Völkischer Beobachter (June 22, 1944)
Trotz großen Kräfteverbrauchs:
Noch keine Bewegungsfreiheit für Montgomery
Berlin, 21. Juni –
An der Invasionsfront setzten die Briten ihre am Sonntagnachmittag beiderseits Tilly begonnenen Angriffe fort, ohne Fortschritte machen zu können. Wie zuvor in den Ruinen von Tilly verblutete nun die britische Infanterie vor Hottot-Fouteney.
Im Nordteil der Cotentin Halbinsel schoben sich die Anglo-Amerikaner entlang der von Barneville und Saint-Sauveur und Montebourg nach Norden führenden Straße näher an die Außenwerke der Festung Cherbourg heran. Unsere Sicherungen lieferten den vordringenden feindlichen Kräften eine Reihe von schweren für den Feind verlustreichen Kämpfen.
Um die Bewegungen unserer Truppen zu stören, setzten die Nordamerikaner wieder starke Bomberverbände ein und vernichteten dabei weit über militärische Notwendigkeiten hinaus zahlreiche Ortschaften abseits der großen Straßen, die nur noch Trümmerhaufen sind.
Östlich der Orne engten unsere Stoßtruppen den kleinen britischen Frontvorsprung noch weiter ein. Die Säuberung der Wälder von Bavent war durch das unübersichtliche, von zahlreichen Widerstandsinseln durchsetzte Gelände erschwert.
Aber auch unsere Soldaten nützten jeden Baum und jede Heeke aus, um an die gut getarnten Pak- und MG-Nester des Feindes heranzukommen. Überraschende, nur durch Schneid zu bewältigende Lagen waren hiebei nicht selten. Als zum Beispiel die Briten mit Panzern einen Gegenstoß führten, wurde ein deutscher Kampfwagen in Brand geschossen. Die Besatzung stieg aus. Nur ein Unteroffizier blieb im Panzer. Er jagte unbeirrt die gesamte Munition hinaus und erzielte dabei noch zahlreiche Treffer auf feindliche Panzer und die in ihrem Schutz vorgehende Infanterie. Erst nach Verschliss der gesamten Munition verließ der Unteroffizier den jetzt in hellen Flammen stehenden Panzer. Sein Kampf trug wesentlich dazu bei, daß auch an dieser Stelle der feindliche Gegenstoß missglückte.
vb. Berlin, 21. Juni –
Seitdem die Nordamerikaner und Briten in der Normandie Fuß gefasst haben, ist die Abschnürung der Nordecke der Halbinsel Cotentin der einzige Erfolg, den sie gewonnen haben. Auch dieses Ereignis aber hat ihnen nicht das gegeben, was ihr eigentliches Ziel seit der Landung ist: Operativer Bewegungsfreiheit.
Während die Truppen der amerikanischen ersten Armee bei ihrem Versuch, nach Norden Raum zu gewinnen, sich den außerordentlichen starken Werken der Festung Cherbourg gegenübersehen, ist die Gesamtmasse der Heeresgruppe Montgomery nach wie vor in einen Raum gepresst, der für sie viel zu klein ist.
Alle Versuche, sich den notwendigen Raum zum Aufmarschieren, zum Manövrieren und zum Ausweichen zu schaffen, müssen in die Tiefe, müssen nach Süden oder Südwesten gehen. Hier stoßen alle Angriffe General Montgomerys, so erbittert sie auch geführt werden, immer auf so kräftige deutsche Gegenstöße, daß in dieser Richtung den Amerikanern und Briten bisher kein Erfolg beschieden war.
Immer noch erstreckt sich das gewonnene Gelände nicht allzu weit über die Reichweite der schweren Schiffsartillerie hinaus. Diese Lage muß General Eisenhower und General Montgomery umso nachdenklicher stimmen, als sie schon seit vierzehn Tagen immer wieder frische Verbände in den Kampf geworfen haben, ohne daß diese nach Süden über eine im Einzelnen zwar flüssige, im ganzen aber festliegende Linie hinaus hätten Vordringen können.
Der Zwang, neben abgekämpften Verbänden neue in die Front hineinzuschieben oder die verbrauchten durch frische eilig zu ersetzen, erhält seine Bedeutung auch dadurch, daß naturgemäß nicht alle Divisionen Montgomerys Eliteverbände sind. Alle sind ausgezeichnet ausgerüstet, aber es gibt doch beträchtliche Unterschiede in der Ausbildung, der Führung und Gefechtserfahrung.
Neben den Teilnehmern des afrikanischen und italienischen Krieges stehen viele andere, die jetzt zum erstenmal in den Kampf gehen und die diesen Mangel in der Ausbildung noch nicht völlig haben ausgleichen können. Das bedeutet aber, in den kriegerischen Alltag übersetzt, daß diese Truppen besonders hohe, zum Teil ganz außerordentlich hohe Verluste erleiden. Der deutsche Soldat, der sich mit Recht schon den Eliteverbänden Montgomerys gegenüber überlegen fühlt, ist es gegenüber diesen anderen Divisionen erst recht. Darum auch bleiben alle Vorstöße des Gegners immer wieder in taktischen Einzelgefechten hängen und darum hat General Montgomery in dem entscheidenden Problem noch keine überzeugende operative Linie zu finden gewusst.
Es fragt sich, wie lange der Oberbefehlshaber der Invasionstruppen noch dieses Unternehmen weiterführen will, immer wieder neue Vorstöße zu befehlen und doch den genügenden Raum nicht zu gewinnen, aus dem er eigentlich erst antreten könnte zur Entscheidung suchenden Offensive. Man könnte sich vorstellen, daß er noch einmal die Kräfte des Brückenkopfes zu Gewaltvorstößen zusammenzuraffen versucht, man kann sich aber auch denken, daß er an der Möglichkeit verzweifelt, für seine Hauptstreitkräfte ein genügendes Aufmarschfeld in der Normandie zu finden, und daß er an einem anderen Teil der französischen Küste einen neuen Kampfplatz zu finden hofft.
Wir kennen die Gedanken des gegnerischen Oberbefehlshabers nicht, aber auf jeden Fall wird deutlich, daß er unter dem unveränderten Zwang steht, sich das Gebiet erst zu schaffen, in dem er seine Streitkräfte wirklich entfalten kann. Dies bedeutet aber auch die unveränderte Gültigkeit des Satzes, daß die Hauptkämpfe in der Invasionsschlacht erst bevorstehen.