoner Eigenberichten zu erneuten lebhaften englischen Presseertörterungen geführt.
Der Manchester Guardian erhebt die Forderung nach einem Ausschuß für die Bekämpfung der Unterseeboote mit Churchill als Vorsitzenden. Die Daily Mail erinnert daran, daß bei Beginn des jetzigen Krieges in England vielfach die Meinung vertreten worden sei, daß Unterseeboote im Zusammenhang mit den vorhandenen Abwehrmitteln nicht mehr die Schiffahrt bedrohen könnten. Jetzt seien die Engländer eines Besseren belehrt worden. „Der gegenwärtige U-Boot-Krieg nimmt einen für die Demokratien völlig neuen Verlauf", stellt Daily Mail in einem Leitartikel fest. Früher seien nämlich die Schiffsversenkungsziffern von Monat zu Monat zurückgegangen, während sie jetzt immer weiter anstiegen. Dieser „Rhythmus“ habe etwas äußerst Gefährliches an sich. Er drohe in eine Katastrophe für die Verbündeten auszuarten. Mit den größten Befürchtungen müsse man dem U-Boot-Krieg in den Frühjahr- und Sommermonaten entgegensehen, wenn schon in den Wintermonaten so viele Schiffe den U-Booten zum Opfer fielen. Das Beunruhigendste am gegenwärtigen Verlauf des U-Boot-Krieges aber sei die Erkenntnis, daß Deutschland offenbar in der taktischen und technischen Entwicklung der U-Boot-Waffe der von den Verbündeten angewandten Methode der U-Boot-Abwehr weit vorauseile.
Auch die USA. stark beunruhigt
Die Schlacht auf den sieben Weltmeeren stehe wieder im Mittelpunkt der USA.-Presse, schreibt der Neuyorker Korrespondent des Daily Sketch. Das hätten die Achsenmächte ihren Unterseebooten und deren gewaltigen Erfolgen zu verdanken. Man müsse daran denken, daß der Gegner seine U-Boot-Kampagne bei ungünstigen Witterungsverhältnissen durchführe. Aus dieser Erwägung heraus zeige man sich in den USA. stark beunruhigt.
Der bekannte Leitartikler Raymond Clapper gebe dem auch in der Zeitung New York World Telegram Ausdruck. Er bemerkt unter anderem, den Demokratien ständen auf See schwerste Zeiten bevor. Andere USA.-Biätter dringen, wie der Washingtoner Korrespondent des Daily Herald meldet, in die Regierung, endlich genauere Angaben über die Schiffsverluste zu machen. Es sei lächerlich, schreibt die New York Times, wenn das Marineministerium der Öffentlichkeit Tatsachen verheimliche, von denen man vernünftigerweise annehmen müsse, daß sie dem Gegner nicht unbekannt geblieben seien. Man prahle, wenn einmal ein Geleitzug seinen Bestimmungshafen erreiche, doch werde gründlich geschwiegen, wenn nur Bruchstücke von ihm eintrafen.
Hore-Belisha gegen die Verheimlichungstaktik
Die argentinische Zeitung La Razon veröffentlicht einen Aufsatz des ehemaligen britischen Kriegsministers Hore-Belisha. Dieser kritisiert darin die britische Verheimlichungspolitik bezüglich der Schiffsverluste.
„Der Seekrieg geht unter größtem Geheimnis vor sich", schreibt er unter anderem.
Unser Kampf hängt von unserer Überlegenheit zur See ab und von der Möglichkeit, Truppen, Lebensmittel und Munition zu verschiffen und die notwendigen Rohstoffe einzuführen, über seinen Verlauf sind keine Informationen von zuständiger Stelle ausgegeben worden. Im vergangenen Kriege sowie im gegenwärtigen bis zum Juni 1941 sind regelmäßig die Flottenverluste bekanntgegeben worden. Seit diesem Datum aber sind keine Nachrichten mehr ausgegeben worden. Es liegt kein Beweis dafür vor, daß der Feind durch diesen Wechsel in der Nachrichtenpolitik gelitten hätte. Im Gegenteil, es besteht der unangenehme Eindruck, daß unser Stillschweigen auf die Unmöglichkeit zurückzuführen ist, all unsere Anstrengungen gegen die schreckliche Gefahr des Unterseebootkrieges zu konzentrieren. Es ist notwendig, das Publikum über die Tatsachen zu unterrichten, so wie sie sind, um zu vermeiden, daß sich mit Recht Furcht der Gemüter bemächtige, wenn ein so großes Stillschweigen bewahrt wird.